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Vor dem einschlafen lese ich immer noch gerne ein gutes Buch und trinke einen Tee, den ich dann meistens nur zur hälfte schaffe und dann am nächsten morgen im erkalteten Zustand wegschütte, weil ich dann auch noch den Beutel drinn habe und das dann irgendwie bitter wird. Und ja ich weiß, dass ich den Beutel raustun und den Tee am nächsten morgen dann wieder warm machen kann! Aber gewohnheiten lassen sich nicht so schnell ändern. Besonders, wenn man diese von der eigenen Mutter übernommen hat und dann ausgezogen ist. In solchen Fällen ist man um jede gewohnheit froh, die ein wenig an zuhause erinnert.

Auch heute ist es wieder so weit und ich klappe das gelesene Buch zu. Gähnend lege ich es neben den Tee auf meinen Nachttisch und mache dann die Lampe aus, dessen Schalter gleich neben meinem Bett angebracht ist. Dann lege ich mich richtig in mein Bett und werfe die Decke über mich. Meine Augenlider gehen zu und mein Hirn macht wie immer überstunden. Der heutige Tag wird noch einmal vor meinem inneren Auge abgespielt und alle entscheidungen noch einmal überdacht. Hätte ich irgendwas besser machen können? Wenn ja, was genau und wie? Hätte ich anders reagieren sollen? Irgendwas anders sagen? Langsam gleite ich so unbemerkt in den Schlaf.

Ein rütteln an meiner Schulter weckt mich und blinzelnd mache ich die Augen auf. "Hmm...?" murmle ich und drehe mich auf den Rücken. Ich gähne und spüre dann, wie jemand eine Hand auf meinen Mund legt. Verwirrt runzle ich die Stirn und kann ein: "Go to sleep!" hören. Mein hirn rattert und hat innerhalb von wenigen Millisekunden die Lösung parat, die ich lieber nie bekommen hätte. Nur ein Wort rast durch mein Hirn. Jeff! Da schreien nicht wirklich irgendwas nützt, drehe ich meinen Kopf, beisse in die Hand und trete gleichzeitig so stark ich kann und mit vollster Panik nach der Gestalt. Diese taumelt überrascht zurück und ich greife nach meiner Tasse, die immer noch leicht dampfend auf dem Nachttisch steht.

Die Tasse samt unterteller zerschmettere ich auf dem Kopf, den ich durch das fahle Mondlicht erkennen kann. Als die gestalt irgendwas flucht, greife ich nach dem Buch und schlage so oft und so hart zu, wie ich kann! Keuchend sitze ich dann auf dem Bettrand und fange an zu zittern. Warte mit aufgerissenen Augen und erhobenem Buch auf eine Regung desjenigen, der auf meinem Boden vor dem Bett liegt! Als ich nach einiger Zeit nichts erkennen kann, taste ich suchend nach dem Lichtschalter. Mein Blick auf die Person gerichtet, die ich wohl für längere Zeit in das Land der Träume geprügelt habe. Mit einem Buch, in dem es hauptsächlich um Sex geht.

Die Deckenlampe flammt auf und ich tue alles daran, in die Ecke meines Zimmers zu flüchten! Mit großen Augen und voller Angst sehe ich auf einen Kerl mit weißem, blutverschmiertem Hoody, schwarzen wuscheligen Haaren und eingeritztem Grinsen. "For fuck sake!" fluche ich leise und habe immer noch das relativ dicke Buch in der Hand, das mir wohl das Leben gerettet hat. Er regt sich immer noch nicht und mein Hirn spielt die verschiedensten Szenarien durch. Und das wahrscheinlichste, in dem ich theoretisch überleben KÖNNTE beinhaltet, den Kerl zu fesseln. Nicht gerade meine spezialität. Vor allem dann nicht, wenn der Kerl ein Serienmörder ist. Ein psychopathischer, wenn ich festhalten darf!

Meine Angst wird schnell durch meinen Überlebenswillen verdrängt und ich nehme den einzigen Stuhl, den ich in meiner kleinen Ein-Zimmer-Wohnung habe und der sich nicht dreht. Das überraschend saubere Messer kicke ich auf die Seite und es schlittert über meinen Parkettboden bis auf die gegenüberliegende seite, an der die Küchenzeile anfängt. Schnell packe ich den Kerl unter den Achseln und wuchte ihn auf den Stuhl. Ich muss ihn tatsächlich mit meinem Fuß an seiner Brust oben halten, sodass er mir nicht vornüber vom Stuhl kippt und ich gleichzeitig an die Kabelbinder komme, die mein Vater dagelassen hat, falls ich wieder mal einen Kabelsalat haben sollte.

Diese erreiche ich gerade noch und nehme den ganzen Packen. Dann hüpfe ich so vorsichtig es geht zurück und binde seine Hände streng hinter seinen Rücken und der Stuhllehne. Ich mache noch ein verbindungsstück, bevor ich dann an den hinteren Fußteilen des Stuhles seine Arme festbinde. Als nächstes kümmere ich mich um seine Beine, die ich doppelt und dreifach an den vorderen Stuhlbeinen festmache. Aus der gerade mal einen Meter entfernten Küche nehme ich ein kleines Handtuch, knülle es zusammen und presse es in seinen Mund. Es ist schwierig, da es durch seine aufgeschlitzen Wangen immer wieder hinausfällt. Aber schlussendlich habe ich auch das geschafft. OHNE, dass er erstickt.

Erst jetzt lasse ich die Panik zu und verziehe ich mich auf das Bett, lege die Bettdecke über mich und fange an, richtig zu zittern, sodass das Bett leicht wackelt. Mein Herz rast und meine Gedanken sind so schnell, dass ich keinen zu fassen bekomme. Ich habe gelernt, negative auswirkungen erst dann zuzulassen, wenn ich zeit dafür habe. Als mein Blick auf sein Messer fällt, stehe ich nocheinmal auf, nehme es an mich und halte es fest, bevor ich mich wieder verkrieche und meine Augen nicht von dem Kerl aus so vielen Creepypasta Fan-Fictions und anderen Geschichten lasse.

Das Licht lasse ich an und mache nicht einen Mucks. Bewege mich nur, um das zittern, atmen und blinzeln zuzulassen. Etwas anderes kommt mir im moment eh nicht in den sinn. Polizei rufen? Nein danke... Davor bin ich tot. Foto's als Beweis? Das Handy liegt hinter ihm beim laden und ich möchte mich ungerne jetzt noch bewegen. Es reicht, dass ich schlimmer Zittere, als ein Lämmerschwanz und meine Augen starr auf den berühmt-berüchtigten Jeff the Killer sind. Ich betrachte ihn mit einer mischung aus neugierde und Angst. Zu meiner überraschung hat er seine Augenlider, Augenbrauen und Nase noch und nur sein eingeritztes lächeln ist das einzige, dass so wirklich in seinem Gesicht stimmt. Die schwarze Wuschelmähne ist eigentlich nur sehr Voluminös und sieht gekämmt aus. Sein Hoody ist zwar voller Blut, aber es ist schon eingetrocknet und die schwarze Hose liegt ihm locker um seine Beine. Plötzlich flattern seine Lider und ich zucke zusammen!

Das etwas UnerwarteteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt