15.Juni
Jetzt musste Jeongguk nur einen Weg finden, seinen Eltern zu entfliehen und unbemerkt von hier abzuhauen. Doch er hatte schon einen Plan.
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Jeongguk sah den Ablauf schon genau vor seinen Augen. Jetzt musste er ihn nur noch in die Tat umsetzten. Doch das würde er schaffen. Er wollte zu Taehyung, um jeden Preis. Auch wenn er dafür etwas tun musste, was er sehr, sehr ungern tat.
Lügen.
Er war schon immer ein ehrliches Kind gewesen, so hatten ihn seine Eltern erzogen. Wenn er zu spät kam, dachte er sich keine Ausreden aus. Wenn er etwas kaputt gemacht hatte, ging er zu seinen Eltern und gestand es ihnen. Das erste Mal, als er bewusst gelogen hatte, war für ihn der schrecklichste Moment in seiner Kindheit gewesen.
Er war gerade einmal neun gewesen und seine Tante hatte Hochzeit gefeiert. Er hatte die meisten Leute dort nicht gekannt und als ihm von einem Verwandten des Bräutigams ein Glas Alkohol angeboten wurde, hatte er es, in seiner kindlichen Naivität, ohne zu zögern, angenommen und ausgetrunken. Der Alkohol zeigte bei dem Neunjährigen natürlich seine Wirkung und als ihn seine Eltern am nächsten Tag fragten, ob er was zu sich genommen hätte, wurde er panisch und verneinte. Doch das schlechte Gewissen fraß den kleinen Jeongguk auf und so beichtete er seinen Eltern, unter Tränen, seine Lüge.
Den enttäuschten Blick hatte er bis heute nicht vergessen und seit diesem Tag an hatte er weder seine Eltern großartig belogen, noch Alkohol angefasst.
Doch jetzt, nach acht Jahren, war er drauf und dran, seine Vorsätze über den Haufen zu werfen, und seine Eltern anzulügen. Für Taehyung.
Alles für Taehyung.
Jeongguk tapste zurück ins Wohnzimmer und tippte seinem Vater auf die Schulter. Der schreckte hoch, als ob er geschlafen hätte, und drehte sich mit müdem Blick zu seinem Sohn um.
"Du, Papa, ich glaub ich geh ins Bett. Ich hab morgen noch was vor und Kinderpsychologe werde ich heute sicher nicht.", nuschelte er schläfrig und fuhr sich durch die Haare, um diese etwas zu zerzausen.Sein Vater nickte bestätigend und gähnte: "Gute Idee, Jeongguk. Ich mach mich auch auf den Weg ins Bett." Jeongguks Mutter nickte bestätigend, schaltete den Fernseher aus und setzte sich auf, bevor sie ihren Sohn fragend ansah. "Willst du zuerst ins Bad oder darf ich?"
Jeongguk deutete, dass sie zu erst dürfe und als seine Eltern in ihre Bäder verschwunden waren, flitze er hoch in sein Zimmer und riss den Kleiderschrank auf. Was konnte anziehen? Was konnte er bloß anziehen?
Er begann, zwischen seinen Klamotten zu wühlen, dock kam nach einer Weile zu dem Beschluss, dass man seine Garderobe verbrennen sollte. Mit seinen alten Tagebüchern zusammen. Frustriert ließ er sich auf den Boden fallen und starrte in das Chaos aus Oberteilen, Hosen und Unterwäsche. Er hatte einfach nichts zum Anziehen, dabei dachte er, dieses Problem hätten nur Mädchen.
Was würde Taehyung jetzt denken? Er sah erbärmlich aus.
Es klopfte an seiner Tür und von draußen hörte er seine Mutter, die ihm mitteilte, das Bad sei frei, bevor sich die Tür zum Schlafzimmer öffnete. Kurz danach folgte sein Vater und dann war alles still.
Ein Blick auf die Uhr verriet Jeongguk, dass er nicht mehr viel Zeit hatte. Hastig griff er sich einen schwarzen Hoodie und eine Jeans, streifte sich alles über und steckte sein Handy ein. Auf Zehenspitzen schlich er die Treppenstufen hinunter, bedacht darauf, keine Töne von sich zu geben.
Im Flur zog er sich eilig seine Schuhe an. Jetzt nur noch der Hausschlüssel. Er wollte ja irgendwie wieder reinkommen und klingeln zu müssen wäre ungünstig. Er griff nach dem Schlüssel, doch blieb dabei an seinem Einschulungsbild hängen, welches seit diesem Tag dort stand und ihn jeden morgen begrüßte.
Jeongguk versuchte, seinen Ärmel zu lösen, aber er drehte sich ungünstig und das Bild fiel scheppernd auf den Boden. Tausende kleine Scherben verteilten sich auf dem Boden und ließen ihn bedrohlich glitzern. Ein paar Sekunden später ging das Licht im oberen Flur an und Jeongguk hörte Schritte, die sich der Treppe näherten.
Verdammte Scheiße!
Panisch riss der Junge die Haustür auf, stürmte hinaus und schloss sie so leise wie möglich, bevor er die Beine in die Hand nahm und den Sprint seines Lebens hinlegte, um sich auf das Feld hinter ihrem Haus zu flüchten.
Das Bild auf dem Boden vergaß er völlig. Sein zersplittertes, sechsjähriges Ich lag zwischen seinen eigenen Scherben auf dem Boden, das unschuldige Gesicht entstellt von den Rissen, die sich durch das noch bestehende Glas zogen.
Jeongguk wusste es vielleicht noch nicht, doch es würde nie wieder so sein wie früher.
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strawberries and cigarettes ᵗᵃᵉᵍᵍᵘᵏ
Fanfiction»But strawberries and cigarettes always taste like you« Risiko. Eines der Dinge, die in Jeongguks Leben nicht existierten. Umso faszinierter ist er, als er auf Kim Taehyung stößt, der das Risiko praktisch verkörpert. Jeongguk sah ihn als seine Chanc...