Kapitel Eins

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Der Wald erwachte langsam zum Leben, als sich Mayra streckte und dehnte. Ihr schwarzer Hund tat es ihr nach. Die ersten Strahlen der Sonne lugten zwischen den Bäumen hervor.

Sie erhob sich von ihrem Nachtlager. Heute wurde sie von der Königin erwartet. Doch vorher brauchten sie beide etwas zu Essen. Der große Hund, dachte genauso, er begann schon nach Fährten zu suchen.

"Hast du schon was gefunden, Tarjo?" Er hatte definitiv etwas, seine Ohren zuckten und sofort lief er schneller. Mayra beeilte sich mit ihm Schritt zuhalten. Geschickt wich sie Bäumen und Geäst aus, dabei war sie dennoch leise. Die Jahre im Wald waren eine gute Übung gewesen.

Sie konnte es aber immer noch nicht mit der Geschwindigkeit ihres treuen Freundes aufnehmen. Sie hörte schon sein Knurren und ein verzweifeltes Winseln. Kurz danach lief er ihr schon entgegen. In seinem Maul trug er ein Wiesel.

"Das hast du gut gemacht." Sie kraulte ihn hinterm Ohr. Mit etwas Glück schaffte sie es das Wieselfell zu verkaufen. Die Händler schickten sie immer zum Teufel, sobald sie das Siegel in der Mitte ihres Dekolleté sahen.

Natürlich mochte niemand die Königin, doch das sagte nichts über sie aus. Obwohl sie jeden Befehl befolgte. Seit ihr Herz vor vielen Jahren versiegelt wurde, fiel ihr das Leben leichter.

Sie beendeten ihr Frühstück, Tarjo hatte das Meiste Fleisch bekommen. Sie war sich jedoch ganz sicher, dass er noch einige Male mehr nach Wild suchen würde. Von ihren kleinen Mahlzeiten konnte der riesige Hund niemals satt werden.

Die Sonne war schon weiter gewandert. Sie musste nun los. Tarjo folgte ihr einwenig, doch die Grenze des Waldes verließ er nicht. Die Königin mochte ihn nicht und er sie ebenso wenig.

Sie wurde schon in der Empfangshalle erwartet. Sie erkannte den Prinzen, wie er freudig mit einigen Wachen plauderte. Als sie vor zwei Jahren das erste Mal mit der Königin ins Schloss kam, hatte er sie neugierig gemustert.

Sie dagegen hatte den König betrachtet, der das Ende seines Schicksals mit einem Lächeln unterschrieben hatte. Er hatte eine schöne Frau geheiratet, die ihn aus dem Weg haben wollte. Der Prinz war Mayra damals immer nach gelaufen, selbst in den tiefsten Wald.

Er hatte ihr sofort und ohne Grund vertraut. Selbst als sie ihn in eine Grube hatte treten lassen und er sich das Bein brach, wollte er sofort nach der Genesung mit ihr mit. Da hatte endlich die Königin das Wort ergriffen und den König überzeugt es zu verbieten.

Sie hielt den Prinzen selbst zwei Jahre später für einen törichten jungen Mann. Der immer freundlich war und zuvorkommend. Er schmeichelte Mayra immer, ohne Erfolg. Seine Komplimente berührten sie nicht. Sie errötete nicht wie die anderen Mädchen im Schloss und sie sah ihm nie bewundernd nach. Das war der Vorteil ein versiegeltes Herz zu haben, es konnte nicht schneller schlagen.

Die Wachen bemerkten sie zu erst und wurden still. Verwundert über die plötzliche Zurückhaltung seiner Gesprächspartner wandte nun auch der Prinz sich um. Augenblicklich wurde sein Lächeln noch breiter. Mit weit offenen Armen kam er ihr entgegen.

"Wie ich mich freue heute mit dir auf die Jagd zugehen. Obwohl ich die armen Tiere bedauere, die dir über den Weg laufen werden." Er drückte sie einmal kurz an sich. Wie eine Statue stand sie weiter da. Weshalb Leute dachten, eine Umarmung hätte etwas herzliches würde sie nie verstehen.

"Ich bin so froh, dass du dich dazu bereit erklärt hast." Die Königin schritt in einem imposanten Kleid herein. Ihr Haar war kunstvoll drapiert und ein Gewinde aus Gold und Edelsteinen schmückte ihren Kopf. Sie trug ein Lächeln auf ihren Lippen welches nicht ihre Augen erreichte.

"Auch du Damir. Ich denke es ist genau das was du jetzt brauchst, mein Junge. Ich wünsche euch einen herrlichen Tag."
Mayra verneigte sich und ging los. Die Königin hatte viel zu dick aufgetragen. Sie hätte unauffälliger sein müssen.

"Danke Mutter. Wir werden etwas gutes zum Essen mitbringen. Nicht war Mayra?"
Als er ihren Namen nannte, durchlief sie ein Schauer. Sie war es nicht gewohnt ihren Namen zu hören. Selbst die Königin sprach sie nicht mit dem Namen an.

Stur ging sie weiter. Sie hatte noch nicht überlegt wann genau sie Damir das Leben nehmen wollte. Zuerst würde sie weit mit ihm laufen und dann einfach sehen was die Situation hergab. Es wäre gut wenn ein paar Tage vergehen ehe sie ins Schloss zurückkehrte, um mitzuteilen, dass der arme Prinz leider von einem wilden Tier gerissen wurde.

Schnell hatte Damir sie eingeholt. "Wollen wir nicht die Pferde nehmen?"
"Keine Pferde." Knurrte sie. Pferde mochten Tarjo nicht besonders und zudem hatte sie nie gelernt zu reiten. Sie war zu Fuß besser dran.

"Schon gut, schon gut. Wo ist dein Hund? Er ist doch immer in deiner Nähe." Er sah sich um.
Oh Herr steh mir bei, sandte Mayra ein Gebet zum Himmel. Sie konnte sich nicht vorstellen ihn lange ertragen zu können.

"Ah da ist er ja. Komm her mein Junge."
Sie beide hatten den Wald betreten und Tarjo kam herbei nachdem er seine Herrin gewittert hatte. Doch bei Damir hielt er unsicher Abstand. Dieser hatte ihm die Hand entgegen gestreckt. Kurz schnüffelte der Hund daran ohne die Haut zu berühren.

"Ihr solltet auf eure Finger acht geben." Doch sie hoffte aufrichtig, Tarjo möge zubeißen. Stattdessen leckte er kurz über die Finger und lief munter voraus. Was für ein Veräter doch ihr angeblich treuer Begleiter war.

"Du musst dir keine Sorgen machen, ich komme gut mit Tieren zurecht." Jetzt dachte er schon sie würde sich Sorgen um ihn machen.
"Es muss toll sein den ganzen Tag tun zu können wozu man selbst Lust hat."

Sie schwieg. Er war in der Lage alleine ein Gespräch zu führen. Es reichte ihm an ihrer Seite zu gehen. Sie liefen schon gut eine halbe Stunde. Sie begann sich genauer umzuschauen. Sie würde noch eine Stunde gehen, dann müsste sie einen guten Moment abpassen.

Sie hatte wenig Lust auf einen Zweikampf und wollte es einfach schnell hinter sich bringen.
"Wie lange wollen wir noch laufen?"
Sie ertrug ihn langsam nicht mehr.
"Seht Ihr hier irgendwo Wild? Wir sind noch viel zu nah an den menschlichen Siedlungen."

"Denkst du nicht dass wir sie genauso verschrecken werden? Besonders der Hund." Sie seufzte auf.
"Wenn Ihr nicht wie ein tollpatschiger Welpe herum lauft, werden wir schnell auf Wild treffen."
Sie hatte nicht auf ihre Worte geachtet. Sie durfte ihn nicht zu sehr verärgern. Sie waren noch viel zu nah bei den Bewohnern. Er dagegen lachte nur und sie setzten den Weg fort.

"Wie weit soll es noch gehen? Ich dachte wir wollen jagen und nicht wandern."
So ging es schon eine gute Stunde. Jeder seiner Sätze beinhaltete irgendetwas mit; Schmerz, Erschöpfung oder Lustlosigkeit. Bald würde sie ihre Beherrschung verlieren. So was war ihr noch nie passiert! Er trieb sie in den Wahnsinn!

Sie kamen in die Nähe eines kleinen Bachs. Tarjo lief zum Wasser und trank gierig. Auch Damir nutzte es um sich auf den Boden zuknien und sein Gesicht zu waschen. Für einen Prinzen war es ihm egal ob seine Kleidung schmutzig wird.

Er hatte ihr seinen schutzlosen Rücken zugewandt. Sie sah ihre Gelegenheit. Lautlos zog sie das Geschenk der Königin, es war an der Zeit die Klinge einem Test zu unterziehen. Auf leisen Sohlen nährte sie sich ihm. Sie musste bedacht vorgehen. Das Herz durfte nicht beschädigt werden und sie wollte auch nicht mit Blut besudelt werden.

Tarjo bemerkte ihr Vorhaben und winselte, dass verriet sie. Damir drehte sich um und seine Augen wurden groß. Starr vor Angst fixierte er das glänzende Metall.

Das Herz der JägerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt