🌹 Someone you loved 🌹

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„Sie hat mich nie gebeten ein paar Worte zu sagen. Eigentlich ist das ja auch nicht unsere wunderbare deutsche Art. Ich glaube, diese Trauerreden stammen ursprünglich aus Amerika. Sie wissen schon, diese langen Reden vor dem Sarg. Man fasst noch einmal das perfekte Leben des Verstorbenen zusammen. Man sammelt ein paar gute Taten und schiebt sie dann mit den unglaublichen Hürden im Leben dieses armen Menschen zusammen. Am Ende ergibt sich eine traurige Geschichte, die jeden zu Tränen rührt. Aber das ist ja auch nicht weiter schlimm, denn es weinen sowieso schon alle. Da macht die eine Träne mehr auch nichts mehr aus. Oder vielleicht doch, wenn es die erste wäre. Aber ich bin mir sicher, das war sie nicht."

Ich schaue in die Gesichter der Menschen, die ebenfalls heute hier erschienen sind. Sie erwarten von mir die wahrlich gut gewählten Worte zum Abschied einer guten Freundin. Welche gut gewählten Worte sollten das denn bitte sein? 

„Um jetzt mal ehrlich zu sein, und nicht auf den Namen anzuspielen, hat sie gar nicht mit mir darüber gesprochen. Bis zu dem Tag wusste ich nichts von ihrem Vorhaben. Bis dahin habe ich mir immer wieder gesagt, dass alles gut werden wird. Oder vielleicht sogar schon war? Tag für Tag hielt ich mich an dem Gedanken fest, dass sich alles ‚normal' anfühlt. Und was sich so anfühlt, das ist dann auch so. Für mich war ‚gut' drin, wo ‚gut' draufstand. Weshalb sollte ich das noch einmal kontrollieren? Weshalb sollte ich mich nicht mit diesem ‚gut' abfinden und aufhören tiefer zu graben? Aus den Augen, aus dem Sinn. Oder etwa nicht?"

Es regnet nicht. Typisches Wetter für eine Beerdigung ist Regen. Dann hat das Ganze noch etwas mehr Charme und man spürt die Dramatik. Es ist ein Mensch gestorben. Er hat uns verlassen und er wird nie wieder zurückkehren. Vielleicht ist er nicht verloren, aber unser Kontakt zu ihm ist eingeschränkt. Ob sie die strahlende Sonne bestellt hat? Weil sie endlich glücklich ist und es uns allen zeigen möchte? Oder weil sie vielleicht nicht möchte, dass wir so unendlich weinen? 

„Mit ihr habe ich in der kurzen Zeit, die wir hatten, über einiges sprechen können. Völlig unvoreingenommen und frei konnten wir stundenlang über jedes Thema sprechen. Natürlich dauerte es etwas, bis wir uns unsere dunkelsten Geheimnisse anvertrauten. Aber als das Eis gebrochen war, da konnten wir uns echt blind vertrauen. Ich meine, es wäre eines Abends gewesen. Wir saßen irgendwo in unserer Wohnung und sprachen plötzlich über Beerdigungen. Verstehen Sie das bitte nicht falsch. Wir haben uns weder lustig gemacht oder Pläne geschmiedet. Wir fanden beide, dass dies ein Thema sei mit dem man sich irgendwann beschäftigen muss. Also, warum dürften wir nicht auch darüber sprechen? Und so erzählten wir uns gegenseitig von unseren Wünschen. Ich erklärte ihr, dass ich sehr gern im Meer verstreut werden würde. Ihr war es egal, wie oder wo sie dann wäre. Selbst als ich ihr sarkastisch vorschlug, dass ich sie in eine Sanduhr packen wollen würde, schien sie das nicht zu kümmern. Das einzige, dass ich mir unbedingt merken sollte, war wie sie sich die Beerdigung vorstellte."

Definitiv nicht so. Überall weinende Menschen, Taschentücher werden gezückt. Immer wieder schluchzt jemand und putzt sich die Nase. Menschen schauen betreten zu Boden und keiner lächelt. Natürlich ist diese trübe Stimmung dem Anlass geschuldet, doch bei diesem strahlenden Sonnenschein könnte man sich doch mal zu einem Lächeln hinreißen lassen. Ach, was verlange ich da bloß? Das schließlich eine Beerdigung und kein Kindergeburtstag! 

„Sie hat sich keine traurige Beerdigung gewünscht. Als wir da saßen, da sagte sie mir, dass sie sich eine fröhliche Feier wünsche. Zuerst war ich vermutlich genauso verwirrt, wie Sie hier. Aber dann konnte sie es mir erklären. Wir sollten nicht um ihren Verlust trauern und weinen. Sie sagte mir, dass es ihr wichtig sei, ihr Leben und ihr Sein zu feiern. Keiner sollte in Schwarz auftauchen. Keiner sollte weinen. Keiner sollte in der Vergangenheit über sie sprechen. Sie ist der Meinung, dass sie immer noch bei uns sei. Wir sollten uns nicht von den Schuldgefühlen zerfressen lassen. Wir sollten ein fröhliches Fest feiern. Mit all den wunderschönen Erinnerungen an sie. Die Höhen, die wir mit ihr erleben durften. Für mich klingt das ebenso unverständlich und unmöglich, wie für viele denen ich diese Idee erzählt habe. Aber es ist möglich."

Mit wenigen geübten Handgriffen habe ich mein schwarzes Sakko ausgezogen und bringe darunter meine rote Lederjacke zum Vorschein. Ein Staunen und Raunen geht durch die Anwesenden. Aber was soll ich machen? 

Ich habe mich geöffnet und dann hast du mir den Boden unter den Füßen weggezogen. 

Ich habe mich irgendwie daran gewöhnt, jemand zu sein, den du liebst."


~  Kelly Jones  ~

2000 – 2018


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