Der Eingriff dauerte etwas mehr als drei Stunden und anstatt durchschnaufen zu können, wurde Frau Prof. Patzelt zu einer Herzkatheteruntersuchung gerufen. Nach dieser Herzklappen-OP war Elias mehr als erleichtert, nun endlich eine Pause einlegen zu können und seiner Schwester einen Besuch abzustatten. Anschließend machte er sich auf den Weg in die Cafeteria, wo er auf seine Freunde traf. „Wenn ich es euch doch sage, genau hier, mitten in der Cafeteria.", erzählte Julia gerade voller Euphorie. „Was ist denn passiert?", fragte Elias, als er sich zu ihnen setzte. „Mein Patientin, Frau Köster, sie hatte einen Herzinfarkt und ihr Freund hat sie hergetragen. Dann hat eine junge Frau sie versucht wiederzubeleben, mitten hier in der Cafeteria.", wiederholte Julia alles in Kurzfassung. „Einfach so? Respekt. Meistens machen Passanten ja eher nichts." „Man munkelt, sie sei Ärztin. Aber ob das stimmt, weiß ich nicht. Als Moreau und ich hier ankam, war sie schon mit vollem Eifer dabei." „Krass.", kommentierte Ben schmatzend. „Das würde zumindest erklären, weshalb sie sofort geholfen hat.", sagte Vivi schulterzuckend. „Moreau wollte sich noch einmal mit ihr unterhalten. Vielleicht wissen wir danach mehr. Aber ich muss ehrlich sagen, es sah ziemlich professionell aus, was sie gemacht hat und mit was für einer Gelassenheit sie das Mädchen behandelt hat. Ich bin ehrlich begeistert. Ich glaube ich wäre nicht so cool geblieben, obwohl wir das ja eigentlich sollen.", sagte Julia anerkennend. „Ohne die Erste Hilfe wäre das Mädchen sicher gestorben.", stellte Theresa fest. Die Anderen nickten zustimmend. „Ich mag gar nicht daran denken. Sie ist gerade einmal sechzehn und hatte bereits einen Herzinfarkt.", murmelte Julia leise. „Weiß man denn schon, woran es gelegen hat?", fragte Elias vorsichtig. Julia schüttelte den Kopf. Eine gedrückte Stimmung legte sich über die Assistenzärzte und sie schwiegen.
„Wie läufts eigentlich mit deinem Kommunikationsproblem mit der Ärztin aus London?", lenkte Theresa vom Thema ab. Erschrocken schaute Ben Elias an: „Du hast ihnen davon erzählt?" „Was sollte ich denn machen? Ich wurde gestern Abend überfallen.", Elias nahm schützend die Hände hoch, da die Mädels gespielt empört zum Schlag ausholten. „Ja also?", hackte Vivi nach. „Gestern Abend blieb ihr Handy aus und heute Morgen fand ich es eher unangebracht sie so früh zu wecken, da sie ja auch Wochenende hat und sicher ausschläft.", antwortete Elias. Die Handys in den Taschen der jungen Ärzte piepten und damit war ihre gemeinsame Mittagspause auch schon wieder beendet. Ben musste zu Frau Dr. Sherbaz in die Notaufnahme, Theresa zu Dr. Lindner in eine OP, Vivi zu Dr. Ruhland zu einem Patienten, Julia zu Dr. Moreau und Frau Köster und Elias erneut zu Prof. Patzelt.
Elias bekam jetzt den Überwachungsdienst über die Patientin, die er zuvor gemeinsam mit Frau Patzelt operiert hatte. Sie informierten den Mann der Patientin über den Verlauf der Operation und den derzeitigen Zustand seiner Frau. Diese war nach dem Eingriff noch nicht wieder aufgewacht und lag entsprechend an vielen Maschinen auf der Intensivstation. Elias setzte sich in einen Nebenraum, wo sich ein Bildschirm mit allen notwendigen Daten zum Zustand der Patientin befand. Dieser war durch ein Glasfenster zum Zimmer, in dem sich die Patientin befand, getrennt, sodass Elias einen vollständigen Überblick über die aktuelle Lage hatte. Die Tür zu dem anderen Zimmer öffnete sich und ein Mann mit einem hellblauen Überwurf kam rein. Es war der Mann der Patientin, der sich zu ihr ans Bett setzte und ihre Hand nahm. Stumm betrachtete Elias das Geschehen und seine Gedanken wanderten zu dem jungen Mädchen, von dem Julia erzählt hatte.
Ein Glück wurde ihr sofort geholfen, denn es war nicht auszudenken, was da hätte alles passieren können. Es gab scheinbar doch noch Menschen, die so selbstlos einer völlig fremden Person halfen. Sicher Elias war Arzt und es war sein Beruf, doch außerhalb des Dienstes war es ihm bisher noch nie passiert, dass er jemandem das Leben retten musste. Wenn er mit dem Rettungswagen unterwegs war, wusste er immer was zu tun war, wenn sie zu einem Einsatzort kamen. Aber im Alltag hätte er vermutlich nicht die Ruhe gehabt, um alles richtig zu machen. So hatte er immer jemanden dabeigehabt, der zur Not eingreifen konnte.
Dieses Infragestell des eigenen Könnens begleitete Elias bereits sein ganzes Leben lang. Ob es nun zu Schulzeiten war oder auch im Studium, es fiel ihm immer schwer an die eigenen Fähigkeiten zu glauben. Daher bewunderte er immer alle die Leute, die alles mit einem Selbstbewusstsein meisterten, von dem Elias nur träumen konnte. Seine Freunde Ben und Theresa gehörten zu dieser Sorte Menschen, wobei sie beide von Grund auf verschieden sind. Theresa hat das Können einfach durch ihren Fleiß und Ehrgeiz verdient, schmiert dies einem aber auch regelmäßig aufs Brot. Ben hingegen strotzt nur vor Selbstbewusstsein und nimmt es mit dem Wissen und Können nicht ganz so genau. Er könnte vermutlich auch Stroh als Gold verkaufen, nur weil er so überzeugend ist. Elias hatte zwar das notwendige Wissen, wusste dies auch einzusetzen, aber um damit sicher aufzutreten reichte es einfach nicht.
Das Piepen eines Monitors riss Elias aus seinen Gedanken und er ging in das angrenzende Zimmer. Die Patientin erwachte langsam aus der Narkose und bewegte sowohl die Augenlider, als auch Finger. Der Mann machte Elias Platz, der erst den Atemschlauch aus dem Hals der Patientin zog und anschließend die Herzfunktion und Puls mit seinem Stethoskop überprüfte. Anschließend prüfte er den geistigen Zustand der Patientin, indem er mit ihr sprach. „Hallo Frau Sommer. Wissen Sie wo Sie sind?" Die Frau nickte schwach, da sie noch vollkommen benommen war. „Sehr gut. Erinnern Sie sich an mich?" „Ja. Sie sind Herr Bähr, mein Arzt.", krächzte die Frau mit trockener Stimme. „Richtig Frau Sommer. Ich werde jetzt einmal nachsehen ob alles in Ordnung ist." Erneut nickte sie kaum merklich. Elias leuchtete ihr mit einer kleinen Leuchte in die Augen um die Tätigkeit der Pupillen zu überprüfen und bat die Patientin anschließend seine beiden Hände in die Ihren zu nehmen und sie ganz fest zu drücken. Dann hörte er ihr Herz noch einmal ab und maß Blutdruck. „Sehr gut. Es scheint alles in Ordnung zu sein. Haben Sie schmerzen?" Die Frau schüttelte langsam den Kopf und flüsterte ein Nein. „Gut. Dann lass ich Sie jetzt erst einmal in Ruhe wach werden. Wenn Sie etwas brauchen, ich bin nebenan.", sagte Elias abschließend und lächelte bevor wieder aus seinen Platz ging. Durch die Scheibe sah Elias, dass Herr Sommer sich wieder zu seiner Frau gesetzt hatte und mit ihr sprach.
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Glücksbä(h)rchen ~ In aller Freundschaft -Die jungen Ärzte
FanfictionElias Bähr ist Assistenzarzt im Johannes-Thal-Klinikum in Erfurt. Seine Arbeit ist sein Leben. Doch ein Aufenthalt in London soll alles verändern. Denn dort trifft er auf die junge Ärztin, Sofia, an die Elias sein Herz verliert. Es könnte alles so s...