Kapitel Zehn

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Angespannt saß die blonde Frau in ihrem düsteren Arbeitszimmer. Sie hatte niemanden herein gelassen um die Vorhänge zu öffnen oder die Kerzen zu entzünden. Es lag eine erdrückende Stille im Raum, nur das stetige Klopfen ihrer langen Fingernägeln auf dem Holztisch waren zu hören.

Klack. Klack. Klack.

Eine innere Wut erfüllte sie. Weshalb sie sich auf die Lippe biss.

Klack. Klack. Klack.

Ihre Augen waren geschlossen, fieberhaft dachte sie nach. Sie verweigerte das Essen, für die Schlossbewohnern sah es aus, als würde sie trauern.

Klack. Klack. Klack.

Doch in Wirklichkeit musste sie sich beherrschen um nicht alles zu zerstören.

"Sag mir noch einmal was passiert war." Die Königin wandte sich an ihren Spiegel. Die Gestalt in ihm holte ein weiteres Mal tief Luft, nicht zum ersten mal an diesem Tag musste es seine Worte wiederholen.

"Ich sah deine Dienerin nicht weit von hier in einem Dorf, nur ganz kurz irgendwas musste vorgefallen sein. Doch den Prinzen hatte ich nicht ausmachen können."

"Wieso konnte keiner dieser Versager sie dann finden?!"

"Du hast aus ihr eine Jägerin gemacht." Erklang der Spiegel anschuldigend.

"SCHWEIG!"

Die Königin war von ihrem Stuhl aufgesprungen und riss alles vom Tisch, was sich ihren Händen in den Weg stellte, nur damit es dann laut auf dem Boden auftraf.

"Dafür hast du es geschafft ihr Siegel zu erreichen. Nun ist sie wieder an dich gebunden. Je länger sie wartet und sich entfernt, desto stärker wird der Zauber."

Damit hatte die silberne Frau Recht. Die Königin hatte schnell reagiert und das Siegel ihrer Dienerin eingefangen. Nun hing das Schlagen und damit das Leben der jungen Frau in ihrer Hand.

Leider hatte sich seit der letzten Nacht etwas verändert. Sie hatte das Siegel der Jägerin kaum gespürt.

"Wieso kann ich sie jetzt nicht mehr erreichen?"

"Sie muss tief unter der Erde sein oder Gestein um sich haben."

Gestein. Die Königin gefror. Natürlich, darauf hätte sie längst kommen können!

"Zwerge." Presste sie zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor. Die kleinen Männer waren ihr schon vor Jahren ein Dorn im Auge, doch waren sie auch die einzigen die in der Lage waren aus dem Gestein die wertvollen Steine zu schlagen, die sie selber so sehr liebte.

Sie brauchte einen neuen Plan. Natürlich könnte sie als Herrscherin einfach Soldaten hinschicken, besonders da die Zwerge eh unter Beobachtung standen.

Aber die Jägerin würde schnell ein neues Schlupfloch finden. Die Königin brauchte was anderes, einen Weg, den niemand so schnell durchschauen konnte.

Krähen.

Tief in ihren Gedanken versunken setzte sie sich wieder hin und sprach die Worte laut aus, während sie sich in ihrem Kopf formten.

"Ich lasse sie von meinen Krähen beobachten. Sobald ich durchschaut habe was ihr Plan oder eher das Ziel ihrer Flucht ist, lasse ich sie dort abfangen."

Ein kindliches, fast schon hysterisches Lachen entwich ihr, so sehr war sie von ihrer eigenen Idee eingenommen.

Erhaben stand sie auf und drehte sich zum Fenster, schwungvoll schob sie die schweren Vorhänge von einem der Fenster zur Seite. Erfüllt vom purem Glück öffnete sie es und frischer Wind durchflutete sofort das gesamte Zimmer.

Indem sie einen Arm aus dem offenen Fenster streckte rief sie ihre Krähe herbei. Grazil landete das schwarz gefiederte Tier auf ihrem Arm. Während sie ihm über dessen Kopf strich, flüsterte die Frau ihm die Worte seiner nächsten Aufgabe zu, ehe das Tier wieder davon flog. In kürzester Zeit würden sich weitere schwarze Vögel anschließen und ihren Weg so schnell wie möglich zu den zwei Verrätern hinter sich bringen.

"Was hast du mit den beiden vor, wenn du sie hast?" Meldete sich der Spiegel hinter ihr zu Wort. Ein Teil ihrer Freude verflog.

"Was könnte ich schon mit ihnen vorhaben? Wir brauchen noch immer ein neues Herz und ich kenne kein reineres, als das des Prinzen, er wird so oder so sterben."

Kurz erfüllte Stille den noch immer im halbdunkel liegenden Raum, beide Anwesenden dachten an das Selbe. Ein Problem von dem sie sich befreien müssen, doch in den Augen der Königin war es fast schon zu schade eine so gute Hilfe los zu werden. Die Person im Spiegel war jedoch schon von beginn gegen die Dienerschaft der jungen Frau gewesen, die damals nichts mehr als ein einfaches Kind war.

"Was passiert mit deiner Jägerin?"

"Du hast sie doch noch nie leiden können." Entgegnete die Königen emotionslos.

"Dennoch hat sie gute Dienste geleistet. Ihr Herz ist noch immer sehr stark, selten findet man ein so gutes Herz, das so lange aufrecht bleibt." Lenkte die Frau im Spiegel mit einem Seufzen ein. 

Die Königin hatte schon viele Jäger gehabt, aber keiner von ihnen lebte auch nur ansatzweise so lange wie ihre jetzige Jägerin, es war wirklich zu bedauern.

"Es ist sehr schade um sie, dabei war sie immer so aufrecht und treu. Diese jugendliche Rebellion steht ihr überhaupt nicht, genau deshalb muss ich sie wieder zu mir bekommen und sie auf ihren Platz weisen."

Der silbernen Frau gefiel nicht, dass die Dienerin nur eine Bestrafung erhalten könnte, das Mädchen war zu gefährlich und dies hatte sie schon mit ihrem Verrat bewiesen.

"Wie willst du sie auf ihren Platz weisen? Denkst du sie durch eine kleine Folter wieder auf deine Seite zu bekommen? Dann bist du eine Närrin! Der Prinz hat ihr den Kopf gewaschen, sie wird sich wie ein wildes Tier gegen dich wehren!"

"Wann lernst du es endlich still zu sein?! Ich bin kein Kind! Schon lange nicht mehr! Sie bekommt was sie begonnen hat!"

Nun horchte die ältere Frau auf, gespannt zu erfahren was sich die Königin vorgenommen hatte. Diese umrundete den Tisch und trat zum Spiegel, aufmerksam betrachtete sie die silberne Gestalt, die schon viel zu lange in dem Spiegel lebte, um die verstrichene Zeit überhaupt noch zu bemerken.

Diese Frau war mal sehr mächtig gewesen, doch genau dies war auch ihre größte Schwäche, seit dem war sie an den Spiegel gebunden und der Spiegel an die Königin. Nur der Spiegel und das stetige Sammeln von Herzen, ließ beide Frauen auf ewig leben. Gefährlich kniff die Königin ihre Augen zusammen.

"Niemand stellt sich gegen mich, niemand! Ich lasse sie leiden, ich lasse sie erkennen und dann wird sie erbärmlich sterben, ich schneide ihr das Herz aus der Brust und verwende es mit dem des Prinzen. Selbst wenn sie um Gnade bettelt, nichts wird sie davor retten, so wie es damals war, als sie alles verlor."

Mal wieder lachte die blonde Frau laut auf, diesmal getrieben von ihrer eigenen Grausamkeit.













Das Herz der JägerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt