In den Augen des Blondschopf mir gegenüber, hat er sich was geändert. Nicht jetzt, nicht heute. Seid ein paar Tagen. Da war ein besonderer Funke. Und wenn ich jetzt nicht gerade fröstelnd auf der vermoorten Bank sitzen und den hochprozentigen Spiritus in mich fließen ließ, würde ich den Blick auf den romantischsten Augenblick schieben. Doch momentan fand ich nichts romantischst. Schön war bloß, die leicht zu sehenden Sternen, die sich in seinen dunklen Augen wiederspiegeln. Aber nicht schön genug, um es romantisch zu nennen.
Ich glaubte den Grund zu kennen, der hinter diesem Funken steckt. Das ich ihn auch mochte, konnte ich nicht abstreiten. Nein, ich war sowas von in ihn verknallt. Ich, jedoch, wusste meine Gefühle zu kontrollieren. Warscheinlich durch die jahrelange Übung. Bei ihm sah es nicht so aus. Man konnte sie deutlich in diesem Blick sehen. Und eigentlich, wenn ich nicht so ein riesen Angsthase wäre, hätte ich mich jetzt nach vorne gebeugt und ihn geküsst. Es müsste sich toll anfühlen, die wundervollen Lippen zu küssen. Doch ich schob diesen Gedanken beiseite, setzte stattdessen den Becher mit der klaren Flüssigkeit an meine Lippen und nahm ein großen Schluck. Ich versuchte mich selbst zu erinnern, warum ich das niemals machen sollte, um somit das komische Gefühl in meiner Magengrube wieder loszuwerden, das mit dem absurden Gedanken kam. Vor ein paar Wochen hatte er noch eine festen Freundin. Und das war nicht irgendeine, nein. Sie waren seit 4 Jahren zusammen. Ich wusste, das sie ihm nicht egal geworden ist. Außerdem hatten die beiden sich vor sieben Monaten getrennt und kamen nach zwei Wochen wieder zusammen. Mein bester Freund hatte mir, ohne es zu wissen, vor sieben Monaten, genau so wie vor 4 Jahren, etwas das Herz gebrochen, mit der Verkündigung des zusammen sein der zwei. Und vielleicht fiel es mir deswegen leichter, diese Ausrede Glauben zu schenken. Den wahren Grund weiter wegzuschieben. Außerdem ist diese Ausrede viel vernünftiger und glaubwürdiger.
Er würde mir wahrscheinlich nichts glauben. So war er einfach nicht. Er war furchtlos, tat was er wollte, folgte seine Gefühle. Das bewunderte ich an ihm, seine Art zu leben. Die Wahrheit würde ihm weh tun und das wiederum mir. Deswegen wich ich jetzt sein Blick aus und nahm ein weiteren Schluck des Giftes in meiner Hand, um bloß von diesen Gedanken zu entfliehen. Wie sollte ich ihm denn erklären, dass meine Familie, Freunde und Verwandte ihn einfach nicht akzeptieren würden? Dass er anders war, in ihren Augen. Sie haben sich jemand anderes an meiner Seite vorgestellt. Jemand mit Ziel und Plan. Nicht so jemand, wie der blonde Chaot, der nach seinen eigenen Regel spielte. Ich liebe diese Regeln. Ich liebe dieses Chaos und ich liebte ihn. Doch wir leben in zwei verschiedenen Welten. Er passte nicht in meine Welt und ich würde wahrscheinlich nie in seiner überleben. Es war egal wie sehr ich ihn liebte, die Liebe würde nicht ausreichen. Nicht, um in die verantwortungsvollen Fußstapfen meiner Familie zu treten. Wie immer wenn ich darüber nachdachte, fragte ich mich wieso meine Eltern jemanden gebildeten an meiner Seite sahen. Jemand, der mich hoch hinaus bringt. Für sie war bloß Geld und Karriere das wichtigste. Doch bei dem Anblick meiner Erzeuger, glaube ich eher, sie wissen nicht mal was Liebe und Leidenschaft ist. Andererseits wollte ich meine Familie nicht enttäuschen. Meinungsverschiedenheit hin oder her, ich liebte sie. Ich wollte in ihre Fußstapfen treten, ich wollte sie stolz machen.
Als die Morgendämmerung begangen, standen wir auf und liefen zu dem alten, roten Auto des Jungens. Niemand sollte bemerken, dass ich heute Nacht nicht zu Hause war. Ich musterte den Jungen. Er war schön, auf seiner perfekte und zufriedene Art. Wie er lachte, so aufrichtig. Und wie er sprach, als wäre noch nie eine Lüge über seine ansehnlichen Lippen gegangen. Doch diese Augen, sie waren das faszinierendste an ihn. So intensiv und ehrlich, offen für die weite Welt da draußen. Sein Auto kam zum Stehen, doch ich stieg nicht aus. Lange her hatte er mich mal gefragt, ob ich mit ihm durchbrennen würde. Damals hielt ich es für eine dumme Idee. Wenn er mich jetzt fragen würde, würde ich vielleicht ja sagen. Vielleicht würde ich mich mit ihm und der Schrottkarre, dessen roter Lack schon abblättert, so weit fahren, bis wir stehen bleiben. Ja, vielleicht würde ich es tun. Doch er fragte nicht, denn er wusste dass dieses vielleicht existierte. Vielleicht fragte er deswegen nicht. Vielleicht hatte er es auch schon längst vergessen. Und vielleicht fragte ich nicht nach, weil ich mir doch nicht sicher war, was er für mich empfand. Wahrscheinlich hatte ich bloß zu große Angst und mir fehlte der Mut. Vielleicht, wenn ich noch eine Sekunde gewartet hätte, hätte er gefragt. Doch ich habe nicht gewartet, den vielleicht hätte er nie gefragt. Ich ging.
Und in den Köpfen der beiden blieb; vielleicht hätte sie ja gesagt.Wir schließen unsere Augen und setzten unsere nächste Pinsel Farbe an.
