13. Juni
„Also?", hakte sein Gegenüber nach.
„Also was?"
„Bist du so nett und zündest mir meine Zigarette an? Bitte?"
—Eigentlich wollt Jeongguk verneinen, doch irgendetwas in ihm sagte, er solle es tun. Es würde ihm ja nicht schaden. Wie falsch seine innere Stimme doch lag.
„Na gut.", seufzte er und betätigte das Rädchen, dass die Flamme entfachen sollte. „Komm schon her." Freudig klatschte der andere in die Hände und nahm die tödliche Mischung wieder in den Mund. Enthusiastisch hielt er Jeongguk seinen Kopf hin, woraufhin dieser eine Flamme entfachte und die Kippe anzündete.
Dass die Flamme nicht das Einzige war, was in diesem Moment entfacht wurde, wusste er damals noch nicht. Wie sollte er auch? Nichts an dieser Situation wirkte falsch. Nichts deutete auf die bevorstehende Katastrophe hin, die nicht nur Jeongguks Gefühle sonder auch sein Weltansicht durcheinander bringen würde.
Nein, in diesem Moment fühlte es sich nicht falsch an, einem Fremden seine Zigarette anzuzünden oder ihn dabei zu beobachten, wie er an der Wand lehnte und bei jedem Ausatmen der Giftstoffe seinen Kopf in den Nacken legte. Es fühlte sich nicht falsch an, sich neben ihn an die Wand zu lehnen und somit ebenfalls den tödlichen Rauch einzuatmen, der seine Lungen füllte und ein kratziges Gefühl hinterließ. Und es fühlte sich sicher nicht falsch an, bei ihm zu bleiben, obwohl es keinen guten Grund dafür gab. Es fühlte sich einfach nur richtig an in dem Moment. Und Jeongguk war ein Mensch, der eher auf sein Herz als seinen Verstand vertraute.
„Eigentlich hätte ich gar kein Feuerzeug gebraucht.", unterbrach der Mann neben ihm die Stille und zog erneut an dem Lungengift. Jeongguk sah ihn fragend an. „Du bist heiß genug, du hättest die Zigarette ganz leicht anbekommen.", beendete er seinen Satz und fing an zu grinsen wie ein Blöder. Jeongguk jedoch warf genervt stöhnend seinen Kopf in den Nacken und rollte mit den Augen. „Der war echt schlecht,..."
„Taehyung.", nannte der nun nicht mehr ganz so Fremde seinen Namen und sein Blick ruhte nun auf Jeongguk, völlig eingenommen von dessen Schönheit im Licht der Straßenlaternen. Jeongguk lächelte vor sich hin, schien den Blick des anderen nicht zu bemerken, bis dieser sich räusperte: "Und wie heißt du, Kleiner?"
"Jeongguk.", antwortete dieser etwas peinlich berührt. Wie hatte er vergessen können, sich auch noch vorzustellen?
Doch Taehyung schien das nicht zu stören. Er grinste nur amüsiert und zog ein weiteres Mal an seiner Zigarette, die schon halb aufgeraucht war."Jeongguk.", wiederholte er den Namen und lies ihn auf seiner Zunge zergehen wie Schokolade. "Gefällt mir.", fügte er lächelnd hinzu und betrachtete den Jungen weiter. "Sag mal, Jeongguk, wie alt bist du? Du siehst noch ziemlich jung aus.", redete Taehyung weiter, woraufhin der Jüngere anfing, nervös mit seinen Fingern zu spielen. "Ich bin 17.", murmelte er. Taehyung hob überrascht die Augenbrauen: "17, huh? Wie zur Hölle bist du denn dann in den Club reingekommen? Soweit ich weiß, ist der erst ab 18."
Jeongguk grinste kurz und sah Taehyung kopfschüttelnd an. "Lange und unglaublich dumme Geschichte.", versuchte er der Frage auszuweichen, denn das, was er und seine Freunde ihren "Plan" nannten, war so undurchdacht und bescheuert gewesen, dass es Jeongguk schon ein wenig peinlich war.
"Also ich hab Zeit", sprach Taehyung, "und ich hab Kippen, also schieß los! So dumm kann es doch gar nicht sein."Während er auf Jeongguk einredete, nahm er ihm sein Feuerzeug aus der Hand und zündete sich seine zweite Zigarette an. Die Luft um die beiden war von Rauch durchzogen und Jeongguk hatte langsam Mühe zu atmen. Er war diesen Dreck nicht gewohnt, doch er sagte nichts und fing stattdessen an, zu erzählen.
"Also ich bin mit zwei Freunden hier. Der eine, Seokjin, geht öfters Mal feiern und das hier ist sowas wie sein Stammclub. Deswegen kennt er auch die ganzen Tührsteher und weiß circa, wer wann Aufsicht hat. Einer von den Tührstehern ist sehgeschädigt, auf beiden Augen, und da hielt es Seokjin für eine gute Idee, den reinzulegen. Er hat also, in seiner ganzen Kreativität, einen scheiß Filzstift genommen und mein Geburtsjahr auf meinem Schülerausweis geändert, so, dass ich offiziell 18 bin. Und der Türsteher hat es entweder nicht gesehen oder ignoriert. Ich weiß, wie bescheuert das klingt und - "
Weiter kam er nicht, denn er wurde von Taehyungs schallendem Lachen unterbrochen. Der andere lehnte neben Jeongguk an der Wand und krümmte sich vor Lachen. Er unterbrach sich einige Male selbst, da er husten musste und Jeongguk hatte keinen Plan, was er tun sollte. So lustig fand er die Geschichte gar nicht, eigentlich nur bescheuert, doch Taehyungs Lachen war so ansteckend, dass er anfing, zu grinsen, während der andere sich immer noch nicht eingekriegt hatte.
So ging das noch eine Weile, mindestens zwei Minuten, die sie nur nebeneinander standen und sich angrinsten. Wie zwei bekiffte Idioten. Taehyung atmete einmal hörbar ein und aus und schüttelte, immer noch grinsend den Kopf. "Ach, Jeongguk. Das war echt komplett dämlich." "Ich weiß.", sagte der Schüler amüsiert.
"Du bist echt interessant, weißt du das?", sprach der Ältere weiter und zertrat die glühende Zigarette am Boden. "Naja, eigentlich war das ja die Idee von Seokjin und nicht meine.", erwiderte Jeongguk, doch Taehyung schüttelte nur den Kopf. "Das meinte ich auch nicht. Also nicht ganz." Er schwieg kurz und Jeongguk beobachtete die Menschen, die an ihnen vorüber liefen.
Pärchen, Freunde, aber auch einzelne Personen passierten sie, die meisten davon nicht mehr ganz klar im Kopf. Sie torkelten grölend und jubelnd in die Nacht, ohne jegliche Ahnung, wo es sie hinführen würde. Nicht anders fühlte sich Jeongguk schon sein ganzes Leben lang. Er hatte nie gewusst, was er später werden wollte, hatte nie gewusst, ob er ein Haus oder eine Familie oder einen Hund wollte.
Während andere Kinder genau wussten, was sie wollten, hatte er nur vor sich hin geträumt und nie den Sinn darin gesehen, jetzt schon Pläne für seine Zukunft zu machen.
Was sollte das schließlich bringen?
Er wäre in ein paar Jahren eh anderer Meinung. Außerdem hatte er noch mehr als genug Zeit. Bis dahin hätte er sicher einen Plan.Doch den hatte er nicht. Ganz und gar nicht. Weder von seinem Leben noch seiner Zukunft. Doch im Gegensatz zu den Betrunkenen zerbrach er sich den Kopf darüber. Tag für Tag wurde der Druck größer. Nacht für Nacht wurde Jeongguk klar, dass er nicht weiter in seiner Traumwelt leben konnte. Er hatte noch genau ein Jahr, um sich zu entscheiden, und er wusste jetzt schon, dass die Zeit nicht reichen würde. Das tat sie doch nie.
Er wurde aus seinen Gedanken gerissen als Taehyung ihn von der Seite anstieß. "Komm mit.", sagte er und stieß sich von der Wand ab, um in Richtung Stadtzentrum zu laufen. Verdattert blieb Jeongguk stehen, denn er wusste nicht, was er tun sollte. Nach ein paar Metern drehte sich Taehyung um und musterte den Jüngeren fragend.
"Kommst du?", fragte er, doch Jeongguk legte nur den Kopf schief.
"Wo willst du denn hin?"
"Dich näher kennen lernen. Wir können zu mir, oder in den Park oder keine Ahnung. Irgendwohin, wo wir ungestört sind.", erklärte Taehyung sein Vorhaben und strich sich durch die Haare.Spätestens da läuteten bei Jeongguk die Alarmglocken. Gehe nie mit Fremden mit!, hörte er die Stimme seiner Mutter in seinem Kopf. Sie hatte immer gewusst, wie leichtgläubig und naiv ihr Sohn doch war, weshalb sie ihm den Satz eingeflößt hatte wie Honig. Und die klebrige Masse war hängen geblieben.
"Ich...ich kann nicht.", setzte Jeongguk an und alles in ihm begann zu kribbeln. Taehyung hob eine Augenbraue und kam wieder zu Jeongguk zurück, doch etwas war anders. Das war nicht mehr der Taehyung von eben.
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strawberries and cigarettes ᵗᵃᵉᵍᵍᵘᵏ
Fanfiction»But strawberries and cigarettes always taste like you« Risiko. Eines der Dinge, die in Jeongguks Leben nicht existierten. Umso faszinierter ist er, als er auf Kim Taehyung stößt, der das Risiko praktisch verkörpert. Jeongguk sah ihn als seine Chanc...