Ich spürte, wie mein Fuß auf einmal nass wurde. Dabei war das Schneeangebot hier ja wirklich sehr spärlich. Genervt stampfte ich in den Schnee, als ich merkte, dass dieser sich erstaunlich flauschig anfühlte.
„Ich muss verrückt werden.", murrte ich leise. Es kann doch nicht sein, dass mich diese ganze Date-Dingsi-Bumsi-Sache sowas von durcheinander brachte.
'Schluss mit lustig. Dieser ganze Wahnsinn muss jetzt ein Ende haben. Ich mach einfach dieses beschissene Video. Genommen werd ich eh nicht. Es gibt tausend andere hübschere junge Frauen, die eher genommen werden. ' dachte ich mir verbittert.
Das jetzt der Spaß vorbei war, machte sich auch schon an meinem Fuß bemerkbar. Als mein Blick mein Bein hinabwanderte, strahlte mir nicht wie Gedacht, ein weißes Schneehäufchen entgegen, sondern ein wuscheliges Fellknäul. Bei genauerem Hinsehen entpuppte sich dieses als echtes Lebewesen.
Das hatte mir gerade noch gefehlt. Hilfesuchend schaute ich mich um. Eventuell war hier ja irgendwo eine Tierauffangstation. Aber wie schon erwartet war das wohl nicht der Trend bei solchen Sprungveranstaltungen. Ein Hund war das letzte, was ich jetzt noch gebrauchen konnte.
Doch leider durfte ich mich ja auch nicht bemerkbar machen. Das hatte Jojo mir vorher eingebläut. Enttäuschen wollte ich ihn natürlich nicht. Ein Tier irgendwo abzugeben, hieß auch automatisch, bei Fragen zur Verfügung zu stehen und da sowas ja nicht alltäglich war, war das alles mit einem Schwall an Aufmerksamkeit verbunden.
Am besten noch ein Zeitungsaufruf mit meinem Namen versehen. Jojo würde mich umbringen.
Selbst ist die Frau. Tapfer wollte ich mich auf Detektivsuche nach dem äußerst geschmackvollen (das musste man leider bei diesem Exemplar von Hund dazu sagen) Besitzer machen. Doch als ich aufblickte merkte ich, dass der zweite Durchgang soeben zu Ende gegangen war. Neben mir strömten schon Zuschauer vorbei. Ich musste wohl so tief in mein Handy und die Konversation mit Lena versunken gewesen sein, dass ich gar nicht das Spektakel um mich herum bemerkt hatte.
Hilflos blickte ich mich um und war genauso planlos wie vorher. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, die vorbeiströmende Masse anzusprechen, gab ich resigniert auf.
'Was soll's. Wer die weite Reise zum heutigen Springen angetreten hat, der wird hoffentlich auch morgen kommen.' fuhr es mir durch den Kopf.
Solange musste Superdetektiven Emilia versuchen einen Hund in einem 10 Quadratmeter großen Hotelzimmer vor ihrem Freund zu verstecken. Und dazu kam auch noch, dass er noch nicht einmal stubenrein war. (Der Hund, NICHT der Freund.)
Resigniert begab ich mich auf den Weg zu den Klos. Auf Jojo zu warten kam sowieso nicht in Frage. Obwohl er heute nicht gewonnen hatte - sondern so ein Vorhang-Typsi - durchlief er dennoch einen Marathon an Interviews. Zeit, dieses kleine Missgeschick zu bereinigen, ein Hund zu verstecken und ein Bewerbungsvideo zu drehen.
Langweilig würde mir auf alle Fälle nicht werden. Was hatte ich mir nur dabei gedacht, zu diesem Trip mitzukommen? Naja, jetzt war es auch schon zu spät. Zeit das Beste daraus zu machen!
Bei diesen Gedanken wanderte mein Blick erneut zu der durchnässten Hose. Langsam fing sie an zu stinken. Also machte ich mich (rennend) auf den Weg zu den Toiletten. Ich stieß jede Tür auf, da ich die Beschriftungen sowieso nicht lesen konnte. Und anscheinend schien es den Leuten hier auch überflüssig, Bildchen zu befestigen. Endlich riss ich die richtige Tür auf und stürzte mich schon zum Waschbecken. Wenn meine athletischen Künste nach Schulnoten bewertet werden müssten, dann bekämen sie eine 5 minus. Denn einen Handstand (mit Hilfe!), den konnte ich gerade noch. Ein Trauma aus meiner Kindheit war... das RAD. Gekonnt hatte ich es nie. Und als mir einmal im Schulsport währenddessen die Hose gerissen war, schwor ich mir ewige Feindschaft mit dieser Turnübung.
Ich schwang also mein Bein über das Waschbecken und plumpste mit vollem Karacho auf den Boden. Als ich es noch ein weiteres Mal versuchte, merkte ich, dass meine Situation ausweglos erschien. Ich schaute mich um und bemerkte, dass außer mir niemand mehr auf der Toilette war. Auch generell war es relativ still auf dem Gelände geworden. Ich hatte 2 Optionen: Entweder den Gestank ertragen und mich den tausenden Fragen von Jojo später stellen, (dann musste ich nicht nur einen Hund, sondern auch eine stinkende Hose verstecken) oder sie schnell ausziehen und unter dem Waschbecken reinigen.
Was konnte schon passieren? Während ich so überlegte, hörte ich ein Winseln von unten. Auch der Hund schien schon genervt von meinem ewigen Hin- und Herüberlegen. Ich hatte schon ganz vergessen, dass ich ja jetzt ein Haustier besaß. Da das hier aber ein Frauenklo und keine Hundetoilette war, musterte ich meinen kleinen neuen Freund entschuldigend.
„Sorry, Wimmel-Wimsi. Hunde müssen draußen bleiben. Hast du das Schild nicht gesehen?" Bei dieser Frage musste ich stocken. Gut, dass der Hund mich nicht verstand. Ansonsten hätte er mir jetzt einen Vogel gezeigt. Schilder waren hier ja schließlich fehl am Platz.
Ich beschloss also, für meinen kurzen Striptease den Hund nach draußen zu befördern. Selbst vor einem Tier war es mir peinlich, mich auszuziehen. Ich ging also nach draußen und band ihn hinter der Hütte fest.
„Ist nur für ne Sekunde, Wimsi." Fügte ich im Gehen noch hinzu.
Dort angekommen, wollte ich die Sache schnell hinter mich bringen.
Hose aus, unters Waschbecken geschmissen, Wasserhahn an und Tür auf.
WARTE WAS?!? Ich fuhr mit dem Kopf herum, als ich das Knarzen der Türangel hinter mir hörte. Ich blickte in zwei, ebenfalls so erstaunte, grüne Augen. Bevor das hier noch irgendwie peinlicher wurde, entgegnete ich:
„Sorry, aber das ist hier 'n Damenklo. Ich wusste ja schon immer, dass du ein Flirtkönig und Macho bist, aber als Spanner hätte ich dich jetzt wirklich nicht eingeschätzt. Außerdem ist der Bereich hier nur für Springer und nicht irgendwelche Fans. Was spionierst du mir überhaupt nach? ICH ZEIG DICH AN, MARCEL!"
Jetzt blickte ich in verdatterte Augen. Mein leider allzu bekannter Freund schien etwas verwirrt zu sein.
„'Tschuldigung, dass ich deine Nacktparty gestört habe. Aber ich müsste mal ganz dringend." Mit diesen Worten deutete er auf die Pissoirs im anderen Eck des Zimmers. Diese waren mir vorher noch gar nicht aufgefallen. Ich merkte, wie mir allmählich die Wärme ins Gesicht stieg. Nicht nur wegen des Missverständnisses, sondern auch wegen der Tatsache, dass ich keine Hose anhatte. Auch ihm schien das jetzt erst bewusster aufgefallen zu sein. Denn sein Blick wanderte langsam meinen Körper hinunter.
„UNTERSTEH DICH!" schrie ich ihn an, während ich zu ihm rannte, um ihn die Augen zuzuhalten.
„Das ist alles anders, wie es ausschaut." Stotterte ich.
„Kein Problem. Ich genieß es, wenn halbnackte Frauen an mir kleben. Vor allem, wenn es dann auch noch so hübsche wie du sind."
Spielerisch gab ich ihm einen leichten Tritt und katapultierte ihn damit schnell aus dem Raum.
Verdattert landete er vor der Tür, konnte aber noch einen kleinen Blick auf meinen Körper erhaschen. Ich erkannte, wie er sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte.
Entrüstet versuchte ich, mich zu rechtfertigen, obwohl das ja gar nicht nötig gewesen wäre.
„Du verstehst das nicht. Erst kam diese tote Dinosaurier-Sache, dann Wimsi und dann gewinnt auch noch dieser komische Vorhang. Ich weiß gar nicht über was ich mich dann heute Abend noch mit Jojo unterhalten soll."
Ich erntete einen noch verwirrteren Blick als vorher.
„Wusste gar nicht, dass du eine Vorliebe für Zoos und Möbelhäuser hast."
Mit diesen Worten knallte ich ihm die Türe vor der Nase zu.

DU LIEST GERADE
Sprung ins Glück
Fiksi PenggemarSich in den Erzrivalen ihres Fast-Ehemanns zu verlieben steht definitiv nicht auf der To-Do-Liste von Emilias Leben. Das aus einem kleinen Gefallen und der Sehnsucht nach Heimat, ein verbotener Kuss und die verzweifelte Suche nach einem Skispringer...