Kapitel 1

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Sherlock

Es war grau und regnerisch in London. Wunderbar! Ich stand am Fenster und beobachtete die Straße. Menschen und Taxis tummelten sich in der Baker Street doch mehr würde heute wohl auch nicht mehr passieren an diesem Tag.

Jetzt fiel mir erst wieder auf, dass John gar nicht mehr in seinem Sessel saß.

Dieser Mann hatte vielleicht Nerven. Gerade hat man sich noch gut unterhalten und dann verschwindet er einfach wieder um irgendwelche Sarahs oder Beths oder, wie auch immer sie heißen mögen, zu treffen.

Als ich hörte wie unten die Tür ins Schloss fiel und sich Schritte den Weg nach oben bahnten, blieb ich starr am Fenster stehen und versuchte so unbeteiligt wie möglich zu wirken.

»Sie stehen ja immer noch am Fenster!« rief mir John aus der Küche entgegen. »Offenkundig« , entgegnete ich ihm tonlos. »Das Wetter ist einfach grauenhaft. Kein Taxi war mehr zu kriegen also bin ich den ganzen Weg vom Einkaufsladen bis hier her gelaufen! Gelaufen! Hören sie mir eigentlich zu?!«

»Ja, John. Ich höre sie« , sagte ich, immer noch mit dem Blick aus dem Fenster. Scheinbar war John einkaufen. Komisch. Ich könnte schwören, dass er vor fünf Minuten noch hier saß. Gott! Ich brauche einen Fall, irgendetwas das meinen Gedanken wieder eine Richtung gibt.

»Sie haben echt Nerven. Ich war zwei Stunden weg und hier sieht es immer noch furchtbar aus. Ich habe ihnen doch gesagt, dass ich kochen möchte und die Küche mal wieder einen sauberen Lappen vertragen könnte!«

»Zwei Stunden?« , fragte ich trocken und drehte mich nun zu ihm um. »Jetzt kommen sie schon, Sherlock! Das haben sie wieder nicht gemerkt? Es ist ja in Ordnung wenn sie nicht mit mir reden aber sagen sie wenigstens der Küche mal „Hallo!"« während John das sagte machte er eine Geste mit den Armen Richtung Küche. Er sah mich mit einer Mischung aus streng und erwartungsvoll an. Ich zuckte innerlich kurz zusammen. Mir gefiel es wenn John so aus der Rolle fällt und ... stop. Was war das nun für ein Gedanke? Mir gefällt John Watson? Wir wohnen jetzt schon eine ganze Weile zusammen und haben viele Fälle gemeinsam gelöst. Es hat uns zusammengeschweißt. Aber das? Das war neu für mich.

»Sherlock Holmes, sie wischen jetzt die Küche durch! Ich habe keine Lust noch weitere 2 Stunden zu warten!« , rief John und riss mich damit komplett aus meinen Gedanken. »Okay, geben sie mir 10 Minuten«, sagte ich und ging schnell an ihm vorbei.

Während ich alles wischte und Ordnung in die Küche brachte, machte sich John daran die Einkäufe zu verstauen.

Eine gute halbe Stunde später saßen wir uns gegenüber am Esstisch. John stocherte gewaltsam in seinem noch immer halb vollen Teller herum. Nach einem weiteren Gabelstich ließ er diese geräuschvoll neben den Teller fallen.

»Was ist denn, John?« , fragte ich ohne den Blick zu heben. »Sie sind...ich wollte nur...ach was auch immer!«

John tupfte sich seinen Mundwinkel mit der Stoffserviette ab, legte diese hastig auf den Tisch und ging dann in sein Zimmer. Nun sah ich ihm recht verdutzt hinterher. Ich konnte nicht verstehen was gerade vorging. Ich kann es wirklich nicht. Seit ich John kenne ist es besser geworden, jedoch sind mir manche zwischenmenschlichen Situationen noch immer nicht ganz geläufig. Vielleicht ging es ihm auch einfach nicht gut. Nun war ich derjenige der in seinem Teller gedankenverloren rumstocherte. Es fällt mir seit einigen Tagen wirklich schwer meine Gedanken zu ordnen und ich weiß auch nicht ob ein neuer Fall dies lösen kann. Ich musste herausfinden woran das liegt aber zuerst musste ich mit John reden.

Ich räumte unsere Teller vom Tisch und ließ meinen Blick dabei durch die offene Küche und dann Richtung Wohnzimmer gleiten. John hatte recht. Hier sieht es grauenvoll aus. Ich fing an alles aufzuräumen, zu wischen und zurecht zu rücken. Es fühlte sich weniger wie eine Aufgabe an. Mir war klar, dass ich dabei war mich abzulenken. John sitzt in seinem Zimmer und ich bin der Grund dafür warum er nicht mehr hier saß. Das wurde mir von Minute zu Minute bewusster. Ich sah zu Johns Zimmertür. Ich war dabei mich wieder umzudrehen als ich auf halber Strecke inne hielt und mich wieder zur Tür drehte. Ich merkte wie sich eine Falte zwischen meinen Augenbrauen bildete. Was ist los mit mir?

Ich stellte mir die Frage rein rhetorisch. Ich fühlte einen Impuls und war dabei ihm zu folgen. Ich ging also auf Johns Tür zu und klopfte zweimal dagegen. Im Inneren hörte ich Schritte. 21, 22, 23... John zögerte, öffnete mir dann aber die Tür eine Spaltbreite. Ich bemerkte das ich ihm heute das erste Mal in die Augen sah.

»Was wollen sie, Sherlock?« , fragte er mich noch immer gereizt. »John, ich glaube ich habe sie verärgert und möchte mich entschuldigen« , entgegnete ich fast schon hektisch. Nun öffnete John die Tür ganz. »Sie! Sie und entschuldigen? Sind sie wieder high oder hat Lestrade angerufen?«

Also gut, er war also wirklich sauer auf mich.

»Nein, Dr. Watson, ich bin völlig clean, danke sehr« schnappte ich »Mein Verhalten ihnen gegenüber war nicht angemessen. Ich bin sehr abgelenkt in letzter Zeit und kann mich nicht richtig konzentrieren. Und deswegen entschuldige ich mich« setzte ich hinterher.

John presste die Lippen fest aufeinander und schaute mich ernst an. Er blinzelte ein paar Mal, schüttelte den Kopf und sah mich wieder an. »Heute nicht Sherlock« , flüsterte er fast. »Ich verstehe nicht« , sagte ich kurz. »Dann werde ich es ihnen erklären. Ständig muss ich mich um diese Wohnung kümmern und einkaufen gehen. Herrgott, sie merken nicht einmal wenn ich die Wohnung verlasse und dabei bin ich....Ach. Mir ist das gerade einfach zu viel. Also lassen sie mich in Ruhe« , sagte er scharf und schloss die Tür. Als diese ins Schloss schnappte war es als würde ich aufwachen.

Ich musste etwas ändern. Ich musste beweisen wie gut es mir geht seit John in meinem Leben ist. Er hatte mich von Anfang an akzeptiert. Während mich andere als Freak oder Psychopathen wahrnehmen, sieht John den Mann der ich wirklich bin. Er hat meine dümmsten Marotten ertragen und nun stehe ich vor seiner geschlossenen Tür und erwarte das ein"Entschuldigung" alles wieder gerade biegt. Ich legte die Hand auf meine Brust. Mein Herz raste. Die Schuld die ich an Johns Zustand hatte lastete so schwer auf mir. Ich merkte wie meine Augen zu brennen begannen. Ich schluckte schwer, drehte mich von der Tür weg und ging wieder in Richtung Wohnzimmer. Ich nahm meine Violine und sah wieder aus dem Fenster. Es regnete immer noch. Verdammt.

Als ich den Bogen ansetzte und die Melodie in mein Ohr drang, schloss ich die Augen und spielte so lange bis ich endlich an nichts mehr dachte.

Ende Kapitel 1

You Know Me // a Johnlock StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt