† seven

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"Du bist ja eine ganz schöne Dramaqueen. Noch mehr als bei deinem ersten Tod und der war weitaus schlimmer als das da.", hörte ich eine süffisante Stimme laut sprechen und öffnete die Augen.
Ich starrte in einen grauen Himmel über einem Blätterlosen Baum, der aber einige Knospen trug, die geschlossen waren und es wohl auch für immer blieben.

Abrupt erhob ich mich und schaute mich um.
Das war ganz sicher nicht mein Totenreich und tot war ich wohl erst recht nicht, denn dann würde ich nicht ihre Stimme hören.
Sie hatte mich zu sich geholt. Ein erneutes Mal.
"Hier bin ich.", flötete sie.

Ich schrak auf, als sie plötzlich lächelnd neben mir stand und mich grinsend betrachtete.
Ihre gräuliche Haut sah grauer aus denn je und ihr dunkelbraunes, welliges Haar war glanzlos, aber wunderschön.
Sie trug noch immer das selbe blassblaue Abendkleid wie bei unserer ersten Begegnung, nur die Tiara auf ihrem Kopf war neu.

Seufzend erhob ich mich und blickte an mir hinab. All die Geschenke, die ich von dankbaren Sterbenden bekommen hatte, waren verschwunden. Bloß meine eigene Kette war noch übrig geblieben, der Rest war durch ein weißes Blusenkleid und schwarze Riemchenschuhe ausgetauscht worden.
"Wo sind meine Gummistiefel?!", war das erste, was ich fragte und bekam dadurch ein belustigtes Lachen entgegengepeitscht.

"Die habe ich entsorgt, die waren ja grässlich."
Sie hatte die Nase gerümpft und sah damit noch immer so schön aus, wie zuvor. Ich starrte sie bloß wütend an und wusste, dass ich nicht annähernd so graziös dabei aussah, wie sie, wenn sie eine Grimasse zog.
"Sie waren ein Geschenk."
"Ein Geschenk, dessen du nicht mehr würdig bist, Mari. Ich habe es dir entzogen, sei froh, dass es nicht mehr war, als die Geschenke der Sterblichen."

Plötzlich war sie ganz Ernst. Das entsprach eher ihrem Wesen.
Ihr reines Gesicht hatte sich zu einer Maske gebildet, die Autorität und Weisheit ausstrahlte.
Ich konnte ihr nichts entgegensetzen, ich wusste, dass sie mir gnädig gewesen war, wenn es auch nicht die Art von Gnade war, die ich bevorzugt hätte.

"Du hast mich zurückgeholt, obwohl du mich sterben lassen hast. Ich verstehe nicht wieso.", sagte ich, um auf den entscheidenden Punkt zu kommen.
Warum ich hier war und nicht tot. Warum ich wieder dort war, wo das alles angefangen hatte.
"Mari, das solltest du doch wissen. Du bist das reinste Geschenk, das ich bekommen konnte, abgesehen von den ganzen Babys, die seltsamerweise wie am laufenden Band auf bestialische Weise getötet werden. Du warst die reinste von denjenigen, die bereits alt genug waren um zu verstehen und ich habe dich auserkoren mir zu dienen und die zu geleiten, deren Zeit gekommen ist.
Das hat sich nicht geändert, du bist noch immer die reinste Seele in dieser Angelegenheit."

"Aber ich habe meinen Job verfehlt. Ich dachte-"
"Ja, ja, ihr Menschen denkt allzu viel.", unterbrach sie mich und ich biss mir auf die Lippe, um bloß keine blöde Bemerkung loszulassen. "Du wurdest in deinem Tun unterbrochen, bliebst aber pflichtbewusst und treu. Wärst du nicht geeignet gewesen, hätte ich dich schon längst gehen lassen. Ich hätte es schon bei deinem ersten Klienten bemerkt, aber du nimmst deinen Job so ernst, wie kaum einer meiner Auserkorenen."

Ich wusste, dass das ein großes Lob war. Sie zeigte mir ihre Anerkennung und ihr Vertrauen in mich, aber das war nicht das, was ich wollte.
"Ich dachte, es wäre endlich vorbei. Ich wollte endlich abschließen. Selbst wenn ich so gewissenhaft wie möglich gearbeitet habe, ich hatte es satt. Schon viel zu lange."
Meine Stimme war tränenerstickt und das hübsche Gesicht meines Gegenübers verzog sich leidend. Sie spürte meinen Schmerz, immerhin war sie mit mir verbunden, seitdem ich unter ihrem Schutz stand.

"Mari, ich weiß dass du so nicht ganz glücklich bist, aber wenn ich dich gehen lasse, wirst du nur noch unglücklicher sein. Ein Totenreich, so wie du dir erhoffst und das du dir verdient hättest, existiert so nicht. Das, was du dir wünschst, kann dir keiner erfüllen."
Sie war ehrlich bedrückt, mir diese Nachricht zu überbringen, doch ich konnte sie so nicht hinnehmen.
Schniefend trat ich gegen den toten, aber doch lebenden Baum neben mir.

"Einen gibt es, der mir diesen Wunsch erfüllen kann."
"Und du weißt ganz genau, dass er sich nur selten jemandem zuwendet, der bereits unter meine Fittiche geraten ist."
Ich nickte. Ich schüttelte den Kopf. Raufte mir die Haare und weinte salzige Tränen.
"Du könntest mir ja helfen. Ihm eines seiner Geschenke an dich einfach zurückschicken."
"Du weißt, dass ich das nicht kann."

Sie streckte den Arm aus, um mir über das Haar zu streichen. Erst trat ich einen Schritt zurück, doch dann kam ich wieder auf sie zu und ließ mich von ihren geöffneten Armen empfangen.
"Ich weiß, dass du es nicht kannst. Es tut mir leid, es ist egoistisch, so etwas von dir zu verlangen. Aber ich bin einfach so verzweifelt.", flüsterte ich.

Mit Tränen in den Augen dachte ich an meinen zweiten Tod. Wie ich zu dem schwachen Menschen zurückkehrte, der ich einmal gewesen war. Wie ich sicher in die andere Welt begleitet wurde, mit jemandem an meiner Seite und nicht so allein und voller Angst, wie beim ersten Mal.
"Wegen ihm hat sich dein Wille nur noch verstärkt, habe ich Recht? Dieser Menschenjunge, Jeon Jungkook, hat dich in Sicherheit gewogen, bis du deinen letzten Atemzug getan hast und dann hierhin zurückgekehrt bist."
"Er war bei mir, bis zum Ende. Ich glaube, er hätte sogar alles ihm Mögliche getan, um mich weiter am Leben zu erhalten. Doch ich war ganz froh, dass es schnell ging, so war es wenigstens für ihn kein allzu langes Unterfangen."

Sie sah mich wieder leidend an, als sie einen Schritt zurück trat.
Ich wusste, dass es nun weiterging wie bisher. Meine Schonfrist war abgelaufen, ich musste nun wieder meinem Job nachgehen.
"Es ist besser, ihn zu vergessen. Du wirst ihm nicht noch einmal begegnen, er wird niemals unter deine Klienten fallen. Das ist das einzige, was ich dir versichern kann. Wärst du dann so weit deine Pflicht wieder aufzunehmen und die unschuldigen und schuldigen Seelen in ihr verdientes Schicksal zu begleiten, bis eine reinere Seele deinen Platz einnehmen und du deine wohlverdiente Ruhe finden kannst, in einem Reich, das deiner genauso gerecht wird, wie das, was du dir erhoffst?"

Ich nickte.
"Ja, Tod. Wenn ich noch etwas auf meine Gerechtigkeit warten muss, versuche ich umso mehr Seelen in ihre zu geleiten."
Mit einem traurigen Lächeln entließ sie mich.

Ein neuer Tag, ein neues Buch, ein neuer Auftrag.
Mein Dasein setzte sich fort, aber leider auf einem anderen Weg als erhofft.
Nicht in einem neuen Leben. Für das Leben war der Tod nicht zuständig.
Das war nur einer und der war von der Seite des Todes aus unmöglich zu erreichen.
Außer er wollte von mir erreicht werden.

Graveyard Whisper || jeon jungkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt