Als Ruby Jerry am nächsten Morgen, am Tag nach dem Vorfall auf der Gray Farm, mit einem höflichen "Hallo" begrüsste, hätte er nicht mehr überrascht sein können, als wenn Anne plötzlich ihre unsterbliche Liebe für Gilbert Blythe zugegeben hätte.
Im laufe des Tages wurde Jerry bewusst, dass sie ihn nicht mehr mit derselben Verachtung behandelte wie gestern. Jerry war völlig verblüfft von ihrem freundlichen plappern, als sie Mr. Cuthbert halfen, die Herbsternte einzubringen. Der Grund war, nachdem Jerry ihr womöglich das Leben gerettet hatte, Ruby entschied, dass es äusserst unfair sein würde, ihn wie sonst zu behandeln.Er war vielleicht ein Knecht, aber Jerry war derjenige, der sie aus der Gefahrenzone geschubst hatte, als es niemand sonst hatte. Gilbert, den Ruby in jeder Sichtweise für heldenhaft hielt, war zu sehr beschäftigt gewesen, mit Anne zu reden, um Ruby zu Hilfe zu kommen. Jerry Baynard schien für Ruby ein untypischer Held zu sein, aber seine Handlungen waren die eines Helden, und das war unbestreitbar.
Da sie nur noch wenige Tage zeit hatte, bevor Ruby ihren Aufsatz vor der Klasse vorlesen musste, schlug Jerry vor, es noch einmal mit dem melken zu versuchen. Ruby war weniger von der Idee begeistert, begleitete Jerry aber trotzdem in die Scheune.
"Es ist nicht so schwer, wenn mal einmal den Dreh raus hat", sagte Jerry, als er sich neben den Melkstuhl von Lillian setzte.
Ruby setzte sich und griff nach einem Euter. In ihrer Abneigung gegen diese Aufgabe war Rubys Haltung faul und überhaupt nicht fokussiert. Wenn sie nicht aufpasste, würde sie sich wieder mit Milch bespritzen. Jerry wollte nicht, dass sie einen erneuten Zusammenbruch hatte, und griff schnell ein.
Er hockte sich neben sie und führte ihre Hand in die richtige Position. "Eher so." Er liess ihre Hand los.
Ruby drückte zaghaft und ihr Gesicht leuchtete auf, als die Milch den Boden des Eimers traf. Sie sah ihn erfreut an. "Ich hab es geschafft!"
Er stand grinsend auf und sagte: "Siehst du? Es ist nicht so schwer."
Jerry beobachtete, wie Ruby in den Rhythmus des Melkens kam, und als er zufrieden war, da sie es unter Kontrolle hatte, sagte er: "Ich glaube, ich habe Mr. Cuthberts Kutsche gehört. Ich sollte das Tor öffnen gehen."
Als er die Scheune verliess fügte er hinzu: "Weisst du, du würdest ein guter Knecht sein." Er blieb in der Tür stehen und sah zurück zu Ruby. "Und ich meine das als ein Kompliment."
Jerry ging zu früh weg, um das kleine Lächeln zu sehen, dass Ruby nicht unterdrücken konnte.
Als Ruby mit der Aufgabe fertig war, war sie zu Recht stolz, als sie den vollen Eimer Milch ins Haus trug. Genauso wie Jerry, der seine zweite Melkstunde für erfolgreich hielt.
Wie bei allem im Leben ist es umso einfacher, je mehr man es tut, und so war es auch bei der Farmarbeit, bei der Ruby Jerry unterstützt hatte. Bald schien es auf Green Gables keine Aufgaben zu geben, die Ruby Gillis noch nicht probiert hatte - was bedeutete, dass sie nun, da sie das nötige wissen besass, nun an der Zeit war, ihren Aufsatz zu schreiben. Am Tag nach ihrem Melkerfolg, sass Ruby in der Green Gables Scheune auf einem Heuhaufen und war damit beschäftigt, zu schreiben. Jerry war in der Nähe und arbeitete an den Kutschenrädern der Cuthberts.
Ruby tippte nachdenklich mit ihrer Feder auf ihr Kinn, als sie auf das starrte, was sie bis jetzt geschrieben hatte. Sie sah vom Blatt zu Jerry, der mit dem Kutschenrad beschäftigt war, zögerte und fragte dann: "Jerry, weisst du, wo Anne ist?"
Jerry sah das Mädchen von unterhalb seiner Mütze an."Nein, wieso?"
"Ich hatte gehofft, dass sie mir bei meinem Aufsatz helfen könnte." Ruby sah wieder auf ihren Aufsatz. "Anne kann sehr gut mit Wörtern umgehen."
"Vielleicht kann ich helfen." Jerry stand auf und näherte sich Ruby.
Sie sah ihn zweifelnd an. "Aber- aber- du kannst nicht lesen!" rutschte es ihr heraus.
"Ich habe es gelernt", sagte Jerry.
Überrascht reicht Ruby Jerry ihren Aufsatz. Sie war ziemlich ängstlich, als Jerrys Augen langsam die Seite überfliegen. Sie hatte nicht viel Vertrauen in ihre Schreibfähigkeiten.
Während Jerry las, formten seine Lippen lautlos die Worte, wie es Anfänger tun. Es dauerte länger als durchschnittlich, um die wenigen Absätze zu lesen, aber das Wichtigste war, dass er es gelesen hatte.
"Fertig", sagte Jerry als er vom Papier aufsah. In seiner Stimme konnte man Stolz heraus hören. "Mit welchem Teil brauchst du Hilfe?"
"Mit dem letzten Teil", sagte Ruby.
Jerry sass neben Ruby auf dem Heu. Beide lehnten den Kopf nach vorne, damit sie einen besseren Blick auf den Aufsatz hatten.
"Dieser Teil?" fragte Jerry und tippte auf die letzte Zeile.
"Ja." Ruby nickte.
Jerry las laut vor: "Ich sehe jetzt, dass das Leben eines Knechtes sehr lebhaft ist."
Die letzte Zeile hing für einen Moment in der Luft, dann sagte Jerry: "Halte ich für gut."
"Es ist zu abrupt", sagte Ruby ärgerlich. "Wenn nur Anne hier wäre! Sie wüsste, was ich schreiben soll!"
"Aber es ist dein Aufsatz." Jerry sah Ruby vorsichtig aus seinen braunen Augen an. "Glaubst du nicht, du solltest schreiben, was du schreiben würdest? Anne würde etwas zu blumiges einsetzen wollen und dann würde deine Lehrerin wissen, dass es sie war."
Ruby seufzte. "Ich denke das ist wahr."
"Vielleicht könntest du einen anderen Ansatz ausprobieren", schlug Jerry vor. "Wie zu beispiel 'die Aufgaben eines Knechtes..."
"Das ist gut!" sagte Jerry grinsend.
Ruby kritzelte es eifrig nieder. Als sie fertig war, sah sie zu Jerry auf, der neben ihr sass.
"Wie hast du lesen gelernt?" fragte Ruby.
"Ich lerne es noch", sagte Jerry. "Aber Anne bringt es mir bei. Sie ist eine bessere Lehrerin, als du vielleicht denkst."
Wie aufs Stichwort kam Anne in die Scheune gelaufen.
"Ruby? Oh, da bist du! Ruby, dein Vater kommt um dich abzuholen."
Ruby sprang hastig neben Jerry auf. Sie sammelte ihr Blatt, Feder und Tinte und steckte es in einen Korb, den sie mitgebracht hatte.
Sie ging mit Anne mit, wandte sich dann abrupt an Jerry. "Danke für die Hilfe", sagte sie höflich.
Jerry nickte. "Ich sehe dich dann morgen."
Als Anne und Ruby die Scheune verliessen, fragte Anne mit einem 'beiläufigem Ton': "Worüber habt ihr gesprochen, als ich hereinkam?" Sie sah ihre Freundin verstohlen an.
Ruby sagte schnell: "Nur über meinen Aufsatz."
Es war die Wahrheit, also wusste Ruby, dass es keinen Sinn machte, da sie das Gefühl hatte, etwas vor Anne zu verbergen.
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The Hired Boy Ruby Gillis Jerry Baynard German Translation
RomanceRuby Gillis hat immer darauf bestanden das sie sich niemals, wirklich niemals, in einen Lohnarbeiter verlieben würde. "Es wäre zu demütigend," meint Ruby. Aber manchmal laufen Dinge im Leben nicht so wie du es geplant hast Anne With An E (Dies ist...