Tagebuch 29.

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Hey...
Ich bin ja eher so die unauffällige, ruhige Schülerin. Jetzt müssen wir alle einen Poetry Slam schreiben und jeder muss seinen vorstellen.
Ich kann nicht vor anderen reden...
Ich rede allgemein nicht.
Freunde hab ich nur im Internet. Da bin ich ich.

Jedenfalls...
Ich hab meinen Poetry Slam schon geschrieben, aber finde ihn eigentlich ziemlich schlecht.
Willst du ihn mal hören?
Okay also mir ist kein Name eingefallen. Er heißt "10"

...
10

"10 Kilo zu viel" sagten sie dir damals. Es hat ihnen nicht gefallen,
aber es war wenigstens die Zeit, als du noch da warst.
"10 Kilo zu wenig" sagen dir heute auch die Ärzte. Aber was macht das schon? Du kannst ja jederzeit aufhören, wenn du willst und ja...
Jetzt gerade willst du nicht,
nicht wahr?

9 Jahre deines Lebens sind vergangen seit es passiert ist.
"Es tut mir leid, aber sie ist tot"
Und du wirst deines Lebens nicht mehr froh.
Das alles nur, weil sie nicht mehr da ist. Du kannst immernoch nicht glauben, dass es wahr ist.

8 Sekunden ist sie gefallen, als sie von der Brücke sprang.
Ein Anruf. Ein Schrei. Tränen.
Du warst wach.
War es das, wie der Tod klang?

7 Knochen waren gebrochen.
Du warst da.
Hast das Blut gerochen
und Papi hast du gefragt, ob Mami wieder gesund wird.
Er sagte "Ja", aber ihr wusstet beide, dass sie stirbt.

6 Jahre alt warst du damals, als du dort an ihrem Grab stand'st und ja,
du hast sie dafür gehasst.
Es hat doch alles kaputt gemacht.
Du warst doch da.
Warum hat sie nicht mit dir geredet, als sie traurig war?

5 steht auf deinem Zeugnis.
Dein Vater wird sich ärgern, aber das ist dir egal.
So wie alles seit diesem Tag.

4 Wochen Hausarrest hast du dafür bekommen,
aber Freunde hast du eh alle verloren.
Warum solltest du raus in dir kalte, grausame Welt?
Und das, obwohl es dir hier drinnen so gut gefällt...

3 Tränen rollen über deine Wangen,
als du im Bett sitzt
und dich dazu entscheidest, dass es genug ist.

2 Schnitte. Blut fließt.
Du hast aufgehört zu weinen.
Heute ist der Tag, an dem du sie endlich wieder siehst.
An dem du endlich wieder bei ihr bist.

Ein Schuss.
Ein Schrei.
Ein dumpfer Aufprall.
Es ist vorbei.
Du hast aufgegeben und jetzt ist Papa ganz allein, aber wenigstens kannst du bei deiner Mama sein.
...


Ich mag ihn nicht besonders.
Ich hab nur so billo - Reime da drin. Die haben zwar gesagt, es soll den Leser
(oder Zuhörer... Wir müssen das ja selbst vorlesen)
emotional berühren, aber ich glaube, ich war trotzdem ein bischen zu... dramatisch.

Naja ich hab auch nur ne viertel Stunde daran geschrieben,
aber ich bin trotzdem so unzufrieden damit.
Und ich will das nicht vorlesen.
Ich sage nie was vor den anderen.

Das macht mich total nervös...

Hilfe..?




Und was ist, wenn ich Sterben will? (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt