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"Fertig." kam es stolz von dir und wir traten von der Wand weg. Ich hatte eine Bierflasche gemalt und du eine nicht sehr nett aussehende Biene.

Es sah schön aus. Mit schwarzer Farbe hattest du das Wort 'Help' darüber gekritzelt.

Wir standen noch einige Minuten so da und betrachteten unser Kunstwerk. Er war ein unpassendes und seltsames Bild. Aber das machte nichts. Es strahlte Stärke aus und das war es, was diese Gegend brauchte. Und auch was du und ich brauchten.

Die Stille die um uns herrschte war angenehm. Es war beruhigend. Alles was ich hörte war dein Atem.

Der Wind rauschte durch die Blätter der wenigen Bäume die hier standen. Aber es war nicht kalt. Es war erfrischend. Ich atmete die luft tief ein und ließ sie durch die Nase wieder entweichen. Dieser Moment war magisch und ich versuchte ihn so sehr zu genießen wie ich nur konnte.

"Brooklyn?" wie du meinen Namen aussprachst ließ mich zusammenzucken. Deine Stimme klang schmerzerfüllt und von unendlicher Traurigkeit getränkt. Ich sah zu dir. Die Taschenlampe meines Handys strahlte dich von der Seite an. Du sahst mir direkt in die Augen. Deine Mundwinkel waren nach unten gezogen. Du atmetest tief durch.

"Wieso ist das Leben so grausam zu mir?" deine Stimme zitterte, in deinen Augen standen Tränen. Ich war völlig überfordert von dem plötzlichen Stimmungswechsel.

"Was meinst du?" wollte ich wissen und sah dich besorgt an. Dein Blick wanderte von mir auf den Boden.

"Meine Eltern hassen mich und ich tue mich schwer Freunde zu finden. Viele gibt es nicht die ich so nennen kann, weißt du? Die meisten meiner Mitschüler finden mich abstoßend." Ich sah eine Träne über dein Gesicht rollen, was mich so wahnsinnig traurig machte. "Dabei habe ich doch gar nichts getan." Deine Stimme klang so unverständlich und fragend bei diesen Worten.

"Sollte es sowas wie..." du stocktest kurz doch redetest dann weiter. "Wie einen Gott oder so geben...W-warum tut er mir das an?" fragtest du mit einer tiefen Traurigkeit. Noch eine Träne lief dir über die Wange. Mein Herz schlug schneller. Ich hasste es wenn Menschen vor mir weinten.

"Ich weiß nicht warum." sagte ich. Meine Stimme bebte. "Aber du darfst deswegen nicht so traurig sein. Du hast doch mich." Ich schlug dir auf den Oberarm und lächelte dich an. Du wischtest dir die Tränen aus dem Gesicht und schnieftest Herzzerreißend.

"Wenn es einen Gott gibt" du räuspertetest dich "dann danke ich ihm dir begegnet zu sein." Wir lächelten uns an. Dieser Moment war perfekt. Zu perfekt als das er lange anhalten würde.

"Hast du Lust schwimmen zu gehen?" fragtest du aufgeregt. Von der Trauer war nichts mehr zu spüren. Du warst wie ausgewechselt, von einem auf den anderen Moment. Ich nickte und lächelte dich an.

Du packtest mich an der Jacke und zogst mich mit dir. Auf dem Weg schnappte ich mir noch den Rucksack und mein Handy und zusammen rannten wir lachend wieder zurück zum Ufer.

Das dunkle Wasser war ruhig und wunderschön doch ich hatte keine Zeit den Anblick vom Ufer aus zu genießen.

"Komm." sagtest du und ranntest weiter einen steilen Hügel hinauf. Völlig außer Atem kamen wir oben an. Es war ein Felsvorsprung. Unter ihm war Wasser. Du grinstest mich an und zogst dein T-Shirt aus. Ich schüttelte ebenfalls grinsend den Kopf und tat es dir gleich.

-

Nur in Boxershorts standen wir Hand in Hand an der Kante und starrten den Abgrund hinunter. Es war ziemlich kalt so unbekleidet doch das machte mir nichts aus. Ich konnte es kaum erwarten das kühle Wasser auf meiner Haut zu spüren.

Wir zählten runter.

"3"

Ich atmete tief durch. Ich zitterte am ganzen Körper vor Kälte und Aufregung. Auch deine Anspannung war deutlich zu spüren.

"2"

Deine Hand drückte meine noch fester. Ich erwiederte den Druck.

"1"

Wir traten über sie Kante und fielen. Unsere Hände umklammerten sich und Schreie verließen unsere Münder bis sie, mit dem Gerräusch von zwei Körpern die auf Wasser trafen, erstickt wurden.

Unsere Hände lösten sich. Ich konnte nicht sagen wer wen zu erst losgelassen hatte. Ich ließ mich so tief sinken wie möglich und bewegte dann die Arme und die Beine um an die Wasseroberfläche zu kommen.

Es war eiskalt und eine Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen und Beinen aus. Meine Augen waren geschlossen. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit bis ich die Oberfläche durchbrach.

Ich fuhr mir übers Gesicht und rieb das Wasser aus meinen Augen. Dann öffnete ich sie. Das erste was ich sehen konnte warst du. Es war dunkel doch ich erkannte wie du mich angrinstest. Der Mond und die Sterne spiegelten sich auf dem Pechschwarzen Gewässer.

Ich tauchte wieder ab und schwamm einige Meter unter Wasser. Die kühle Flüssigkeit streifte angenehm durch mein Haar. Ich blieb solange ich konnte unten und tauchte dann auf. Du warst einige Meter entfernt. Langsam schwammst du auf mich zu.

Du warst ein guter Schwimmer. Als du mich erreicht hattest lachtest du kurz.

"Das ist unglaublich hier oder?" Ich nickte überzeugt. Du strecktest deine Hand nach mir aus und ehe ich realisierte was passiert war, hattest du mich unter Wasser gedrückt. Ich hörte dein Gelächter noch bevor ich wieder aufgetaucht war.

"Das kriegst du zurück." Ich streckte die Arme nach dir aus und du tratest eilig die Flucht an. Das lachen machte es uns schwer, schnell zu schwimmen und es dauerte nicht lange da erwischte ich deinen Arm. Ich hielt dich fest und warf mich dann auf dich.

Dein kreischen wurde im Wasser aufgelöst und du tauchtest nach einigen Minuten wieder lachend auf. Dann drehtest du dich auf den Rücken und ließt dich treiben. Ich tat es dir gleich. Zwei einsame Teenager die sich im Mondlicht durch das Wasser treiben ließen und ihre dunklen Gedanken ausschalteten.

Ich schloss die Augen und dachte mal ausnahmsweise an gar nichts. Ich genoss die Ruhe und das kühle Wasser um mich herrum. Dieser Abend hatte eine Bedeutung. Ich wusste noch nicht genau welche doch ich wusste das er eine hatte. Und sie war wunderschön.

-

Wir saßen am Rand der Klippe. Jeder in seine Jacke gekuschelt um sich wenigstens ein wenig vor der kälte zu schützen.

Wir teilten uns eine Zigarette die wir in deinem Rucksack gefunden hatten. Zusammen starrten wir in den Sternenhimmel und redeten über unser Leben.

Wir erzählten uns die traurigsten und die lustigsten Geschichten. Wir teilten glückliche Erinnerungen und dunkle Geheimnisse miteinander.

Ich würde nicht zögern dich einen Freund zu nennen. Auch wenn ich es damals am morgen nach der Party niemals für möglich gehalten hatte.

Du erzähltest mir das du mich an diesem Tag 'interessant' gefunden hast. Und unhöflich. Du hast gesagt du hättest dich nach unserem Telefonat darüber geärgert, mich angerufen zu haben weil du mich für einen Idioten gehalten hattest.

Wir lachten darüber und als ich nach Hause kam, stand Nathan berreits in der Küche und trank seinen morgentlichen Kaffee.

Just for a Moment || boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt