"Beutebucht in Sicht!", kreischte die schrille Stimme des Goblin-Ausgucks über das Schiff und sicher noch weiter über das Wasser.
"Wurde auch mal Zeit.", stöhnte Sayana.
"Ach ja?" Leyria gähnte. "Wir sind doch erst seit drei Stunden wach."Es war neun Uhr morgens.
Um diese Zeit waren Quel'dorei gewohnterweise am Exerzieren...jedenfalls die, die einer militärischen Einheit angehörten.
Während Sayana nun also versuchte Leyria einem militärischen Rang oder überhaupt einer Klasse zuzuordnen, wunderte sich die Kriegerin, ob ihre Artsgenossin einfach eine Frühaufsteherin war wie die meisten der Frostmagier, die ihre Zauber gern mit Morgentau perfektionierten, oder eine Kriegsmagierin.
Tatsächlich hatte Sayana seit der Flucht aus Orgrimmar nicht einen Hauch Mana verbraucht."Ja.", erwiderte Sayana stirnrunzelnd und knuffte Leyria leicht, mehr als wolle sie die Rüstung auf etwas prüfen. "Sag mal, wenn ich so darüber nachdenke, diese Rüstung ist viel zu dunkel für thalassische Verhältnisse und auch keine Farbe, die man oft bei Kriegern erblickt. Bist du etwa eine schattenschleichende Kriegerin? Eine Abenteurerin gar?"
Bei Erwähnung des letzteren zog die Magierin eine Grimasse, die auf unangenehme Erinnerungen zu schließen ließ.
"In etwa. Ich bin eine SI:7-Dragonerin." Leyria lächelte verlegen. "Zu dumm aber auch. Diese Rüstung war für Tarnung. Das knallige Blau und Gold hätte mich schneller verraten."
"Dann nimm das nächste Mal rot-goldene Kleidung und pack eine Illusion über deine Augen. So giltst du sofort als Blutelfe."
"Ich bin in den arkanen Künsten nicht bewandert.", winkte Leyria ab. "Nicht mal Schwerter kann ich anständig schwingen."
"Waru- "
"Weil mir nichts anderes übrig blieb.", unterbrach Leyria die Magierin niedergeschlagen, starr geradeaus blickend auf die Landzunge am Horizont. "Ich war von Anfang an zu unbegabt fürs Schattenschleichen, noch treffe ich Zielscheiben mit Pfeil und Bogen. Das Licht wollte mich nicht. Paladin und Feldsanitäterin fielen so auch weg. Und Druiden? Die erste, lebensgefährliche Schwierigkeit liegt darin, in sich selbst nach den uralten nachtelfischen Wurzeln zu greifen, um so mit dem Druidismus zu beginnen."Sayana schwieg lange.
Dann räusperte sie sich. "Nun, ich bin nicht sicher, ob das hilft, aber du findest bald mit Sicherheit etwas, dass dir Spaß macht."
Leyria nickte seufzend. "Bestimmt. Na dann..." Sie wandte sich um und deutete wieder auf die Tür ins Innere des Schiffs. "...wir sollten die anderen wecken. Dann haben sie noch Zeit, etwas zu essen."
"Willst du diesen Knartschnasen echt noch was zu essen geben?"
"Aye.", grinste Leyria und Sayana stöhnte genervt.
"Ich kanns gar nicht erwarten, in Sturmwind anzukommen..."
"Glaub mir, ich auch nicht."•▪■▪•
In Beutebucht angekommen marschierte die Truppe geradewegs zum Flugmeister.
Ein paar Greifen sahen ihnen neugierig entgegen.
Der Zwerg jubelte leise ein 'Aye', als er sie sah, was seine Gefährten vermuten ließ, dass er einer der Aerie war.
Es wunderte Leyria nicht, wie ein solcher ein Gefangener werden konnte - man musste lediglich den Greifen vom Himmel schießen, auf dem der Zwerg ritt, und seine Verteidigung war offen.
Dennoch schien der Zwerg sich nicht von den Erinnerung herunterziehen zu lassen, denn er genoss den Flugwind eindeutig."Denkst du, er versteckt seine Gefühle hinter seinem ständigen 'Aye'?", fragte Sayana plötzlich, die vor Leyria im Sattel saß und die Zügel hielt, während die Kriegerin um sie herum am Sattelknauf Halt suchen musste.
"Das könnte gut sein." Leyria blinzelte, als Sayanas blaue Haare in ihr Gesicht peitschten. "Ich habe gehört, die Aerie haben eine enge Bindung zu ihren Greifen. Die meisten wachsen sogar gemeinsam auf."
Sayana ließ einen Ton hören, der auf ein trauriges Lächeln vermuten ließ. "Das erinnert mich an meine eigenen Verluste."
Als Leyria zu ihr aufsah, sah sie Schmerz durch die sonst so überheblichen Gesichtszüge blitzen und ihr eigenes Herz zog sich schmerzhaft zusammen. "Sprichst du von Arthas...?"
"Mh."
"Und Jaina?"
Sayana nickte.
"Du hattest Kontakte bei den Sunreavers?"
Erneutes Nicken.
Leyria schwieg entsetzt.
Sie selbst hatte bei Arthas' Angriff viel verloren, wenn nicht sogar alles. Doch in Dalaran bei Jainas Rampage war niemand, den sie gekannt hatte, anwesend gewesen."Vergangenheit." Sayana straffte die Schultern und umgriff die Zügel fester. "Ich kann sie eh nicht ändern. Ich lebe mein Leben endlich, wie ich es wollte, nicht wie es jemand mir vorschreiben wollte."
"Du versuchst alles positiv zu sehen, nicht wahr?" Leyria lächelte schief. Sie selbst konnte das nicht.
"Wo wäre die Freude im Leben, wenn man das nicht tun würde?"
"Gute Frage."
Sayana lachte herzlich und klopfte dem Greifen gegen den Hals, der daraufhin ein lautes Kreischen von sich gab. "Wir sollten uns freuen, wieder frei zu sein. Außerdem..." Sie deutete gen Norden. "...sind wir sehr bald in Sturmwind."Leyria lächelte vorfreudig, als Sayana ihr und den anderen Flüchtlingen über die Schulter erwartungsvolle Blicke zuwarf, doch kaum hatte sie sich wieder nach vorn gedreht, ließ die Kriegerin ihr Lächeln fallen.
Sayanas Erwähnung von den eigenen Verlusten schlug auf einmal wieder auf sie zurück, und den Rest des Fluges verbrachte Leyria nur noch damit, die Tränen und die Manasucht zurückzudrängen, die sie plötzlich zu überfallen drohte.
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Dear twin brother...
FanfictionAls Kriegsgefangene der Horde zu Garrosh Hellscreams Herrschaftszeiten ist es Sayana Springstrider und Leyria Riverflow klar, dass sie dessen Territorien nicht mehr lebend verlassen werden - denken sie. Denn - nicht wirklich unerwarteterweise - erfa...