Kapitel 4

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Jake

Ich bemerke aus den Augenwinkeln, wie Claire mich anschaut. Ich freue mich insgeheim riesig, dass sie mich ansieht, doch dann wird mir bewusst, dass das so ziemlich alle Mädchen in diesem Raum tun und meine Freude sinkt wieder.

Trotzdem wende ich meinen Kopf in ihre Richtung und lächle sie an.

Ihre Augen strahlen in einem so intensiven Grün, dass ich sie einfach weiter anschauen muss und meinen Blick nicht von ihr nehmen kann.

Claire wendet sich erst ab, als Maria sie am Arm zupft und mit ihren Augen hinter mich deutet. Ich drehe mich um und sehe... Catherine!

Was muss sie eigentlich immer in den unpassenden Momenten auftauchen. Sie strahlt mich, mit ihren weißen Zähnen an, was ich früher so sexy gefunden habe, aber mittlerweile finde ich es nur noch aufgesetzt.

Ich schenke ihr nur einen missbilligenden Blick, der sie für einen Moment aus der Fassung zu bringen scheint, doch kurz darauf kehrt auch schon ihr fake Lächeln auf ihr Gesicht zurück.

Mein Blick ruht auf Claires Hinterkopf, in der Hoffnung sie würde meinen Blick spüren und sich wieder umdrehen, doch anscheinend merkt sie es nicht, oder sie will mich nicht mehr ansehen.

Der Englischlehrer Herr Feulner betritt den Raum. Mit einem Schlag, verebbt die Unruhe und es wird mucksmäuschenstill. Alle richten ihre Blicke nach vorne.

Herr Feulner kramt in seiner Aktentasche und zieht einen Stapel Blätter hervor. „So, zuerst verteile ich die Referate von letztem Schuljahr und danach kündige ich das Thema für das nächste Referat an."

Während er die Blätter austeilt, sagt er die Note eines jeden Schülers laut genug, so dass die ganze Klasse es hören kann.

Ich weiß nicht ob er es mit Absicht macht, oder ob es ihm gar nicht klar ist.

Bei manchen Schülern verzieht er von vornherein das Gesicht und man merkt schon an seiner Mimik, dass das Referat nicht gut gelungen ist.

Catherine regt sich gerade tierisch darüber auf, dass ihr Aufsatz ja wohl etwas viel besseres als eine drei verdient hätte.

Ich bin mit meiner Note natürlich vollkommen zufrieden, denn ich habe mich echt angestrengt für dieses Referat und habe die eins minus auch verdient.

Als Herr Feulner bei Maria angelangt ist, reicht er ihr mit einem Grinsen ihr Referat, denn sie hat mal wieder die Beste Leistung erbracht. Sein Blick wandert weiter zu Claire. „Warum habe ich von dir denn keinen Aufsatz bekommen?", fragt er sie belustigt.

„Ich... also... ich bin neu hier... und ich...", stottert sie hilflos vor sich hin. Wir alle wissen, dass Herr Feulner es als Witz gemeint hat. Er hat einen echt seltsamen Humor, doch woher soll Claire das wissen. Sie kennt ihn ja nicht.

„Er macht nur Spaß. Er weiß, dass du neu hier bist.", helfe ich ihr und ernte einen giftigen Blick von Catherine, den ich allerdings komplett ignoriere.

Claire dreht sich zu mir um und schenkt mir ein dankbares Lächeln, welches ihre süßen Grübchen noch mehr zur Geltung bringt.

Ich grinse zurück und sie dreht sich schüchtern wieder weg.

„Was machen wir denn jetzt mit Ihnen? Schließlich zählt das Referat ja für ihre Halbjahresnote."

Der Lehrer schaut Claire herausfordernd an.

„Ja, also sie können mir ja das Thema nennen und ich versuche den Aufsatz so schnell wie möglich nachzureichen.", antwortet sie stockend.

„Ihr Drang für schulische Leistungen in Ehren, aber das wird so gut wie unmöglich sein, da ich ihnen ja gleich das neue Thema nenne, damit Sie das nächste Referat vorbereiten können. Ich befürchte, dass Sie das nicht hinkriegen werden. Auch wenn Sie noch so fleißig arbeiten."

Ich sehe Herrn Feulner an, dass er es sehr schätzt, dass sie direkt nacharbeiten will.

Ich höre mich plötzlich selbst sagen: „Ich kann ihr ja behilflich sein. Ich meine zu zweit geht es doch viel schneller."

Oh, Mann, was ist denn nur in mich gefahren? Ich versuche doch immer so wenig wie möglich für die Schule zu tun und jetzt biete ich mich an ihr beim Referat schreiben zu helfen? Was stellt dieses Mädchen nur mit mir an?

„Sie wollen ihr helfen? Das ist ja sehr nett von Ihnen, aber seit wann engagieren Sie sich denn so für die Schule?", fragt er mich spöttisch und ich versuche seinem Blick standzuhalten.

„Nun ja, ich musste Claire gestern schon durch die Schule führen und wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und da sie es alleine nicht alles schafft, würde ich ihr einfach ein bisschen unter die Arme greifen. Natürlich nicht wörtlich.", ich hoffe damit einen Treffer bei ihm gelandet zu haben.

Er sieht von mir zu Claire und wieder zurück. Ich höre das Kichern meiner Mitschüler im Hintergrund, aber ich ignoriere es. Auch Catherines zischende Kommentare und ihre spöttischen Bemerkungen, lassen mich völlig kalt.

„Ich könnte ihr ja auch noch behilflich sein.", kommt mir Maria zu Hilfe. Ich nicke ihr dankbar zu.

„Nun gut. Du scheinst ja zwei Helfer zu haben, die dir tatkräftig zur Seite stehen. Ich erwarte, dass der Aufsatz in spätestens einem Monat hier auf meinem Tisch liegt. Maria und Jake können dir ja alle weiteren Informationen, wie das Thema, die Seitenanzahl und so weiter nennen, denn dann können wir uns jetzt direkt dem neuen Thema zuwenden.", gibt Herr Feulner endlich nach.

„Das ist ja total unfair. Wir hatten nur zwei Wochen Zeit für den Aufsatz...", beschwert sich Catherine lautstark und ihre Freundinnen stimmen ihr heftig nickend zu.

„Allerdings mussten Sie sich ja auch nur um einen Aufsatz kümmern und nicht gleich um zwei. Außerdem gibt es in den anderen Fächern ja auch noch Hausaufgaben und Claire wird sich ganz schön ranhalten müssen um das Referat in vier Wochen fertig zuschreiben.", erwidert der Lehrer und Catherine hält lieber den Mund.

Herr Feulner sitzt inzwischen wieder an seinem Pult und sucht ein Paar Blätter. Während er sie austeilt verkündet er, dass es in unserem nächsten Referat um die englische Literatur geht. Jeder muss ein Buch auf Englisch lesen und sich dann deutlich über seine Meinung äußern. Zusätzlich müssen wir uns eine Person aus unserem Buch aussuchen in die wir uns gerne hineinversetzen würden und dann aufschreiben wie er die Person empfunden hat, was für einen Charakter sie hat und noch alles Mögliche. Das Ganze dann auf mindestens fünfzehn Seiten.

Da hab ich mir ja ganz schön was eingebrockt, denke ich, aber Claire ist es mir wert.

Endlich klingelt es, alle packen hektisch ihre Sachen zusammen und stürmen aus dem Klassenraum. Ich will es ihnen gleich tun, doch jemand hält mich am Arm fest.

Der Unbekannte FremdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt