Know Your Rights

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Jade's Sicht

Einige Tage später weiß ich noch immer nicht wo Jonas so spät am Abend noch hin musste, aber es ist mir auch egal, denn wichtig war nur, dass er sich danach zu mir ins Bett gelegt hat und ich diejenige war, die am nächsten Morgen neben ihm aufwachen durfte.

Obwohl wir die vergangenen zwei Tage viel Zeit miteinander verbrachten, hat sich die Chance, ihm von meiner Gefühlslage zu erzählen irgendwie nicht ergeben. Entweder war einer der Jungs dabei, es war zu viel Alkohol - oder andere Substanzen - im Spiel oder aber mich hat der Mut verlassen.

Letzteres war wohl mein Hauptproblem.

Aber so schlimm ist das gar nicht, denn ich hatte trotzdem das Gefühl Jonas näher zu kommen. Nicht Körperlich, - da sind wir uns nah genug - sondern Emotional.

An einem Abend lagen wir bei gedimmten Licht zusammen bei ihm im Bett, dabei verweilte seine Hand auf meinem Bauch, während er sich mit seinem anderen Arm auf der Matratze abstützte. Nach einiger Zeit wanderte diese jedoch von dort aus zu meinem Tattoo unter meiner Brust. Er fragte -zumindest indirekt - zum ersten Mal, welche Bedeutung dieser Schriftzug hätte.

Flashback

"Know your rights? Sag bloß die Bullen haben dich mal gefickt?"

Obwohl ich - genau wie er - gerne über diese Annahme lachen würde, legt sich diese bereits gewohnte schwere über mich, sobald dieses Thema aufkommt.

Es ist nicht mehr unerträglich, nicht so wie früher, dennoch ist der leichte Schmerz spürbar und alles andere als angenehm. Doch wenn ich eins in den vergangen Jahren gelernt habe, dann
dass dass es nur Schlimmer wird, den Schmerz zu unterdrücken, statt ihn schließlich zu spüren.

Meine Hand gleitet ebenfalls zu der tättoowierten Stelle und bleibt neben die von Jonas liegen. Als würde es mir Kraft geben, beginne ich zu sprechen.

"Nein. 'Know your rights' steht für einen Freund."

Kurz atme ich tief durch, bevor ich fortfahre.

"Scott. Er war großartig. Wir lernten uns auf der Junior High kennen, er war in der gleichen Stufe wie ich. Weil er aus Camden kam, wollten viele Kinder nichts mit ihm zu tun haben, aber mir war das egal. Es spielte für mich noch nie eine Rolle woher jemand kam und wie viel Geld diejenigen besaßen. Trotz unserer immer wachsenden Freundschaft, prägte ihn der Ort an dem er aufwuchs. Sein Dad schlug ihn für jedes noch so kleine vergehen, ließ seinen Frust an ihm aus. Seine Mom sah dabei nur zu. Nahm es hin, dass ihr eigener Sohn unter Gewalt leben musste. Scott ließ sich nicht helfen. Nicht einmal von mir. Er spielte das ganze Runter und sagte immer wieder, dass das irgendwann vorbei ginge, wenn er von dort weg geht und seinen Traum leben kann. Er wollte Fußballer werden."

Ein Lächeln huscht mir übers Gesicht, wenn ich daran denke, wie stolz er jedesmal war, wenn er sich einen neuen Trick selbst beigebracht hatte.

"Auf der Highschool fing er an für irgendeinen viel älteren Typen Drogen an unsere Schule zu verkaufen, um an schnelles Geld zu kommen. Dass das nicht nur Kriminell, sondern auch gefährlich ist, wollte er weder von mir noch von anderen Freunden hören. Irgendwann wurde aber auch ihm die Sache zu heikel. Nicht nur der Schuldirektor, sondern auch die Polizei wurde auf ihn aufmerksam. Er wollte aussteigen. Du glaubst gar nicht wie froh ich war, als er mir das erzählte. Ich habe ihm angeboten, mit zu diesem Gespräch zu gehen, doch natürlich lehnte er das ab. Mir war klar wieso, dieser Typ und seine Gang waren alles andere als ungefährlich. Er versicherte mir, dass er Zachary - einen gemeinsamen Freund mitnehmen würde. Am nächsten Tag kam er nicht zur Schule, eigentlich nichts ungewöhnliches, er fehlte öfter mal, aber als Zach mir dann erzählte, dass er nichts von einem Treffen wissen würde, überkam mich ein seltsames Gefühl. Auf Anrufe und Nachrichten reagierte er nicht, was das Ganze noch verstärkte. Ich wollte gemeinsam mit Zach nach dem Unterricht zu ihm, doch dazu kam es gar nicht. In der zweiten Stunde betraten zwei Beamte unser Klassenzimmer und erzählten uns, dass unser Mitschüler Scott Cavendish tot ist. Mehr bekam ich nicht mit. Das war der Moment in dem etwas in mir zerbrach. Ich schrie die Polizisten an, dass sie aufhören sollen zu lügen und dass sie sich täuschen müssen."

Naked | GZUZ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt