Vorfall

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Ich blinzele. Das Licht blendet mich. Die Musik. Das Rascheln. Ich drehe mich auf die Seite und denke nach. Das Bild. Jayden. Zerfleischt. Es lässt mich nicht los. Es ist ein Wunder das ich mich noch nicht Übergeben habe. Ich höre wie Shinjiro mich nach dem Training fragt, aber ich beachte ihn nicht. Meine Gedanken sind immer noch bei dem, was hier geschieht. Irgendwas ist hier seltsam. Was war das für eine Wunde in meinem Nacken? Wieso passiert das einem einfachen Rekruten wie mir? Und weshalb weiß der Verteidigungsminister davon? Er steckt da mit drin, da bin ich mir sicher. Major John kommt und befiehlt das Training. Ich schaue auf die Uhr. 11:32. Ich stehe auf. Ich brauche frische Luft. Ich gehe nach draußen. An der Küche vorbei. An dem Lager der Quaids vorbei. Ungefähr eine Woche, nachdem ich hier ankam, war das Lager noch im Bau, weshalb ich mir ein ruhiges Plätzchen gesucht habe. Helium II besitzt, trotz der geringen Entfernung  zu seinem Stern, ein sehr gemäßigtes Klima. Das liegt daran, dass Lotos, die Sonne dieses Clusters, ein roter Riese ist. Ein Stern, der kurz vor dem Tod ist und noch geschätzt 130 Jahre hat, bis er zu einer Supernova wird. Durch seine geringen Wasservorkommen, besteht er aber zu 90% aus Wüste. Allerdings liegt nur knapp 5 Minuten Laufweg von der Basis eine kleine Oase. Und nun sitze ich hier und starre in die Ferne. Ich sitze noch eine ganze Weile so da, bevor ich aufstehe und zu dem Baum neben mir gehe. Es ist ein Magolenbaum. Seine Früchte sind sehr lecker, aber der Baum an sich ist heimtückisch. Als ich das erste Mal hier war und den Stamm berührt habe, habe ich mir Verbrennungen 2. Grades zugezogen. Ich hebe einen Stein neben mir auf und werfe ihn nach oben. Zielgerichtet auf eine der Magolen, die hoch oben in der Krone hängen. Die Frucht wackelt, fällt aber nicht herunter, weshalb der Baum einen saftigen Tritt kassiert. Magolen sind grüne Früchte, die an eine Birne mit Knubbeln erinnern. Sie sind sehr süß und der Geschmack ähnelt einer Banane. Ich esse genüßlich und schaue in die ferne. Erst als die Sonne untergeht merke ich wie spät es eigentlich war. Ich schlendere ruhig zurück. Ich weiß das meine Kameraden sauer auf mich seien werden. Immerhin habe ich das ganze Training geschwänzt. Ich trete in die Kantine und merke die stechenden Blicke. Ich hole mir mein Essen und setze mich an meinen Stammplatz. Der Tisch ist alt und dreckig, weshalb hier niemand gerne sitzt. Ich fange an mein Abendbrot zu essen und beobachte die Leute. Eine ganze weile sitze ich so rum und starre meine Umgebung an. Jayden versucht wieder unbeholfen ihr Essen mit den Stäbchen zu essen, in der Ecke liefern sich ein paar Schränke von Soldaten, einen Wettkampf im Armdrücken, in der anderen wiederum spielen ein paar sanftmütigere, Karten. Ein greller Schrei ertönte. Im Saal wurde es schlagartig ruhig.
"Hilfe!"
Während die meisten noch, dumm guckend, nach der Quelle suchten, bin ich schon aufgesprungen und losgerannt. Es kam von Flur. Auch hier standen die meisten nur dumm rum und nur die wenigsten machen sich auf den Weg zur Quelle. Ein weiterer Hilfeschrei ertönte zu meiner linken. Ich laufe los. Schon bald ereiche ich die Quelle des Tumults. Ich zwänge mich durch die, noch, kleine Menge und trete nach vorne. Eine Frau liegt auf dem Boden in einer kaum übersehbaren Blutlache. Das Blut bahnt sich seinen Weg durch die Rillen zwischen den Fliesen.
"Bitte helfen sie ihr!"
Die stimme klingt weinerlich. Verängstigt. Ich sehe die Frau an die neben dem grausamen Schauspiel auf dem Boden hockt. Ihre Hände sind rot von dem Blut und auch die Haarspitzen ihrer übermaßig langen Haare, sind von dem Blut verklebt. Ihre tiefblauen Augen sind glasig und tränen fließen in regelmäßigen Abständen über ihre Wangen. Ich knie mich neben die Frau und gebe ihr ein Taschentuch bevor ich mich um die andere kümmere. Die Blutlache wird langsam, aber stetig größer und scheint von ihrem Rücken auszugehen. Ich nehme mein Messer und schneide ihr Shirt am Rücken auf. So, dass ihr Oberkörper nicht in der öffentlichkeit entblöst wird, ich sie aber trotzdem untersuchen kann. Ich bin kein ausgebildeter Arzt, aber ich behersche die Erweiterte Rassenübergreifende erste Hilfe. Ihr Rücken ist unversehrt, weshalb ich ihr Oberteil leicht hochziehe und ihren Oberkörper befühle. Aus respektgründen Waage ich mich nicht höher als zur untersten Rippe, aber auch so kann ich erkennen das ihre Brustregion und ihr Hals keinerlei Verletzungen aufweisen. Ich hebe ihre Haare an, um ihren Hinterkopf beser untersuchen zu können. Da fallen mir die Schnitte in ihrem Nacken auf. Die müssen mit einem scharfen Messer gemacht woden sein. Ich blicke auf und erkunde in sekundenschnelle die Umgebung. Der Boden und die Wände sind gefliest. Zu meiner Rechten befinden sich Kabinen und zu meiner Linken Waschbecken. Ich befinde mich in der Frauentoilette. Ich sehe mich genauer um und bemerke das Blut an einem der Waschbecken. Einer Spiegel ist gebrochen. Sie muss ihn mit ihrem Ellebogen eingeschlagen haben. Ich stehe auf und gehe zu dem Waschbecken. Das innere ist von roten Striemen übersehen. Etwas unterhalb des Beckens reflektiert das Licht. Ein Stück des gebrochenen Spiegels. Es ist das Stück mit dem die Schnitte gemacht wurden. Ich bin abgeschweift. In der Zeit, in der ich hier einen auf Detektiv gemacht habe, hat sie noch mehr Blut verloren. Ich stelle ihren Oberkörper auf und stütze ihren Nacken mit meinem Arm. Mit meinem anderen Umschlinge ich ihre Beine und hebe sie hoch.
"Sie..."
Ich wende mich zu der Frau, die immernoch Tränenüberströmt auf dem Boden hockt.
"Kommen sie mit."
Sie nickt nur fahl und steht auf.
"Und ihr. Macht Platz!"
Ich renne durch die Gasse die sich gebildet hat. Erst jetzt merke ich wie viele Leute sich hier gesammelt haben. Die, die nicht ganz vorne waren und das Schauspiel miterlebt haben, schauen mir neugierig hinterher. Ich habe schon genug Zeit verloren. So schnell wie es nur geht, renne ich durch die Gänge. Die Krankenstation befindet sich im hinteren Teil des Westflügels im Hauptgebäude. Ich haste über den Hof. Hinter mir die Frau. Die Wachmänner, Bediensteten und Soldaten, die davon nichts mitgekriegt haben, starren uns misstrauisch an. Wir rennen durch das Foyer des Hauptgebäudes. Kurz darauf erreichen wir die Krankenstation.
"Wir brauchen hilfe!"
Erstaunt blicken uns die Ärzte an. Eine der Krankenschwestern kommt mit einer Trage angerollt. Ich lege sie auf die Trage.
"Sie hat Schnittwunden im Nacken und viel Blut verloren."
Ich sinke auf die Knie. Ich bin grade 3 Kilometer mit knapp 70 Kilo im arm gerannt. Auch die Frau lässt sich auf einen der Stühle fallen. Ihr Gesicht ist noch immer Tränenüberströmt und sie zittert am ganzen Körper. Ich stehe auf, gehe zu ihr und lege ihr tröstend eine Hand auf die Schulter. Ich habe nicht viel Erfahrung mit dem anderen Geschlecht, aber ich weiß das man ihr in diesem Moment Respekt und Mitgefühl zollen sollte.
"Wie heißt du?"
"M... Maya... Shizimaru."
"Darf ich dich mit Maya anreden?"
Sie nickt nur flüchtig.
"Nun, Maya. Weißt du was passiert ist?"
"W... Wir wollten zusammen zum Essen gehen, als sie mir sagte sie wolle schnell auf die Toilette. Ich wollte mitgehen, aber sie hat mich abgewimmelt und gesagt ich solle in der Kantine auf sie warten. Sie hat sich schon den ganzen Tag über seltsam benommen. Als sie nach 20 Minuten immer noch nicht gekommen ist, bin ich gegangen, um sie zu suchen. Und als ich in die Toilette gegangen bin, stand sie da. Die Scherbe in der Hand. Sie stand da und starrte mich an. Ihr blick war verschreckt. So, als hätte sie irgend etwas schreckliches gesehen. Und dann... Ist sie umgekippt. Da ganze Blut."
Ihre Stimme, die während sie geredet hat, immer leiser geworden war, verklang nun. Sie fing an heftig zu schluchzen und vergrub ihr Gesicht in den Händen.
"Seid ihr eng befreundet?"
Sie nickt.
"Sieh mich an! Sie wird wieder. Die Ärzte werden sich gut um sie kümmern. Versprochen!"
Ein schwaches lächeln huscht ihr über die Lippen. Ein winziger Augenblick, in dem Hoffnung in ihren Augen zu erkennen ist.
"Ich werde jetzt einen Arzt suchen und ihn nach einem Beruhigungsmittel fragen. Und dann wirst du erst mal in Ruhe schlafen, okay?"
Sie wischt sich die Tränen aus dem Gesicht.
"J... Ja."
Ich sehe mich um. In der Nähe sitzt ein Doktor an seinem Schreibtisch und beschäftigt sich mit seinen Unterlagen. Ich gehe zu ihm und erkläre ihm die Umstände und meine Bitte. Er willigt ein und verschwindet in einem Vorratsraum. Kurze Zeit später kommt er wieder heraus, tritt zu Maya und mir und weißt Maya an sich auf eines der Betten zu legen. Der Arzt injiziert ihr das Beruhigungsmittel und ich kann sehen, wie ihre Bewegungen langsamer und schwerfälliger werden. Sie packt meinen Arm.
"Danke."
Ich blieb noch stehen, bis sie eingeschlafen ist und mache mich jetzt auf den Weg in die hintere Ecke wo ein Kasten aus milchigem Glas steht. Da hinter stehen noch weitere ähnliche Gebilde. Das sind die abgeschotteten Bereiche für die Intensivpatienten. Ich setzte mich hin und warte bis die Ärzte mich reinlassen. Ein Arzt kommt auf mich zu. An den gelben Streifen auf seinem Kittel kann ich erkennen das es sich um den Chefarzt Handeln muss. 
"Fujouka Hirakama?"
"Ja, Sir."
Ich stehe auf und salutiere.
"Lassen sie das! Ich hasse es wen Leute vor mir salutieren. Sie haben die Frau hergetragen. Stimmt das?"
"Ja."
"Gut. Sie sind ab jetzt für sie verantwortlich."
Es verschlug mir die Sprache.
"Ich werde ihren Vorgesetzten bitten, sie von dem Einsatz morgen, zu entlassen."
"Ab..."
Bevor ich ausreden konnte, hat er sich umgedreht und ist gegangen. 

Zeks - Rise of a Soldier (alte Version) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt