"Wir sprechen morgen." Der Hauptmann der Einheit drehte auf dem Absatz um und verschwand im nächsten Raum.
Leyria schüttelte schwach den Kopf, ihre negativen Gedanken verdrängend, als sie nach der Türklinke griff und diese vorsichtig hinunterdrückte, leise den Raum betretend.Nicht anders erwartet war dieser in warmen Kerzenschein getaucht, und Bücher über das Licht in einem Kreis auf dem Boden gelegt, vor jedem je eine junge Frau im Alter von Mitte zwanzig.
Als eine die Holzlatten leise knarren hörte, sah sie auf...und ließ einen überraschten Laut über ihre Lippen kommen. "Leyria!""Hallöchen.", erwiderte sie schwach lächelnd und ließ sich bei ihren Freundinnen auf dem Boden nieder.
"Was beim Licht ist bitte geschehen, dass du erst jetzt zurückkehrst?", fragte die jüngste, eine Menschenfrau mit kurzen blonden Haaren und grau-blauen Augen.
"Ich hab mich für die falsche Tarnung entschieden.", grinste Leyria, während sie von zwei Seiten von zwei Elfen, die eine thalassisch, die andere darnassisch, heftig gedrückt wurde. "Die Wyvernreiter haben mich fast sofort entdeckt. Seitdem war ich in einen netten Käfig gesperrt und lebe nur noch dank einer Frostmagierin."
"Glück im Unglück.", kommentierte die Kal'dorei lachend. "Du wurdest doch nicht gefoltert, oder?"
Leyria schüttelte den Kopf.
"Auch nicht von sonderlichen Epidemien angesteckt?", hakte die Quel'dorei mit hochgezogener Augenbraue nach.
Erneutes Kopfschütteln.
"Dann ist ja gut." Die Menschenfrau, Hanna, stand auf, zog die Vorhänge zu und schlug die Bettdecke von Leyrias Bett beiseite. "Du bist sicher todmüde. Ruh dich erstmal aus."Wie auf Kommando gähnte Leyria, legte die Rüstung ab und kroch direkt und in Unterwäsche unter die warme Decke.
Noch bevor sie einschlief, holte sie der Gedanke an den Troll wieder ein.•▪■▪•
Eine plötzlich aufkommende Brise ließ sie straucheln und ihre langen Haare wild herumwirbelnd.
Die Zähne zusammenbeißend stemmte sie sich gegen den Wind und atmete tief ein, als sie endlich Dalarans erstes Gebäude erreicht hatte.
Nur noch ein bisschen...Mit einem leisen Lachen wischte Sayana sich über die Augen, die Müdigkeit sehnlichst von sich wünschend, dann ging sie weiter.
Dalaran war gerade ruhig geworden.
Die Wachen wechselten, die Bewohner betraten ihre Häuser.
Das Geräusch von Gelächter und aneinander schlagenden Kelchen aus dem Zauberkästchen.Sayana seufzte, als sie endlich den Violetten Turm betrat.
Die Treppe hatte sie ihre gesamte letzte Kraft gekostet.
Sie sah um sich.
Der Rat der Sechs befand sich doch immer hier, nicht wahr?
Nun, vielleicht waren auch sie schlafen gegangen.Schulterzuckend schlurfte sie zu einer Bank und legte sich dort nieder.
Sie würde morgen schon sehen, wie es weiterging...•▪■▪•
Matthias Shaw entließ sie mit einem knappen Nicken zu ihren Freundinnen, die schon aufgeregt und mit einem Zettel vom Schwarzen Brett vor der Tür lungerten.
Hanna grinste breit und hielt ihr den Zettel vor die Nase.
Leyria nahm ihn und seufzte lächelnd.
Ein weiterer Auftrag im Rotkammgebirge.
Orcs hatten wohl wieder eine Farm eingenommen."Tut mir leid, aber die letzten Wochen habe ich genug Orcs gesehen. Ihr könnt aber ohne mich gehen.", winkte sie müde ab.
"Verständlich, aber schade." Enadris, die Kal'dorei, nickte verständnisvoll und nahm den Zettel an sich. "Komm lieber erstmal wieder zu Kräften."
"Wir bringen dir ein Souvenir mit." Shia ließ ein teuflisches Grinsen auf ihre Lippen.
"Wehe.", betonte Leyria die Silben und zog die Augenbrauen zusammen. "Wehe. Ich will nicht nochmal eine insektenverseuchte Matratze verbrennen und bezahlen müssen."
"Warte, du musstest sie verbrennen und bezahlen?" Shia wurde blass und knabberte an der Fingerspitze ihres Zeigefingers, Schuldgefühle in ihrer gesamten Gestik und Mimik ausbreitend.
Leyria winkte schmunzelnd ab. "Alles halb so wild." Sie ließ ihre Hand sinken. "Na ja, solange du es nicht wieder machst."
Shia nickte heftig, Hanna und Enadris lachten laut auf.Wenig später waren ihre Freundinnen auch schon weg Richtung Seenhain und sie selbst in einem leichten Gewand bereit für einen entspannten Spaziergang durch Sturmwind.
Ihr Ziel war der Hafen.
Zwar war in ganz Sturmwind unglaublich viel Wasser, doch das Kanalwasser war nicht so schön, die Teiche plätscherten ganz leise...das Meer hingegen hatte einen einschläfernden Rhythmus.
Die Aussicht auf ein Meer statt auf einen Teich war ohnehin schöner...•▪■▪•
Sayana erwachte mit schmerzenden Gliedern.
Stöhnend stand sie auf und wunderte sich über die sie umgebende Kühle.
Regnete es etwa in Durotar?Moment.
Sie rieb sich die Augen und sah sich erneut um.
Nein, das war es wohl nicht.
Sie befand sich offenbar in Dalaran, draußen regnete es und der Violette Turm war wie eh und je sperrangelweit offen.
Die Kirin Tor waren wohl gerade aufgestanden, denn kaum dass sie sich aufgesetzt hatte ertönten Schritte mehrerer Leute.Tatsächlich war es der Rat der Sechs.
Sayana sprang freudig auf und erntete sofort irritierte Blicke von den Erzmagiern.
"Springstrider!", rief Khadgar aus. "Ihr...Wann...Wo...?"
"Ein Troll hat mich und alle anderen Kriegsgefangenen freigelassen.", erklärte sie sich grinsend.
Ihr Mentor hatte wohl nicht erwartet, sie lebendig wiederzusehen.
"Seid der Horde ja nicht dankbar dafür.", schnaufte Jaina Proudmoore. "Bei der nächsten Gelegenheit fallen sie Euch in den Rücken."
"Verzeiht mir, dass ich widerspreche, Lady Proudmoore, aber wem sollte ich sonst danken? Dem Schicksal nicht, dem Licht auch nicht...und die Allianz scherte sich nicht um uns." Sayana sah die Erzmagierin herausfordernd an.Was konnte die Horde schon für die Dummheit ihres Vaters?
Ihre Erlebnisse ließen sich nicht auf alle Hordler zurückführen und der bloße Gedanke, dass jeder in der Horde gleich war, zeugte von Jainas bissigem Egoismus."Hellscream war wichtiger in dem Moment.", redete sie sich heraus.
"Wie wichtig wäre er wohl geworden, wenn er die Geiselkarte aus dem Ärmel gezogen hätte? Die Situation hätte brenzlig werden können." Sayana schüttelte ungläubig den Kopf. "Demnach solltet selbst Ihr dem Troll dankbar sein."
"Hmpf.", machte Jaina und stöckelte davon."Mir wäre weit wohler, wenn ihr euch nicht bei jedem Wiedersehen zoffen würdet...", meinte Khadgar seufzend.
"Sie schreit förmlich nach Disziplinierung, und wenn es kein anderer tut, dann übernehme ich das nur zu gern." Sayana stöhnte genervt. "Sie ist sich wohl nur nicht bewusst, was sie mir und vielen anderen Hochelfen angetan hat. Meinen Respekt kann sie sich nicht verdienen, selbst wenn sie Quel'Thalas in der Zukunft retten würde."Modera rollte mit den Augen.
"Ich schlage vor, Ihr geht erstmal zurück in Eure Wohnung und ruht Euch aus." Kalec machte einen Schritt nach vorn, seine ausgestreckte Hand arkane Funken versprühend. "Ab morgen könnt Ihr dann wieder für Missionen oder andere Ereignisse antreten."
Sayana zog eine Flunsch, als sie Kalecs Hand ergriff und von ihm in ihre Wohnung teleportiert wurde.Der Blaue Aspekt verharrte noch eine geraume Weile, dann räusperte er sich vernehmlich. "Ist etwas vorgefallen?"
"Dies und das." Schamlos entledigte Sayana sich ihrer Kleidung und zog sich gemütlichere Sachen an, eine kurze Hose mit einem bauchfreien Oberteil.
"Nicht nur." Kalec schien etwas gemerkt zu haben. "Eure Gedanken sind woanders. Wo?"
"Ist das von Belang?"
"Wenn ich richtig vermute, denke ich, dass es nicht gerade positiv aufgenommen werden wird."
"Was vermutet Ihr denn?"
"Gefühle.", schoss Kalec mit seiner Antwort heraus und beäugte sie entschuldigend. "Für den Troll."
"Ich bin ihm nur dankbar.", winkte Sayana ab. "Ich kenne weder seinen Namen, noch schert mich dieser. Die Hauptsache ist doch, dass ich wieder zuhause bin."
Kalec schmunzelte und verschwand mit einer leisen Verabschiedung.Sayana warf sich auf ihr Bett und schloss die Augen.
Ihre Sinne tasteten ihre Umgebung ab.
Nein, der Drache hatte keine Magiereste hinterlassen, mit denen er sie beobachten konnte.
Sie seufzte erleichtert und drehte sich auf die Seite.Sie?
Gefühle für einen Troll?
Einen Hordler?
Lächerlich.Nicht wahr...?
DU LIEST GERADE
Dear twin brother...
FanfictionAls Kriegsgefangene der Horde zu Garrosh Hellscreams Herrschaftszeiten ist es Sayana Springstrider und Leyria Riverflow klar, dass sie dessen Territorien nicht mehr lebend verlassen werden - denken sie. Denn - nicht wirklich unerwarteterweise - erfa...