Kapitel Vierundzwanzig

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Die Sonne ging langsam auf.

Die Jägerin hatte fast die Hütte der Hexe erreicht. Das kurze Gespräch mit Keldan hatte die junge Frau durcheinander gebracht, so dass sie keine Ruhe mehr gefunden hatte. Sie hatte den tief schlafenden Prinzen zurück gelassen und war los.

Sein Plan zu bemerken, wenn sie gehen sollte, war nicht aufgegangen. Er hatte so fest geschlafen, dass er nicht mal gezuckt hatte, während sie seinen Kopf von ihrem Schoß auf den Boden bettete.

Dann war die Frau los. Als erstes lief sie so schnell sie nur konnte. Sie brauchte die Schnelligkeit für einen Augenblick, dieses ständige Schleichen hatte alle ihre Muskeln starr werden lassen. Zudem sorgte ihr das Laufen für einen freien Kopf, in dem Moment war alles andere egal.

Erst als sie unregelmäßig zu atmen begann verlangsamte sie ihr Tempo und machte sich daran die Hütte zu suchen.

Überraschenderweise hatte sie diese ohne große Mühe gefunden, fast so als wollte die Hexe gefunden werden. Die Frau im Haus schien auch nicht Ansatzweise überrumpelt zu sein, viel eher machte sie den Eindruck auf die Jägerin gewartet zu haben.

"Steh nicht so 'rum, komm schon rein." Forderte sie die junge Frau schroff auf.

Vorsichtig betrat Mayra die Hütte, diese bestand nur aus einem großen Zimmer, von der Decke hingen getrocknete Bündel an verschiedenen Kräutern und sonstigen Pflanzen.

"Jetzt setzt dich schon." Die Frau ging schien alles nicht schnell genug zu gehen.

Müsste Mayra ihr Leben mit dieser Frau verbringen würde sie sicherlich auch weglaufen. Die Frau machte den Anschein im mittleren Alters zu sein, doch bei Hexen konnte man nie wissen, ihr schwarzes struppiges Haar stand ihr wild vom Kopf ab.

"Du willst einen Fluch los werden." Es klang nicht wie eine Frage sondern wie eine Feststellung, sie sah die Verwirrung der jungen Frau. "Weshalb könntest du sonst hier sein? Ihr kommt doch alle, weil ihr was wollt und dein Fluch ist stark."

Die Frau zeigte genau in die Richtung von Mayras Dekolletee.

"Also könnt Ihr ihn lösen?" Zum ersten mal spürte die junge Frau so etwas wie Hoffnung in sich wachsen, wenn der Flucht gelöst würde, dann könnte sie sich der Königin ohne Angst stellen.

"Nein. Also nicht ohne einem wichtigen Hilfsmittel."

"Hilfsmittel?" Mayra wurde misstrauisch.

"Nichts sonderlich großes. Es gibt eine Höhle, gar nicht so weit von hier entfernt, dort lebt ein Dämon, er soll goldene Haare besitzen. Bring mir drei dieser besagten Haare und ich löse den Fluch."

Etwas stimmte nicht. "Zu welchem Preis?"

"Mag sein, dass ich zu meinen Stiefkindern nicht gut bin, aber sie hätten auch nicht weglaufen dürfen, so etwas tun gute Kinder nicht."

"Also ich bringe die Haare und Ihr löst den Fluch ohne eine Bezahlung?"

"So schwer zu glauben?"

Mayra wollte dieser Frau nicht glauben, dennoch blieb ihr nichts übrig als sich auf den Weg zur Höhle zu machen. Mit einem Dämonen hatte sie es noch nie zu tun gehabt.

Die Höhle war so gut versteckt, dass sie diese niemals ohne die detaillierte Anleitung der Hexe gefunden hätte. Achtsam trat sie in das kalte Gestein.

Nach einigen Wimpernschlägen waren ihre Augen an das Licht gewohnt, doch nach weniger Zeit schwand das Licht, welches hinter ihr durch den Eingang fiel.

Wie sollte sie sich hier zurecht finden, wenn sie nichts sehen konnte? Sie hätte aber auch nicht erwartet, dass die Höhle so weit in Innere lief.

Mit den Händen über die Wände gleitend, schlich sie weiter vor, nach einer schieren Ewigkeit, erkannte sie schwaches Licht. Voller Hoffnung aus der erdrückenden Dunkelheit zu kommen, beschleunigte sich ihr Tempo.

An der Lichtquelle angekommen blieb sie stehen. Vor ihr führte eine Treppe nach unten, so weit, dass kein Ende in Sicht war, von beiden Seiten erstreckte sich das Gestein nach oben. Auf einer Seite der Wand  waren in Abständen Löcher eingearbeitet in denen Kerzen brannten.

Sie hatte vorgehabt sich zu beeilen und alles noch am selben Tag hinter sich zu bringen, daran begann sie mittlerweile zu zweifeln, sie würde es mit Sicherheit nicht in einem Tag schaffen. Alleine für den Weg den sie zurück gelegt hatte musste sie viel mehr Zeit gebraucht haben.

Immer mehr wuchs die Ungeduld in ihr. Wann nahmen diese Stufen nur ein Ende?

Endlich.

Der letzte Schritt und sie sah um die Ecke.

Unendlich viele Gänge erstreckten sich vor ihr. Die Jägerin verstand gar nichts mehr. Welcher Gang war der Richtige? Welche Abzweigung musste sie nehmen um an ihrem Ziel anzukommen?

Ohne dieses Wissen würde sie womöglich auf ewig hier unter der Erde umgeben von Steinen umherwandern. Sie wusste, sie musste den ersten Schritt wagen, doch es machte ihr Angst. Wann hatte sie nur das letzte Mal eine solche Angst verspürt?

Eine falsche Wahl und sie war verloren.

Dann hörte sie etwas, schleifende Schritte, Stimmen die leise zu ihr drangen.

Mit Mühe folgte sie den Lauten, dabei schaffte sie es nicht sich den Weg zu merken, sie war der Quelle schon so nah, dass sie die Worte verstehen konnte.

"Ich bin zwar deine Großmutter aber so alt bin ich nun auch wieder nicht, dennoch könntest du etwas mehr Rücksicht mit mir haben."

Es folgte eine Antwort die nicht verständlich war, diese Person musste weiter entfernt sein.

"Du tust nichts anderes als zu schlafen, du iss und schläfst, den lieben langen Tag."

Die Worte die verständlich waren, klangen nach einer älteren Frau und irgendwie hinterließen sie so ein Gefühl, etwas Vertrautes, etwas Warmes.

"Ich geh ja schon, ich geh ja schon, verschlafe wieder deinen Tag, schick deine alte Großmutter fort, scheuche sie nur herum."

Das Schlürfen kam näher, Mayra wollte sich aus Gewohnheit verstecken, bloß gab es nichts wo sie hin könnte. Da sah sie schon die Frau kommen, diese hatte wohl den Eindringling gar nicht bemerkt, denn sie war dabei in die andere Richtung zugehen.

Mayra war dabei erleichtert auszuatmen, als die Frau inne hielt, sich um drehte und genau den Blick von der Jägerin einfing. Fast als hätte sie die junge Frau hinter sich gespürt.

Der Blick der Alten huschte einmal in das Innere des Raumes aus dem sie gekommen war, ehe sie leise auf die Fremde zu ging. Kurz vor der jungen Frau blieb sie stehen. Die Alte war kleiner als Mayra und hatte graue Haare, mehr nicht, ihr Gesicht hatte nicht eine Falte, nur ihre Haltung hatte etwas müdes.

Ihre grauen Augen durchbohrten die andere Frau.

"Und du bist?"






Das Herz der JägerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt