17

32 1 0
                                    

Mit zitterigen Händen schloss ich die Tür auf.

Bis fast zwei Uhr Nachmittags war ich im Krankenhaus gewesen.

Dr.Dalby war tatsächlich aufgetaucht und hatte uns, nach über zwei Stunden Wartezeit, in sein Büro gebeten. Er hatte mir Dinge über Mums Tod erklärt, die ich nicht verstand und auch nicht hören wollte. Lange hatte er geredet. Und noch länger, hatte ich in seinem Büro gesessen und deine Hand festgehalten.

Danach hatten wir uns wieder auf den Boden im Empfang gesetzt und geschwiegen. Solange, bis ich bereit war nach Hause zu fahren.

Mir war klar, das es an mir hängen blieb es Nathan und Dad zu sagen. Dr. Dalby hatte es mir überlassen. Wie freundlich von ihm.

Ich trat ins innere des Hauses und zog den bekannten Duft ein. Wärme umhüllte meinen Körper. Draußen war es kalt. Ich schloss die Tür hinter mir und streifte meine Schuhe und Jacke ab. Nicht wie sonst, blieb ich vor dem Spiegel im Flur stehen. Ich wollte die Spuren nicht sehen, die diese Nacht auf meinem Gesicht zurückgelassen hatte. Außerdem war es mir scheiß egal, wie ich aussah.

Die Verletzungen der Prügelei, waren immer noch auf meiner bleichen Haut zu erkennen. Eine Schramme zierte meinen rechten Wangenknochen und der Teil über meiner Augenbraue, hatte sich im Laufe der Zeit von blau zu schwarz verfärbt. Auf der anderen Seite meiner Stirn, war eine größere Wunde.

Sie kam von der Bank, auf der der Typ meinen Schädel beinahe zertrümmert hatte. Auch meine Magengegend schmerzte noch ein wenig aber es wurde besser.

Ich ging den Flur entlang ins Wohnzimmer. Mir war klar das ich Dad als auch Nathan dort vorfinden würde. Ich konnte die Geräusche des Fernsehers hören.

Die Tür zum Wohnzimmer stand offen. Mit klopfendem Herzen ging ich darauf zu. Mein ganzer Körper zitterte.

Ich hatte Angst vor ihrer Reaktion. Ich hatte Angst die Worte noch einmal auszusprechen und das Entsetzen in ihren Gesichtern zu sehen. Besonders um Dad machte ich mir Sorgen.

Ich trat über die Schwelle ins Wohnzimmer und erblickte den letzten Rest meiner Familie wie erwartet auf dem Sofa sitzen. Beide starrte auf den Fernsehbildschirm und schenkten mir keinen Blick.

Zwischen ihnen war viel Platz. Als würden sie sich in keinster Weise berühren wollen. Dad hielt eine Bierflasche in der Hand und vor ihm auf dem Tisch stand eine bereits ausgetrunkene. Ich schluckte.

Mein Vater war kein bösartiger Mensch. Aber wenn er auch nur mit der kleinsten Menge Alkohol in Berührung kam, konnte er seine Emotionen nicht kontrollieren. Oft führte dies zu Streit oder zu einem blauen Auge meinerseits.

Er war kein Alkoholiker. Meistens trank er sowieso nur Orangenlimonade. Er kaufte das Zeug literweise und war absolut verrückt danach.

Ich räusperte mich um auf mich Aufmerksam zu machen doch keiner der beiden schien meine Präsens zu interessieren. Meine Kehle fühlte sich trocken an und meine Stimme kratzte als ich redete.

"Hey Leute."

Dad schenkte mir einen kurzen Blick. Wieder musste ich schlucken. Ich befahl mir mich zusammen zu reißen.

"Ich komme gerade aus dem Krankenhaus." diesmal klang meine Stimme kühl. Nathan sah mich an. Dad nicht. Ich räusperte mich bevor ich es über meine Lippen brachte.

"Mum ist Tod."

Dad's Kopf schoss zu mir. Er sah mich verständnislos an. Nathan lehnte sich nach vorne und schlug die Hände vors Gesicht. Ich sah unsicher von ihm zu Dad und wieder zurück. Mein Vater erhob sich.

Ich konnte leise Schluchzer von meinem Bruder vernehmen.

Mein Herz klopfte schneller als der Mann auf mich zu kam. Seine Augen durchbohrten mich. Ich hielt den Atem an. Alles drehte sich in meinem Kopf.

Doch er ging an mir vorbei aus dem Wohnzimmer. Seine Schritte waren klein und vorsichtig als er den Flur entlang ging und in seinem Schlafzimmer verschwand. Er knallte die Tür hinter sich zu und hörte somit ein für alle Mal auf mein Dad zu sein.

-

Meine Beine zitterten. Eigentlich zitterte alles an meinem Körper.

Die Flüssigkeit der Flasche schwenkte hin und her. Ich fühlte mich so schrecklich leer.

Zum dritten Mal versuchte ich Kyle anzurufen doch er ging nicht an sein Handy. Ich wünschte ihm so viel Schlechtes. Würde es mir nicht so beschissen gehen, wäre ich vermutlich wahnsinnig wütend auf ihn.

Doch ich konnte nichts anderes mehr fühlen, als Schmerz. Alles in meinem Körper schmerzte.

Sogar deine Anrufe ignorierte ich. Ich wollte mit niemandem sprechen.

Den einzigen den ich ertragen könnte wäre Kyle gewesen. Doch dieser wollte nichts mehr von mir wissen.

Ich nahm noch einen großen Schluck der durchsichtigen Flüssigkeit. Es war der gleiche Wodka, wie an dem Tag an dem ich den Typen vollgekotzt hatte.

Mittlerweile war es dunkel und mir war arschkalt. Ich konnte meinen eigenen Atem sehen. Der Alkohol konnte mich dieses Mal nicht wärmen.

Ich war auf dem Weg ins Maxs'. Keine Ahnung was ich dort wollte. Ich brauchte einfach nur einen vertrauten Ort. Die Straßen von Evergreen waren leer.

Ich war an unserem Graffiti gewesen. Eine halbe Stunde hatte ich dort gestanden und es angestarrt.

Mein Kopf tat weh, meine Gedanken wurden zu viel. Vor einem Geschäft kam ich zum stehen.

Es war das erste Geschäft, an dem ich vorbei gekommen war, dass noch geöffnet hatte.

Ein kühles Licht schien durch die Schaufenster nach außen. Drinnen sah es leer aus. Nur ein Typ hinter einem Schreibtisch war zu sehen. Er stützte seinen Kopf auf seiner Hand ab und zeichnete mit einem Bleistift, auf dem Papier vor sich, herum.

Ein Wind wehte mir von der Seite entgegen als wollte er mich in das Geschäft drängen.

Ich sah zu den rot leuchtenden Buchstaben, über dem Eingang auf.

'Tattoo' stand dort. Das Licht des letzten o's flackerte.

Ich atmete tief durch, nahm einen großen Schluck von meiner Flasche und trat dann ein.

Just for a Moment || boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt