Er hat mich vermisst

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Er hat mich vermisst

„Und du machst wirklich nichts anderes, als den ganzen Tag faulenzen?“, fragt Ethan lachend.

Ich lache ebenso und nicke.

„Naja, was soll ich auch großartig machen? Meine Eltern wollen nicht, dass ich zur Schule gehe, da sie nicht wollen, dass jemand von meinem Zustand erfährt. Sie sagen, es wäre nicht gut für unseren Ruf. Ich meine, was wissen sie schon?“

Er will gerade einen Satz beginnen, als die Kellnerin unsere Bestellung serviert: zwei Latte Macchiato und zwei Frühstücksbrötchen, da ich den ganzen Morgen noch nichts gegessen hatte. Wir bedanken uns höflich, bevor ich mir das halbe Brötchen in den Mund stopfe.

„Na du hast aber einen Hunger“, lacht Ethan.

Ich schließe die Augen, ehe ich ein stöhnähnliches Geräusch von mir gebe. Herr Gott ist das lecker!

„Und schmecken tut es dir auch noch!“, wieder lacht er.

Als er in das Brötchen beißt, entgleitet ihm jedoch auch ein Stöhnen, sodass ich sofort drauflos pruste.

Nach dem Essen sitzen wir eine Weile nur da und sehen uns an. Ich weiß seinen Blick nicht zu deuten, doch er scheint ganz genau zu wissen, was ich denke.

„Du bist wunderschön“, meint er plötzlich.

Ich sehe ihn geschockt und fragend an. Dann lächle ich verlegen.

„Dankesehr. Du siehst aber auch nicht schlecht aus“

Das Lächeln verschwindet schlagartig aus seinem Gesicht und er wirkt traurig.

„Nein, ich bin nicht hübsch. Mein Gesicht ist der reinste Horror. Niemand will mir länger als 3 Sekunden ins Gesicht sehen“

Ich schüttle den Kopf und grinse schief. Dann lege ich meine Hand auf seine.

„Wenn ich richtig gezählt habe, sehe ich dir schon seit 2 Minuten ins Gesicht und ich finde es noch immer bezaubernd.“

Mit der anderen Hand fahre ich über seine Wange. Meine Fingerkuppen berühren leicht seine Narben und er schließt für einen Moment die Augen. Ich weiß nicht, welches Pferd mich gerade reitet, doch ich rücke etwas näher an ihn ran und streife mit meinen Lippen über seine Wange. Doch anstatt dass er angeekelt zusammenzuckt, öffnet er nur seine Augen und hält meine Hand fest, ehe er seine Lippen auf meine legt.

Zu meiner Überraschung erwidere ich den Kuss und muss sagen, dass er ein wirklich atemberaubend guter Küsser ist. Jedoch kann ich mich ihm nicht voll und ganz hingeben, da mir Louis nicht mehr aus dem Kopf gehen mag. Ich halte diese Ungewissheit einfach nicht mehr aus.

Während Ethan mich soeben gerettet hat und mich nun begehrt, schweifen meine Gedanken trotzdem zu Louis ab, der sich nicht einmal entscheiden kann, ob er nun schwul ist oder nicht.

Aber ich liebe ihn. Und das ist doch das einzig Wichtige. Meine Gefühle für Louis sind echt, egal ob seine es sind oder nicht. Ich liebe Louis. Das hier ist ein großer Fehler.

Ethan zeichnet kleine Kreise auf meiner Hand und streicht mit seiner anderen Hand immer wieder meinen Arm auf und ab. Ich löse mich langsam von ihm und sehe ihn ernst an.

„Ethan, hör mal, ich… also ich“, stottere ich.

„Ist schon gut Harry“, sagt er enttäuscht, aber mit dem Versuch eines Lächelns.

„Nein, es ist nicht gut. Ich finde dich echt toll und wir sollten wirklich in Kontakt bleiben. Das Problem ist nur, dass mein Herz schon für eine Person schlägt. Es tut mir wirklich leid“

Er nickt und schreibt mir etwas auf die Quittung. Als ich sie mir genau ansehe, entdecke ich seine Nummer mit einem Herzchen nebendran.

„Oh, danke“

Als ich wieder nach oben sehe, ist er verschwunden. Verwirrt schaue ich mich im Café um, bis ich ihn vor dem Fenster stehen sehe. Er lächelt mich an und zwinkert mir zu.

Wieso kann Louis nicht so sein? Er ist eher der Kaltblütige, der nicht zugeben will, dass er schwul ist. Als würde es so viel ausmachen…

Ich stehe vom Tisch auf und lege etwas Geld hin, bevor ich aus dem Café verschwinde und die Straße hinunter gehe. Das Lächeln klebt förmlich in meinem Gesicht, obwohl ich gar nicht genau weiß, wieso ich so glücklich bin.

Louis hat mir weder seine Gefühle gestanden, noch gesagt, dass ich mir keine Hoffnungen machen soll. Ich komme also nicht weiter. Ich kann nur abwarten und meine Gefühle solange beibehalten, was schwierig und anstrengend wird. Ich werde wahrscheinlich noch oft verletzt werden und das ist alles andere als toll.

Ethan findet mich toll, doch ich kann leider nicht sagen, dass aus uns etwas werden könnte. Ich meine, er ist wirklich atemberaubend und sieht aus wie ein Model, doch ich glaube, er ist zu perfekt.

Naja, was heißt perfekt, seine Narben waren ja auch nicht plötzlich da. Ich finde sie wunderschön, auch wenn ich nicht weiß, welche Geschichte dahinter steckt. Eigentlich ist es falsch, so zu denken, doch so ist es nun mal. Ich hoffe, ich kann den Kontakt zu ihm aufrecht erhalten.

Ich frage mich, ob Ethan von Anfang an schwul war oder es erst später bemerkt hat. Ich dachte immer, man merkt so etwas sofort, aber ich bin das beste Gegenbeispiel.

Gerade als ich das Haus betrete, fällt Louis mir um den Hals.

„Mein Gott, Louis!“, rufe ich gespielt wütend, doch lächle bis an die Ohren.

Er hat mich vermisst.

„Wo warst du? Ich hab mir voll die Gedanken gemacht. Harry, es tut mir leid wegen heute Morgen. Ich werde es dir so schnell wie möglich erklären“

Mein Lächeln wird noch breiter, obwohl es schon fast nicht mehr geht und meine Lippen sich anfühlen, als würden sie jeden Moment reißen. Um diesen Fall nicht eintreten zu lassen, senken sich meine Mundwinken sofort wieder, als ich Eleanor sehe, die sich an Louis‘ Rücken kuschelt.

Was ist das denn hier? Will der Junge mich vollkommen verarschen?

Genervt schnaufe ich aus und gehe an den beiden vorbei in mein Zimmer, wo ich mich auf mein Bett fallen lasse und mir Nialls Buch schnappe.

Ich brauche jetzt Ablenkung und Allen Zadoff kann mir dabei am besten helfen.

Sorry für das wirklich kurze Kapitel. Ich bin zur Zeit nur mit meinen Gedanken bei der Schule und da bleiben meine guten Fantasien für die Story irgendwie woanders. Ich verspreche aber, dass die Kapitel so schnell wie möglich wieder länger werden.

Eure Chanel xx

How to save a life [l.s.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt