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2018-11-09
09.16 p.m

"Was ist los mit dir, Jungkook?", fragte mich Taehyung, während wir mit unseren engsten Freunden an einem Tisch saßen und auf unser bestelltes Essen warteten.
Die anderen unterhielten sich angeregt, während ich mich zurückhielt.
"Gab's da ein Mädchen, an das du dich wieder nicht rangetraut hast?"
Taehyung schlug mit Hoseok ein und beide lachten, während ich mich noch weiter zurückzog.

Da gab es wohl eher ein Mädchen, das vor meinen Augen gestoben und dann verschwunden war. Sie hatte sich aufgelöst und ihre zu Staub zerfallenen Überreste waren einfach vom Wind verweht worden, bis von ihnen nichts mehr übrig gewesen war.
Ich hatte sie nicht wirklich gekannt, wir hatten bloß versucht in der Halloweennacht die ganzen Seelen wieder einzusammeln, die in dieser Nacht nicht in ihr Totenreich geleitet wurden, aber trotzdem hatte mich ihr Tod geschockt, nicht nur, weil er so plötzlich gekommen war.
Ich hatte ja nicht einmal ihren Namen erfahren.

Aber mit ihrem Tod war plötzlich auch wieder Ruhe eingekehrt. Keine einzige Seele hatte mich verfolgt, obwohl ich das bereits befürchtet hatte, da sie ja wohl auch Wind von mir bekommen hatten.
Mein Leben war wieder normal, nur die Erinnerung an sie blieb als Beweis dafür, dass sie einmal existiert hatte. Ein Mädchen, scheinbar ohne Namen, eine Angestellte des Todes, übernatürlich, unfassbar und so frech, aber voller Mut und Weisheit durch das, was sie bereits gesehen und erlebt hatte.

"Wow, Jungkook, du siehst aus, als würdest du gleich in Tränen ausbrechen.", kommentierte wieder Taehyung und rüttelte an meiner Schulter.
Ich stand auf, ich hatte darauf keine Lust mehr.
"Ich kann doch nicht bleiben, Jungs. Da gibt es noch etwas, das ich erledigen muss.", sagte ich und schob den Stuhl zurück, verließ das Restaurant und schlenderte die Straße entlang.

Es war bereits dunkel, der Herbst hatte seine bisher kühlsten Temperaturen erreicht und wehte meine Haare umher, so dass sie mir zeitweilig die Sicht versperrten.
Die Straßen waren befüllt mit lauten Autos und Menschen schlenderten oder eilten an mir vorbei, während ich mich im Slalom zwischen sie durchschlängelte.
Viele waren jetzt auf dem Weg in ihre Lieblingsbars und -restaurants oder waren gerade fertig mit ihrer Arbeit und wollten schnell nach Hause und ins Wochenende starten.

Ich wusste nicht, wohin mit mir. Nach Hause wollte ich nicht und zurück zu meinen Freunden konnte ich nicht. Das wäre total peinlich.
Also lief ich einfach weiter bis die Straßen Lehrer wurden, die Laternen am Wegesrand immer weniger und der Verkehr immer ruhiger.
Plötzlich war ich in einer Gegend, die mir nicht bekannt war.

Ich kehrte um, gelangte wieder auf eine der Hauptstraßen und mir kamen wieder mehr Menschen entgegen.
Irgendwann entschied ich mich einfach die Straße zu überqueren und als es grün war und ich ein paar Schritte lief, entdeckte ich sie plötzlich. Das konnte sie nicht wirklich sein, aber wenn mein Gehirn mir einen Streich spielte, dann einen ziemlich guten.

An ihr hatte sich nichts verändert, bis auf die Kleidung. Plötzlich trug sie nicht mehr diese alten Gummistiefel und ein nicht dazu passendes schwarzes Spitzenkleid aus einer anderen Zeit.
Sie war ganz in weiß gekleidet, Barfuß und sie trug wieder das schwere Buch mit sich herum.
Plötzlich blieb sie stehen, als wäre ihr etwas seltsames aufgefallen.
Ihr Blick folgte irgendetwas, bis er auf mich fiel.

Sie riss die Augen auf, ließ ihr Buch fallen und rannte auf mich zu.
Zuerst dachte ich, sie würde sich freuen mich zu sehen, doch dann ertönte ein Hupen und als ich den Blick von ihr abwandte, näherte sich ein Wagen und dessen Fahrer dachte gar nicht daran anzuhalten.
Ich spürte den Aufprall, hart, aber aushaltbar. 

Ich spürte ein Gewicht auf mir, dass sich aber nicht nach hartem Stahl oder unnachgiebigen Autorreifen anfühlte, sondern weich und sanft.
"Bist du komplett bescheuert?!", kreischte mich eine weibliche Stimme an und Hände rüttelten an meinen Schultern.
Ich öffnete die Augen und das Mädchen, das die Toten einsammelte lag halb auf mir, halb auf der kalten Straße.
"Erfrierst du nicht?", stellte ich eine Gegenfrage und das zerren an meinen Schultern stoppte. Fassungslos sah sie mich an.

"Jungkook, du hättest sterben können."
"Genaugenommen wäre er auch gestorben. Du bist in meinen Termin geplatzt, Mari.", ertönte eine neue, unbekannte Stimme und ich neigte den Kopf ein wenig nach hinten, um eine Frau, wahrscheinlich in den späten Zwanzigern zu sehen, die einen schwarzen Nadelstreifenhosenanzug und blutrote Pumps trug.
"Sorry, Sunji, aber den kannst du noch nicht mitnehmen", entgegnete ihr die Blondine frech, richtete sich auf und zerrte an meiner Jeansjacke, damit ich ebenfalls aufstand.

"Komm mit. Wir sollten gehen."
Sie zog mich hinter sich her und überquerte die Straße schnellen Schrittes.
"Er stand im Buch! Er hätte sterben müssen!", schrie diese Sunji hinter uns her und die Blondine vor mir schnaubte genervt.
Wir kamen zu der Stelle, an der sie ihr Buch fallen lassen hatte und sie hob es auf, ohne meine Jacke loszulassen.
"Hätte ich echt-", begann ich zu fragen, doch unterbrach mich selbst, weil ich es nicht aussprechen konnte. Es war ein seltsames Gefühl zu bemerken, dass man gerade fast gestorben wäre.

"Ja, wärst du und das war wirklich dämlich von dir. Wehe, du jagst mir noch einmal so einen Schrecken ein!"
Sie klang wirklich aufgebracht, aber es bescherte mir ein Lächeln, da sie sich wohl ernsthafte Sorgen um mich gemacht hatte.
"Immerhin lebe ich noch. Und so wie es aussieht, du auch wieder. Was ist passiert? Woher stammten diese ganzen Wunden?"

Mahnend sah sie mich an, doch dann biss sie sich auf die Lippe, ihr Blick wurde ganz weich und sie senkte den Blick.
"Können wir wo anders hin? Ich bin sicher, Sunji ist dabei mich zu verpetzen. Es wäre also gut, wenn wir ein wenig in Bewegung bleiben", sagte sie, doch sie klang nicht frech wie immer, sondern verwegen und distanziert.
Also bewegten wir uns. Ich hatte ihr vorgeschlagen, dass wir zu meiner Wohnung gehen konnten und sie stimmte zu.

Irgendetwas schien passiert zu sein. Das Mädchen wirkte nicht komplett verändert, aber sie war auch nicht wie zuvor. Nicht die ganze Zeit zumindest.
Aber an die mögliche Ursache dafür konnte ich in diesem Moment sowieso nicht denken, denn ich hatte mir nur diesem kleinen Zwischenfallen ein paar weitere Erkenntnisse gesammelt, über das Mädchen, dass die Toten in ihre Totenreiche schickte.
Nun wusste ich ihren Namen, Mari, dass sie sich scheinbar Sorgen um mich gemacht und mir das Leben gerettet hatte und vor allem, dass es mir gefallen hatte zu fühlen, dass es mir gefiel.
Dass es mir gefiel, von diesem Mädchen gemocht zu werden.

Graveyard Whisper || jeon jungkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt