'breathe'.
Ein Wort, das ich nicht mehr aus meinem Kopf bekam und es immer wieder vor meinem inneren Auge zerlegte.
'b-r-e-a-t-h-e'.
Eigentlich ganz einfach. Doch irgendwie steckte mehr dahinter. Und es klang schön. Seid einer Woche stand das Wort nun schon auf meiner Pulsader.
Ich weiß nicht, was mich dazu verleitet hatte, mir genau dieses Wort tätowieren zu lassen. Wahrscheinlich der Alkohol.
Meine Haut kribbelte als du die schwarzen Buchstaben mit deinen Fingerspitzen nachfuhrst.
Wir saßen uns gegenüber, im Schneidersitz, auf meinem Bett. Schon seid einer Weile, betrachtetest du mein Tattoo von allen Seiten, während ich nicht aufhören konnte dich anzustarren.
Du trugst einen schwarzen Pullover, und deine dunkelrote Mütze. Deine Jeansjacke lag neben uns auf der Matratze.
"Es ist schön." sagtest du schließlich und ließt meinen Arm los. Ich nickte nur und du lächeltest. Die kleinen Fältchen an deinen Augen traten hervor.
Ich lächelte zurück. Nicht lange und wahrscheinlich nicht wirklich schön aber es war ein Anfang.
Es war schon spät. Die Uhr, neben meiner Tür zeigte zwanzig nach zwei Uhr nachts an. Meine Augenlieder waren bereits schwer und wir gähnten immer öfter.
Lange Zeit hatten wir einfach nur in meinem Zimmer gesessen und ich hatte dir von den Ereignissen der letzten Wochen erzählt. Von Kyle, Riley und Piper, der Prügelei in Evergreen und meinen Dad, der nicht mehr aus seinem Zimmer kam, seid Mum Tod war.
Du hattest geschwiegen und zugehört. Mir ab und zu beruhigend über den Handrücken gestreichelt und mich aufmunternd angesehen.
Nur über den Kuss, vier Tage zuvor, hatten wir nicht gesprochen. Aber das war auch nicht nötig. Es gab darüber nichts zu bereden.
Wir hatten beide beschlossen die Schule am nächsten Tag ausfallen zu lassen. Als hätten wir uns abgesprochen, legten wir uns beinahe gleichzeitig auf mein weiches Kissen und deckten uns zu. Ich seufzte ehe ich das Licht ausknipste.
Dann sahen wir uns an. Ich konnte nur Umrisse deines Gesichtes erkennen. Wir lagen nah beieinander und mein Herz schlug schneller.
Ich wusste so gut wie du das wir beide die Worte im Krankenhaus ernst gemeint hatten und das gab mir ein gutes Gefühl.
"Gute Nacht Liebster." flüstertest du und eine gut tuende Wärme breitete sich in meinem Bauch aus.
"Gute Nacht Sky."
-
Als ich aufwachte war es immer noch stockdunkel im Zimmer. Mein Hals war wie ausgetrocknet und schmerzte fürchterlich.
Ich fuhr mir übers Gesicht und erhob mich vom Bett.
Leise schlich ich aus dem Zimmer, die Treppen runter in die Küche. Die kalten Fließen ließen mich frieren.
Ich öffnete den Kühlschrank und blinzelte einige Male gegen das helle Licht, bis sich meine Augen daran gewöhnt hatten. Ich nahm die Packung Milch aus dem Fach an der Tür.
Langsam drehte ich den Deckel auf und trank einige Schlucke aus dem kühlen Pappkarton. Danach stellte ich ihn wieder zurück an seinen Platz im Kühlschrank und schloss diesen wieder.
"Hey."
Ich zuckte zusammen. Meine Beine zitterten vor Schreck. Langsam drehte ich mich um und sah deine dunkle Gestalt am Küchentisch sitzen.
Das Mondlicht, welches durch das Küchenfenster den Raum ein wenig beleuchtete, warf Schatten auf dein Gesicht.
"Hey" antwortete ich. Kurz war es still. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Meine Müdigkeit war verflogen.
Ich fuhr mir durch die Haare. "Was machst du hier noch um diese Uhrzeit?" fragte ich schließlich um die Stille zu brechen. Und weil es mich tatsächlich interessierte.
"Ich konnte nicht schlafen." sprachst du das offensichtliche aus. "Zu viele verrückte Dinge gehen mir durch den Kopf."
Ich ging zwei Schritte auf dich zu. Trotzdem hielt ich noch Abstand. "Was für verrückte Dinge"?
Ich fühlte mich verloren in dieser Küche zu stehen. Doch es machte mir nichts aus.
Ich konnte erkennen wie du mit den Schultern zucktest. Dann hörte ich Luft aus deinem Mund entweichen. Wieder war es still. Nur das Ticken der Uhr an der Wand erfüllte den Raum.
Mum hatte sie dort hingehängt. Es gab Tage, an denen sie ewig auf dem Stuhl gesessen hatte, auf dem du Platz genommen hast und die Uhr angestarrte. Es beruhigte sie wie nichts anderes, hatte sie gesagt.
Das ganze Haus steckte voll mit ihren Erinnerungen doch sie wirkten so weit weg und waren so trüb.
"Ich will das es aufhört." murmeltest du und ich wandte meinen Blick von der dunklen Uhr ab.
"Was soll aufhören?" Wieder zucktest du mit den Schultern.
"Das Leben." Mein Atem stockte bei diesem Satz.
"Ich hasse das alles so sehr, Brooklyn." Deine Stimme klang verbittert und ich hörte das zittern darin.
Du starrtest auf die Tischplatte vor dir. Oder vielleicht hattest du deine Augen auch geschlossen. Ich konnte es nicht erkennen.
Ohne groß drüber nachzudenken ging ich auf dich zu und schaltete das Radio auf dem Tisch an. Kurz suchte ich einen passenden Sender und wandte mich dann wieder dir zu.
Dein Rücken war gekrümmt und deine Hände zitterten. Es tat mir leid dich so zu sehen. Ich griff sanft nach deinem Arm. Dein Blick schweifte kurz zu mir. Mit Mühe schaffte ich es dich auf die Füße zu ziehen und nahm deine Hand in meine.
Ich konnte ein verräterisches Glitzern in deinen Augen erkennen.
"Gib mir eine Minute." flüsterte ich. Mein Körper war wie ferngesteuert. Ich hatte keine Kontrolle mehr.
"Vergiss mal für eine Minute, den ganzen Scheiß um dich herum." Du starrtest in mein Gesicht und nicktest dann lahm.
Ich konnte es kaum wahrnehmen, weil es so schwach war doch das machte nichts.
Ich atmete tief durch und legte meine freie Hand auf deinen Rücken.
Langsam begann ich mich zu bewegen.
Es war ein ruhiger Tanz.
Die Musik passte dazu. Ein alter Liebessong. Was für ein Klischee.
Aber es war perfekt.
Ich dachte an nichts. Das wollte ich auch gar nicht. Ich wollte einfach nur diesen Moment mit dir genießen.
Du klammertest dich an mich und drücktest meine Hand.
Wir blieben länger so dort als eine Minute. Wahrscheinlich waren es weit über 15 gewesen. Doch das änderte nichts an der Situation.
Wir waren wie schwerelos und ich konnte mir nicht vorstellen, dass andere Menschen, außer uns, noch wichtig waren. Das irgendjemand, außer uns, überhaupt existierte.
"Bitte Sky. Stirb nicht." flüsterte ich dir entgegen.
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Just for a Moment || boyxboy
Teen Fiction"Wirst du mich auch allein lassen, Sky?" "Niemals, Brooklyn." Nach dem Suizidversuch seiner Mutter muss Brooklyn zusehen wie seine ganze Welt in sich zusammenbricht. Alles scheint ins nichts zu führen bis er Sky kennenlernt, wessen blaue Augen ihn a...