Die Überraschung (2) (24. Dezember 1910)

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In der Bibliothek entschied ich mich dafür, mal etwas Neues zu lesen. Langsam fuhr ich mit meiner Hand über die Buchrücken in einer vielversprechend aussehenden Reihe, bis ich bei einem Buch mit einem silbernen, kunstvoll gestalteten Buchrücken innehielt.

Irgendwie schien es eine anziehende Wirkung auf mich zu haben, denn meine gesamte Aufmerksamkeit lag auf diesem verheißungsvoll aussehenden Buch. Warum hatte ich es vorher noch nie gesehen? Ich fuhr mit meinen Fingern nochmal über den Buchrücken und nahm es dann vorsichtig heraus. Überrascht stellte ich fest, dass es keinen Titel gab. Auf dem Cover waren nur verschnörkelte goldene Linien auf silbernem Grund zu sehen.

Mein Interesse stieg mit jeder Sekunde, in der ich auf die Vorderseite vom Buch starrte. Obwohl es so edel, so unzerstörbar aussah, fühlte es sich leicht und zerbrechlich an. Ich hatte noch nie zuvor ein so zerbrechliches Buch in meinen Händen gehabt.

Vorsichtig schlug ich das Buch auf und fing an zu blättern, auf der Suche nach einem Titel, doch ich fand keinen. Dafür gab es jede Menge Text, allerdings in alten Runen. Zum Glück hatte ich Alte Runen gewählt, doch mein derzeitiger Kenntnissstand reichte bei weitem nicht dazu aus, den Text sofort zu übersetzen. Ich würde meine Silbentabelle und die restlichen Unterrichtsaufzeichnungen benötigen. Ich ließ das Buch schnell in meiner Tasche verschwinden und grüßte beim Herausgehen Mr. Smith, den netten Bibliothekar.

Gemächlich schlenderte ich zum Gemeinschaftsraum zurück und ging dann in meinen Schlafsaal. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie viel Zeit vergangen war, es war nun schon fast Zeit zum Mittagessen. Hin- und hergerissen zwischen dem Verlangen, den Text im Buch zu entziffern, und dem Wunsch, zu erfahren, was Newt mir zeigen möchte, verharrte ich einige Minuten auf meinem Bett.

Schlussendlich überwog das Bedürfnis, Newts Überraschung zu sehen und mit einem letzten sehnsüchtigen Blick versteckte ich das Buch in den Tiefen meines Koffers und ging zuerst aus dem Schlafsaal und dann aus dem Gemeinschaftsraum.

Obwohl die meisten anderen Hufflepuffs bei ihren Verwandten waren, der Tisch also fast komplett leer war, saß Newt aus Gewohnheit am äußersten Tischende. Ich musste kurz grinsen, denn ich freute mich schon auf die Überraschung. Als er mich auf sich zukommen sah, nickte er mir mit einem schüchternen Lächeln zu.

Dieses Lächeln löste ein warmes und beruhigendes Gefühl in mir aus, sodass sich auf mein sonst starres Gesicht ein breites Lächeln schlich. Er schien noch nicht lange hier zu sein, jedenfalls sah sein Teller unbenutzt aus. Ich wollte mich setzen, doch in diesem Moment stand er auf, zwei Toastscheiben in der rechten Hand.

Sein plötzliches Aufstehen überraschte mich, doch noch mehr schien es ihn zu überraschen. "Wollen wir jetzt losgehen?", fragte er atemlos. Seine Augen begannen zu leuchten und er wippte mit den Füßen, so als wäre er nervös und aufgeregt zugleich. Fragend schaute er mich mit seinen großen Augen an und ich konnte den Gedanken, dass er eigentlich ganz niedlich war, nicht abschütteln.

Er reichte mir eine Toastscheibe und wir gingen zusammen aus der Großen Halle. Newt ging mir voraus, denn ich kannte unser Ziel nicht. Er schien sich in den Gängen von Hogwarts besser auszukennen als irgendein anderer mir bekannter Schüler oder Lehrer.

Wir befanden uns in einem dunklen Gang, direkt vor einer sonst im Stein verborgenen Tür. "Bereit?", fragte er. "Ja.", antwortete ich und er öffnete die Tür.

All Out Of Love (Newt und Theseus ScamanderxOC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt