Lisas Entscheidung

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Lola sah Jonas die nächsten zwei Tage nicht. Er rief sie an und sagte, wegen John und Alex sei es besser, erst mal Distanz zu haben. Aber er vermisse sie. Lola wollte nichts mehr, als bei ihm zu sein, aber sie hatte keine Wahl.

Sie nahm Lisa mit zur Arbeit und ließ sie dort in einem Schlafraum, der eigentlich für Drogensüchtige war, ausruhen. Sie konnte sie nicht allein zuhause lassen; ihre Angst war zu groß, dass Lisa sich etwas antat. Sie schien einfach am Ende. Sie hatte wohl alles verloren; und das nur wegen eines Kindes. Normalerweise war so ein Kind eins der größten Geschenke, das man empfangen durfte; für Lisa war es ihr Fluch. Lola konnte nicht umhin, ihren Glauben an Gott wieder etwas weiter aufzugeben. Wie konnte er sowas passieren lassen?

Glory ihrerseits hatte die Schnauze gestrichen voll von John. Nach einer Nacht voller wüster Beleidigungen hatte sie ihn kurzerhand blockiert und seine Sachen wütend in den Müll geworfen. "Es reicht", sagte sie finster zu Lola. "Es reicht mir endgültig mit ihm. Das Einzige, das ich vermissen werde, ist seine Tochter." 

Am dritten Tag war endlich Lisas Gespräch mit der Beratungsstelle, die ihr den Abtreibungstermin verschaffen sollte. Lola war früher von der Arbeit gegangen und hatte sie dorthin gefahren. Jetzt saß sie nervös im Wartezimmer und betete, dass alles gut ging. Dass die Frau da drin nicht zu viele Fragen stellte, sondern Lisa endlich diesen dämlichen Schein gab. Lola hatte das Gefühl, dass es bergauf gehen würde mit Lisa, sobald dieses Kind endlich weg war.

Nach einer halben Stunde qualvollen Wartens öffnete sich die Tür und Lisa kam heraus. In der Hand hielt sie ein Papier. "Gehen wir", flüsterte sie.
"War es schlimm?", fragte Lola mitleidig und fasste sie an der Schulter.
Lisa schüttelte den Kopf. "Ich weiß gar nicht, worüber sie geredet hat. Ich habe immer nur gesagt, dass ich dieses Kind hasse und dass ich es selbst umbringen würde, wenn sie mich zwingt, es zu kriegen. Dann hat sie es aufgegeben."

Der Termin war schon übermorgen. Lola war einfach nur erleichtert. All das musste ein Ende haben.

Sie erklärte ihrem Chef die Situation am nächsten Tag bei der Arbeit, als sie Lisa in den Schlafraum gebracht hatte. Er verstand sie sofort; er hatte Lisas Zustand ja mit eigenen Augen gesehen. "Nimm dir frei, Lola", sagte er entschieden. "Du hast mehr als genug Überstunden. Da musst du am Freitag nicht kommen."

Auch Glory hatte sich frei genommen, ohne dass sie sich darüber absprachen. Sie wussten einfach beide, dass sie für Lisa da sein mussten.

Freitagmorgen kam schneller als gedacht. Der Termin war für 17 Uhr angesetzt; sehr spät, weil die Ärztin diesen Eingriff eher unbemerkt von der Öffentlichkeit durchführen wollte. Wegen der strafrechtlich dämlichen Situation des 219a war auch sie öfters angegriffen worden, weil sie Abtreibungen durchführen ließ. Sie tat es aber dennoch, weil sie Frauen ein Selbstbestimmungsrecht ermöglichen wollte. Lola hatte mit ihr telefoniert und sie war überaus freundlich gewesen. Lola war beruhigt, Lisa in guten Händen zu wissen.

Glory und sie kochten gerade zu Mittag, als es klingelte. Beunruhigt schauten sie sich an. Lisa war in Lolas Zimmer. Das hieß, sie alle drei waren da. Das wiederum bedeutete, dass die Person vor der Tür höchstwahrscheinlich unerwünscht war.
Es klingelte erneut. Dann wummerte jemand gegen die Tür. "Ich weiß, dass ihr da seid", rief Jonas mit entnervter Stimme. "Kommt schon, macht auf. Ich bin nicht besoffen."
"Bist du allein?", rief Lola durch die Tür.
"John ist dabei", sagte Jonas. "Kommt schon, bitte. Wir müssen reden."

Glory huschte zu Lolas Zimmer und zog die Tür zu. Dann huschte sie zur Küchenschublade und zog ein Messer heraus. "Für alle Fälle", sagte sie etwas unsicher und stellte sich wieder in den Gang, als wolle sie Lolas Tür bewachen. Lola nickte nur. Sie hatte auch Angst vor John. Aber nicht vor Jonas. Also öffnete sie die Tür.

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