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Es ist der schlimmste Tag meines Lebens. Ich habe immer gehofft, dass dieser Tag nie kommen wird. Doch jetzt werde ich eines Besseren belehrt. Ich kann es immer noch nicht glauben. Wie konnte es nur soweit kommen? Ich muss auf ganzer Linie versagt haben! Ich habe mir immer vorgenommen ein guter Mensch zu sein. Ein guter Vater. Ein guter Ehemann. Und ich war mir auch sicher, dass ich das immer war. Klar, mit meinem Beruf konnte ich nicht bei jeder Schulaufführung dabei sein. Ich war zu vielen Schulprojekten nicht da. Aber ich habe immer versucht ein guter Vater zu sein. Habe mich oft gemeldet, immer geschrieben und Fotos geschickt. Ob das genug war? Ich habe gerade das Gefühl, ich hätte mehr machen müssen. Mich mehr kümmern müssen. Das ist alles meine Schuld, wenn ich öfter Zuhause gewesen wäre, dann hätte ich eher reagiert und gehandelt. Aber so? So kann ich nur noch zuschauen und verzweifelt zu Boden sinken. Natürlich nicht vor allen anderen. Ich bin doch stark und mich bringt so leicht nichts in schwitzen.

Ich war auf alles vorbereitet. Auf wirklich alles. Oder zumindest habe ich mir das immer gesagt. Ich habe mir immer gesagt: Andreas, alles was im Leben kommt wirst du schaffen. Jeder, der dich runtermachen will, dem zeigst du aus welchem Holz du bist. Du schaffst alles, was du willst. In den Shows erzähle ich ja nicht umsonst, dass man alle Hindernisse im Leben mit Magie überwinden kann. Ich glaube auch daran. Aber im Augenblick wäre ich der Magie sehr dankbar, wenn sie mich verschwinden ließe. Einfach mal kurz weg, einmal Luft holen. Durchatmen und dann überlegen, ob das hier wirklich passiert. Ich versuche es schon die ganze Zeit irgendwie logisch zu erklären. Dass ich einen Unfall hatte und dies hier nun eine andere Realität ist. Vielleicht soll diese mir zeigen, wie das Leben hätte laufen können. Aber ich hätte niemals gedacht, dass es soweit kommen könnte. Ich habe es zwar immer im Hinterkopf gehabt, aber dass es wirklich so passiert...? Ich glaube, dafür bin ich noch nicht bereit. Ich meine, dafür ist man wahrscheinlich niemals bereit. Aber jetzt bin ich eben noch weniger bereit, als man das niemals sein kann. Verstanden? Das geht einfach so nicht. Niemals! Das werde ich nicht zulassen, auch wenn ich das dumme Gefühl habe, dass ich da nicht mitreden kann.

Auf der anderen Seite soll man offen für neue Dinge sein. Nicht voreingenommen sich an Dinge heran tasten. Man sollte nicht sofort mit dem Schlimmsten rechnen. Auch wenn es hier schon zutrifft. Ganz schlimm! Dafür muss eine neue Skala erfunden werden. Aber man sollte sich immer zuerst anschauen, was da kommt und dann hinterher kann man in Panik verfallen. Vielleicht vertausche ich hier die Reihenfolge, aber das ist egal! Ich meine, was soll ich machen? Ich bin der Situation hilflos ausgeliefert. Vor diesem Problem stehe ich ganz allein und niemand kann mir helfen. Ich meine, trotzdem muss man den Dingen im Leben eine Chance geben. Und ich bin auch bereit das zu versuchen. Sicherlich, das wird zwar schwer, aber...

Nein, Andreas! Reiß dich zusammen. Du wusstest das dieser Tag kommen wird, also mach dir nichts vor. Es ist einfach so und es ist besser sich damit jetzt abzufinden. So vermeidet man unnötige Komplikationen im weiteren Verlauf dieser schlimmen Tatsache. Dennoch kann ich trotzdem nur den Kopf schütteln. Ich bin sprachlos. Verzweifelt, hilflos. Und meine Frau steht nur daneben, sie lächelt auch noch! Wie kann das sein? Versteht sie nicht den Ernst der Lage? Das ist eine ernste Krise. Ich weiß nicht was ich machen soll.

„Papa?", spricht mich jemand an. Ich zucke zusammen, erwache aus meiner Schockstarre und sehe meine Tochter verwundert an. „Bitte?", murmle ich. Sie lacht mich fröhlich an. „Darf er jetzt hier schlafen?", fragt Annika mich erneut. Ich verziehe das Gesicht. „Annika...", beginne ich. Du bist erst fünfzehn, du solltest mit deinen Puppen spielen! Genieße dein Leben, treffe dich mit Freundinnen. Geh meinetwegen shoppen oder mach was auch immer du willst. „Schatz, du musst ihr schon antworten.", mischt Lene sich ein und lächelt mich vielsagend an. Ich hole tief Luft. „Wenn es dich glücklich macht, meine Kleine...", sage ich dann und beiße die Zähne fest zusammen. „Aber klar, ich sage ihm dann eben Bescheid, damit er reinkommen kann.", freut sie sich und hüpft dann fröhlich davon. Ich reiße die Augen auf. „Was? Steht der Kerl etwa schon vor unserer Tür?", stoße ich aus und fahre mir mit den Händen durchs Gesicht. „Bitte, Andreas, es ist ihr erster Freund...", versucht Lene mich zu beruhigen. Aber wie kann das nur so ruhig sehen?

„Ja, der erste...", erkläre ich und füge still hinzu: Und der Letzte hoffentlich. Lene lacht. „Warte bis du ihn kennengelernt hast. Und friss ihn bitte nicht sofort. Meine Eltern brauchten auch Zeit, bis dich akzeptiert haben.", sagt Lene. Ich schlucke und schaue sie dann verwundert an. „Was heißt denn hier akzeptieren? Klar, ich akzeptiere ihn. Wenn er genügend Abstand zu meiner Tochter hält. Und das mit deinen Eltern ist jawohl etwas ganz anderes. Schließlich waren wir schon älter....", versuche ich den Ernst der Lage zu erklären. „Da kommen sie schon...", freut sich Lene und schon steht ein junger Mann vor mich. Also, einer der mal ein Mann werden möchte. Optisch ja ganz nett, aber der Kleidungsstil vielleicht... „Guten Tag, ich bin Robin, der Freund.", stellt er sich freundlich vor und reicht mir seine Hand. Ich lächle und sage dann:

„Hallo, ich bin Andreas, der Vater."

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