Trennung (Sommer 1914)

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Egal wie oft wir es aufschoben, es kam der Moment, in dem wir über unsere Zukunft sprechen mussten.
Dieser Moment kam mitten in der Prüfungsphase, in der ich wenig Freizeit hatte.

"Komm schon Lizzie, wir müssen darüber reden. Dein Abschluss ist bald und es weiter aufzuschieben bringt doch nichts!", rief Theseus mir hinterher, als ich durch die Gänge hetzte.

Als er mich eingeholt hatte, stellte er sich vor mir auf und zwang mich zum Anhalten. "Später. Ich muss noch schnell zur Bibliothek und ein paar Bücher zurückbringen", keuchte ich erschöpft.

"Die habe ich heute Morgen zurückgebracht. Du hast die Bücher, die du noch brauchst, in der Tasche. Schau' nach, wenn du mir nicht glaubst."

Davon ausgehend, dass Theseus mir einen Streich spielte, holte ich drei heraus und sah sie mir an. "Du hast recht. Woher...?"

"Ich weiß, dass du viel zutun hast. Deshalb habe ich dir etwas abgenommen, sodass du jetzt Zeit für mich hast."

"Danke", sagte ich und umarmte ihn kurz. "Dann habe ich jetzt wirklich Zeit. Wo wollen wir reden?"
Er nickte dankbar und erwiderte: "In meinem Zimmer haben wir es ruhig."

Dort angekommen nahmen wir auf den Stühlen an dem kleinen Tisch Platz. Es war schon komisch - endlich hatten wir beide Zeit und dann wussten wir nicht, was wir sagen sollten.

"Wir wissen beide, warum wir hier sind und wenn es für dich okay ist, fange ich an." Fragend sah er mich an und ich nickte zustimmend.

Theseus räusperte sich noch einmal und dann führte er einen Monolog. Jedenfalls versuchte er es.
"Ich werde nächstes Jahr nach Castelobruxo geschickt. Wahrscheinlich wieder für ein Jahr, aber es kann auch länger dauern."

"Was ist denn Castelobruxo?", fragte ich und er erwiderte: "Das ist eine Schule in Brasilien."

Nach einem weiteren Nicken meinerseits fuhr er fort: "Also, ich werde auf diese Schule in Brasilien geschickt. Und ich werde eine Weile dort bleiben. Ich weiß nicht, wie deine Zukunftspläne aussehen, aber ich hätte nichts dagegen, wenn du mich begleiten möchtest. Du hättest dort keine Aufgabe und würdest dich langweilen, aber du wärst bei mir. Was denkst du?"

Nach langem Nachdenken hatte ich mich in den Osterferien - Mary bestärkte mich in meiner Entscheidung - für einen Beruf entschieden. Ich wollte einen Beruf in der magischen Welt haben, obwohl meine Eltern mich dazu drängten, etwas "Normales" zu probieren. Wir hatten letztendlich einen Kompromiss gefunden.

Ich schluckte und überlegte mir genau, wie ich es ihm sagen sollte.
"Das ist wirklich nett von dir, aber ich kann nicht weg."

"Warum nicht? Du hast doch noch keinen Beruf und sonst keine Laster."
Die Unterbrechung ignorierte ich und redete weiter, als hätte es sie nicht gegeben. "Ich kann nicht weg, weil ich bereits eine perfekte Stelle habe. Du verstehst das vielleicht nicht, aber für Muggel ist es wichtig, dass ihre Kinder nach der Schule einen Beruf ergreifen. Und das werde ich tun."

In der Pause, die ich machte, hatte Theseus Zeit, auf das Gesagte zu reagieren. "Davon hast du mir gar nichts erzählt. Ich hätte dir bei der Bewerbung helfen können. Warum nimmst du dir nicht ein Jahr Zeit, um mit mir nach Brasilien zu kommen?"

"Ich habe dir nichts erzählt, weil ich wusste, was das für uns bedeutet. Und ich kann nicht weg, weil...weil es eben nicht geht. Ein paar Kilometer vom Wohnort meiner Eltern entfernt gibt es ein Dorf, in dem Zauberer und Hexen leben. Es ist ein kleines Dorf, aber es gibt dort einen Buchladen. Die Besitzerin möchte in ein paar Jahren aufhören und sie hat niemanden, der den Laden übernehmen kann. Ich habe mich beworben und sie war begeistert. Ich dachte erst, dass das langweilig werden könnte, aber neben dem Verkauf und der Beschaffung gibt es noch eine viel bessere Aufgabe - sie ist eine der wenigen Übersetzerinnen für Alte Runen und wird mich auch darin aus -und weiterbilden. Aber weil sie bald aufhört, zählt jeder Tag, denn es gibt so viel, was ich lernen muss, wenn ich den Laden übernehmen will", entgegnete ich.

Er brauchte ein paar Minuten, um das zu verarbeiten. "Das freut mich für dich", sagte er schließlich. "Es freut mich wirklich. Du magst Alte Runen und das klingt wie der perfekte Beruf für dich. Und du bleibst in der Nähe deiner Eltern, was ihnen bestimmt gefällt."

"Du kannst dir nicht vorstellen, wie sie sich gefreut haben. Eigentlich wollte ich etwas mit Tierwesen machen, aber das fanden sie nicht so toll."

Er nickte ein paarmal langsam und seufzte dann. "Ich möchte deine Zukunftspläne nicht zerstören. Fernbeziehungen sind nichts für mich. Und du hast damit auch nicht die besten Erfahrungen gemacht. Ich liebe dich, Lizzie, aber ich kann das nicht. Dich ein Jahr oder länger nicht zu sehen, obwohl wir zusammen wären - das wäre schrecklich."

"Ich weiß", flüsterte ich, den Tränen nahe. "Ich liebe dich auch, aber ich könnte das nicht ertragen. Und ich möchte auch nicht, dass du deine Karriere für mich aufgibst."

Wir schwiegen kurz, dann sagte er: "Es tut mir weh, das jetzt zu tun, aber es geht nicht anders. Es ist besser, wenn wir unseren Weg gehen und vielleicht treffen sich unsere Wege irgendwann wieder. Dann können wir über die alten Zeiten reden." Seine Stimme wurde zittriger und er lachte kurz auf, um das zu verbergen.
"Ich stimme dir zu", murmelte ich und dann küssten wir uns ein letztes Mal.

"Theseus - ich wünsche dir alles Gute und dass du glücklich wirst. Egal mit wem oder wo", sagte ich zum Abschied und er erwiderte: "Das wünsche ich dir auch. Du wirst eine fantastische Übersetzerin, da bin ich mir sicher."

All Out Of Love (Newt und Theseus ScamanderxOC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt