Manchmal wünschte ich mir, ich könnte die Zeit zurückdrehen. Dann wäre das hier alles gar nicht erst passiert. Nächste Woche musste ich einfach bei Jojo mit der Sprache herausrücken. Die Bilder würden online kommen und auch wenn sich mein Freund in keinster Weise für irgendwelche Kampagnen der DSV interessierte, würden ihn irgendwelche seiner japanischen Mitspringer darauf aufmerksam machen. Selbst Akito schien mehr Internet affiner zu sein, als so manch einer glaubte. Außerdem war es auch nicht fair gegenüber Markus. Erst küsste ich ihn und dann lies ich ihn einfach abblitzen. Wobei genau genommen ging das ja auch nicht von mir aus. Der Humbug musste endlich ein Ende haben. Das war nur allen fair gegenüber. In letzter Zeit war es mir echt schwergefallen, Jojo in die Augen zu schauen. Deshalb mied ich ihn so oft es eben nur ging. Ich vermutete, dass er mich nur nicht bis jetzt darauf angesprochen hatte, weil er mein komisches Verhalten in Verbindung mit meiner Familie setzte. Schließlich hatte ich schon angekündigt, dass ich in mein kleines Heimatdorf zurückkehren würde. Direkt nach dem Neujahrsspringen von heute. Es lag ein freier Tag zwischen dem heutigen Springer und der Quali in Österreich und den musste ich nutzen. Ich hatte nur ein wenig Angst davor, alleine nach Grainau zurückzukehren. Was genau ich da wollte, wusste ich bis jetzt auch noch nicht so genau, aber jetzt musste ich mich eh erst einmal getreu an mein Motto halten: Erstmal den heutigen Tag hinter mich bringen.
Dem sah ich aber eigentlich ganz gelassen entgegen. Viel war nicht geplant. Ich würde das Springen beobachten und mir danach einen schönen Abend mit Jojo im Hotel-Zimmer machen. Wobei man diese Behausung nur schwer als „Hotel" bezeichnen konnte. Es glich wohl eher dem Zimmer von Harry Potter und dabei spreche ich von dem unter der Treppe. Staub bröselte von der Decke, sobald jemand im darüber liegenden Zimmer herumlief. Von den Geräuschen der Nachbarn ganz zu schweigen. Das wäre ja alles kein Problem gewesen, wären wir nicht von den Partyganoven der slowenischen Mannschaft umgeben. Die Prevc-Brüder hatten echt ne Energie. Was mich eigentlich sehr wunderte, da sie in den Interviews immer relativ verschwiegen rüberkamen. Lag vielleicht daran, dass auch Cene für das heutige Springen angereist war und das Widersehen des verschollenen Bruders musste anscheinend gebührend gefeiert werden. Die lauten Slowenen über uns und die Schubladler unter uns. Ich fragte mich echt, wer von den Deutschen das so draufhaben musste. Nach meiner Bäckerkarriere war die Nacht sowieso schon kürzer gewesen und dann musste ich mir auch noch den wilden Tanz der Deutschen im Stockwerk unter uns anhören. Spät war ich eingeschlafen und umso früher hatte mein Wecker geklingelt. Da es in unserem Zimmer gerade noch für eine Toilette gereicht hatte, musste ich jetzt mit einer Gemeinschaftsdusche vorliebnehmen. Und obwohl die Zahl der weiblichen Insassen hier deutlich unter dem überdurchschnittlich hohen Testosteronspiegel lag, wollte ich nicht mit pitschnassen Haaren durch den Flur rennen und dabei noch von irgendwelchen notgeilen Springern bestaunt werden. Somit blieb mir nur eins: Frühduschen um 5 Uhr morgens.Man merkte deutlich, dass seit gestern das alte Jahr vorbei war.
...Und, dass von Putzfrauen hier keine Rede war. Konfetti lag auf dem Boden, mit einer dezenten Luftschlagen Pracht drumherum. Ich sah auch vereinzelte Bierflaschen, die den ein oder anderen Trainer ganz und gar nicht erfreut hätten. Ich grinste. Es war schon irgendwie schön mit so vielen Nationen auf einem Haufen zu sein. Beladenen mit meinem Duschzeug in der einen Hand und dem Handtuch in der anderen Hand und noch etwas verträumt, schlenderte ich die Treppen hinunter. Eventuell lag mein frühes Aufstehen auch daran, dass ich keinem der Deutschen begegnen wollte. Vor allem nicht einer bestimmten Person... Und natürlich mussten die Duschen genau im Stock der deutschen Mannschaft sein. Da hatten wir mal wieder meinen guten alten Freund: Das Schicksal.
Entnervt verfehlte ich die letzte Stufe und kullerte die Treppe regelrecht herunter. Dank meines wunderbar federnden Hinterteils blieben mir schlimmere Schmerzen erspart. Genervt wollte ich mich gerade wieder aufrappeln, als zwei Stimmen um die Ecke bogen. Oder wohl eher ihre Besitzer.
„Werner klang gestern ziemlich angespannt. Liegt wohl ein ganz schöner Druck auf der Mannschaft. Er sehnt sich einfach endlich mal nach einem Sieg eines DSV-Springers. Nach den ganzen 2. Plätzen der letzten Jahre. Könnte daran liegen, dass er vorhat aufzuhören. Also ist nur so meine Vermutung oder was denkst du?" fragte eine männliche deutsche Stimme.
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Sprung ins Glück
FanfictionSich in den Erzrivalen ihres Fast-Ehemanns zu verlieben steht definitiv nicht auf der To-Do-Liste von Emilias Leben. Das aus einem kleinen Gefallen und der Sehnsucht nach Heimat, ein verbotener Kuss und die verzweifelte Suche nach einem Skispringer...