Prolog

1.6K 66 15
                                    

Draußen regnete es schon seit längerer Zeit in Strömen. Meinen Kopf hatte ich erschöpft dem harten Glas anvertraut. Unerbittlich strahlte es eine eisige Kälte aus, welche meinen Körper zum Zittern brachte. Müde konzentrierte ich mich auf einzelne Regentropfen, die gegen das Fenster prasselten und einen angenehmen, stählernen Rhythmus spielten.

Ich atmete tief durch und schloss meine glasigen sowie rötlich geweinten Augen. Erneut musste ich gegen die aufkommende Tränenwelle ankämpfen. Um meinen Gedankengang zu stoppen biss ich mir leicht auf meine spröde, rissige Unterlippe. Doch selbst dieser minimale Druck reichte und brachte die dünne Hautschicht zum Reißen. Sofort breitete sich der eiserne Geschmack von warmem Blut auf meiner Zunge aus.

Mein Körper fühlte sich schwer wie Blei an und die abgedunkelte Brille begann langsam zu drücken. Die beruhigende Leere, welche mich zuerst noch umgeben hatte, schien allmählich zu weichen und den verdrängten Schmerz freizugeben. Widerwillig wurde ich aus meiner sanften Starre gerissen. Mein zuerst noch leergefegter Kopf erwachte und bescherte mir leichte Kopfschmerzen.

Kraftlos öffnete ich wieder meine Augen und bemerkte den Tränenschleier, welcher mir die Sicht versperrte. Ein leises Schluchzen entwich meinen Lippen und ich biss mir erneut auf die blutende Unterlippe, um weitere Geräusche zu unterdrücken.

„Ruhig bleiben. Es wird alles in Ordnung kommen. Bald hast du es geschafft", versuchte ich mir einzutrichtern. Relativ erfolgreich hatte ich für diesen kurzen Moment meine Trauer verdrängen können und konnte nun meine Umgebung wieder klar erkennen.

Die erschöpfte Stille, die in der Luft zu hängen schien, begann mich plötzlich zu beunruhigen und die aufgestiegene Unruhe schien mich Schritt für Schritt erdrücken zu wollen. Ich seufzte und drückte mich schützend weiter in den weichen, mit blauem Stoff überzogenen Sitz hinein.

Eine Weile galt meine Aufmerksamkeit dem unregelmäßigen Rattern. Es wurde durch die Unebenheiten im Asphalt verursacht und brachte den Bus zum Rumpeln und Vibrieren.

Später wendete ich mich der Beobachtung anderer Passagiere zu. Viele waren mit ihren Handys beschäftigt und nahmen ihr Umfeld nur bedingt war. Andere wiederum sahen erschöpft aus dem Fenster oder waren in ihren eigenen Gedanken gefangen und fixierten mit leerem Blick einen beliebigen Punkt.

Die Tatsache, dass mich niemand zu beachten schien beruhigte mich ungemein. Erneut ließ ich meine Augen prüfend durch das stickige Fahrzeug gleiten. Zustimmung machte sich in mir breit. Jeder einzelne waren mit sich selbst beschäftigt.

Ansonsten wäre vielleicht jemand auf die Idee gekommen, dass mit mir etwas nicht stimmte. Aber war das so richtig? Mit mir war doch alles vollkommen in Ordnung. Nichts außer meiner bedrückten Stimmung deutete auf eine Unebenheit meines Selbst hin.

Der Bus stoppte abrupt und ich wurde leicht nach vorne gedrückt. Keine Sekunde später versank mein Rücken wieder behutsam im weichen Sitz. Mein Herz begann schneller zu schlagen als ich dunkle Silhouetten außerhalb des Fahrzeugs ausfindig machen konnte.

Ich versuchte etwas außerhalb des Busses zu erkennen. Vergebens. Zum starken Regen war ein dicker, grauer Nebelschleier hinzugekommen. Der Nebel hatte alles in weiterer Entfernung verschluckt.

Eine unangenehme Gänsehaut überzog meine blasse Haut. Schlagartig begann ich zu frieren und ein leichter Druck in meiner Brust machte sich bemerkbar. Panisch schnappte ich nach Luft. Unter Druck versuchte ich meinen verängstigten Körper zu beruhigen.

Doch erst als der Bus sich langsam wieder in Bewegung setzte konnte ich mich zunehmend entspannen. Schlussendlich bekam ich wieder uneingeschränkt Luft und meine Lungen füllten sich dankbar mit dem zuvor abhandengekommenen Sauerstoff.

Es war niemand den ich kannte eingestiegen. Sie hatten mich noch nicht gefunden und hoffentlich würde das für die nächste Zeit auch so bleiben.

TeufelswerkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt