Lass mich nicht allein

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Lass mich nicht allein

„Ich habe meine Mum angerufen. Deine Eltern holen dich gleich ab. Soweit ich das mitbekommen habe, schicken sie dich in Therapie. Also so in die Klapse. Pack deine Sachen, Harry“

Ich kann es nicht fassen! Dieser Kerl hat doch wirklich recht gehabt. Er macht mir wirklich das Leben zur Hölle.

„Du lügst.“

„Nein, es ist die Wahrheit. Du findest mich ekelhaft und ich fühle mich auch nicht mehr in der Lage, dir zu helfen. Ich habe dich nicht unter Kontrolle, also müssen Fachmänner das übernehmen“

Nein! Das ist nicht wahr! Nie im Leben hat er seine Mutter angerufen! Nein! Das darf nicht sein!

„Ich sagte, du lügst. Louis! Verdammt! Lüg mich nicht an!“

Tränen schießen in meine Augen und ich lasse sie zum ersten Mal vor anderen herunter kullern. Sie brennen förmlich auf der Haut, so unangenehm ist es mir. Doch der Schmerz der Verzweiflung ist größer. Louis schickt mich wirklich in die Klapse.

Ich schüttle ihn an den Schultern vor und zurück.

„Nein, nein, nein! Louis sag, dass das nicht stimmt!“, brülle ich ihn an.

„Es ist besser so“, sagt er kalt und verlässt den Raum.

Ich sitze auf meinem Bett und ziehe meine Knie an den Körper. Ich umschlinge sie mit den Armen und beginne, zu weinen.

Ich weiß nicht mehr weiter. Wie soll ich das alles überstehen? Wenn ich einmal in der Klapse bin, komme ich vielleicht nie wieder raus. Ich habe schon von diesen Pillen gehört, die einen high machen, nur damit man Glücksgefühle hat.

Es gibt nur eine Sache, die mir helfen kann. Nur eine Person, die mir helfen kann.

Ich laufe ins Bad und schnappe mir einen Rasierer. Ich löse eine Klinge und säubere sie.

„Louis!“, rufe ich und lasse mich auf den Boden fallen. Die Rasierklinge lasse ich einmal über meinen Oberarm streifen. Nicht feste, da es nicht zu schlimm aussehen soll.

Ich höre Schritte und die Türklinke, die herunter gedrückt wird.

„Oh mein Gott, Harry! Was machst du denn da? Lass das!“, brüllt Louis.

Er öffnet eine Schublade und nimmt ein Pflaster heraus. Dann klebt er es vorsichtig auf meinen Arm.

„Gib mir die Klinge her, verdammt!“, schreit er mich an.

Sofort gebe ich sie ihm und rutsche ein Stück zurück.

„Lass mich nicht allein“, flüstere ich.

„Tu mir weh, verletze mich, küsse mich. Mach was immer du willst mit mir, aber lass mich nicht allein“

Seine blauen, tränengefüllten Augen starren mich an. Er sagt nichts, schweigt nur.

„Lass mich nicht allein“, flüstere ich wieder und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen.

„Tu… das nie wieder“, meint er und nimmt mich in den Arm.

Ich schüttle den Kopf und lege ihn dann auf seine Schulter. Auch wenn ich nicht auf ihn stehe, fühle ich mich wohl in seinen Armen. Ich fühle mich sicher.

„Wir finden eine Lösung, ja? Ich werde meiner Mum Bescheid sagen. Du wirst hier bleiben für’s Erste.“

‚Für’s Erste‘ reicht mir. Für’s Erste habe ich eine Chance bekommen. Ich werde sie nicht vertun. Ich werde keinen Mist bauen. Ich werde mich nicht umbringen wollen.

Eine Weile hocken wir beide nur dort auf dem Boden und er hält mich in den Armen. Dann gehen wir jedoch runter ins Wohnzimmer. Die anderen sehen mich total komisch an und Louis verschwindet in der Küche, um mit seiner Mutter zu telefonieren.

„Was war eben los?“, fragt Liam besorgt.

„Nichts. Alles ist gut. Louis und ich hatten uns nur in der Wolle, weil ich es unhöflich von ihm fand, dass er seine Spiele so laut spielt.“

„Das hat sich aber anders angehört. Was hast du denn an deinem Arm gemacht?“, schiebt Niall plötzlich ein.

„An meinem Arm? Ach das! Ist egal, nichts Wichtiges. Wo ist Emma?“

„Sie ist heim gegangen, als sie euch so brüllen gehört hat. Sie dachte, hier gibt es jeden Moment eine Prügelei und darauf war sie nicht gerade erpicht.“

„Hey, sorry für das eben. Harry, es ist alles abgeklärt. Du kannst hoch gehen, wenn du magst.“, meint Louis, als er plötzlich das Wohnzimmer betritt.

Ich sehe seine Aussage als Befehl an und nicke. Dann verschwinde ich in meinem Zimmer.

How to save a life [l.s.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt