•▪■Kapitel 1■▪•

12 1 4
                                    

"Wäre jetzt nicht der perfekte Zeitpunkt, um zu verschwinden?" Sayana tippte sich ans Kinn, den einen Ellenbogen auf die andere Hand gestützt, als das Klirren von Waffen und das Klappern von Rüstungen das Tal der Stärke erfüllte.
"Du magst dir das vielleicht zweimal überlegen..." Der Zwerg deutete auf einen Kor'kron-Schamanen, der an der Reihe von Käfigen patrouillierte.
"Oh, immer diese kleinen dreimal verdammten Bastarde...!", fluchte Sayana und ließ sich nun auch auf den Boden fallen, ihre eisige Aura ausbreitend, für die Leyria so dankbar war, dass sie ihre Schüchternheit beiseite geschoben hatte, um die Magierin bei schlechter Laune zu halten.

Wenn sie hier herauskam, würde sie es ihr erklären und sich entschuldigen, schließlich zehrte diese Ausgabe an Magie jeden Tag an Sayanas Kräften.
Auf der anderen Seite wäre die Kriegerin ohne sie längst gestorben.

Seufzend reckte Leyria den Kopf und entdeckte die Invasionstruppe - zweifellos alles Abenteurer, so unformiert wie sie kämpften, doch es war effektiv.
Sie stürmten die Festung Grommash, nur um wenig später wieder herauszulaufen und schlugen den nächstbesten Weg zur Gasse ein.
Was dort von Bedeutung sein sollte, wussten offensichtlich nur die Abenteurer und die wenigen allianzischen Anführer, die den Ersteren mit genug Abstand folgten, um es unbemerkt zu nennen.

Als auch diese verschwunden waren, folgten ein Taure und ein Troll, beide gekleidet wie Anführer ihrer Völker.
Im Schlepptau hatten auch sie Abenteurer, hordische allerdings.
Es wunderte Leyria, dass sich sogar Orcs gegen ihren Kriegshäuptling auflehnten und die Hordler den Allianzlern hinterherdackelten, obwohl Garrosh Hellscream eigentlich ein Problem der Horde war.

"Wer analysiert hier zu viel?" Sayana schnaubte spöttisch, als der Kor'kron-Schamane in eines der primitiven Häuser gegangen war, wohl um Schutz vor Durotars Mittagshitze zu suchen.
"Ich frage mich nur, warum wir nicht befreit werden. Sie haben uns doch sicher gesehen..."
"Die Allianz hat Vollpfosten wie Jaina und Tyrande geschickt, natürlich denken beide erst daran, die Horde zu zerschlagen, anstatt uns zu helfen." Die Magierin spuckte durch die Gitterstäbe und streckte die Beine aus, so gut es eben ging. "Manchmal sind sie halt idiotischer, als ich dachte."
"Aye...", stimmte ihr der Zwerg zu, der enttäuscht der Horde hinterhersah.
Tatsächlich hätte selbst Leyria von den Abenteurern der Horde erwartet, etwas humaner zu sein und sie aus diesen Käfigen zu lassen, in denen früher oder später eine Seuche ausbrechen könnte.

Doch keiner kehrte um, keiner befreite sie.

•▪■▪•

Es war schon dunkel, als die hordischen Abenteurer und die Anführer wieder durch Orgrimmar strömten und alle Kor'kron niedermetzelten.
Leichen wurden aus der Festung Grommash geschleppt, die Anführer darin versammelt...bis auf einer.
Der Troll, den sie bereits gesehen hatten, schlich in das Gebäude, in dem der Kor'kron-Schamane sich befand, und kehrte Sekunden später mit einem rostigen Schlüssel wieder zurück, die Gefangenen mitleidig musternd, bevor er eine Tür nach der anderen öffnete und ein paar Abenteurer anwies, die Flüchtenden nach draußen zu eskortieren und ihnen Waffen in die Hände zu drücken.

Sayana lächelte siegessicher, als sie einer Leiche einen Stab entzog und den nächsten Kor'kron niederstreckte, was Leyria ihr nicht übelnehmen konnte, denn sie fühlte dieselbe Genugtuung, nach jener Tortur ihre Knochen wieder bewegen zu können.
Der Troll verschwand wenig später dann auch wieder in der Festung und Leyria biss sich auf die Unterlippe, um nicht zurückzulaufen und ihm zu danken.
"Ayyyyeee!", brüllte der Zwerg, lachend mit einem Tauren-Abenteurer um die Wette kämpfend.
Mithilfe von herzlich schlechten Sprachkenntnissen riefen sie sich Zahlen zu, wie viele Kor'kron sie schon niedergemetzelt hätten.

"Willst du auch wetten?" Sayana tauchte wie aus dem Nichts neben ihr auf, als Leyria gerade den letzten um Gnade winselnden Kor'kron köpfte.
"Ich wette nicht." Die eisige Aura erzählte sogleich von dem Unmut der Magierin. "Nicht, wenn ich gerade nichts mehr wünsche als ein warmes Bad und ein frisches, mundgerechtes Mahl. Vielleicht laufen wir uns ja nochmal in Sturmwind über den Weg."
"Oh, darauf wette ich!" Die eisige Aura zurückziehend schwang sich Sayana auf ein bereitstehendes schneeweißes Pferd - woher all die Pferde kamen war wohl selbst den Hordlern schleierhaft - und wartete darauf, dass sich Leyria ebenfalls auf eines setzte, ihre Wahl war auf ein graues gefallen.

Letzten Endes spielte es sowieso keine Rolle, da die Pferde sofort lospreschten und das Tor von Dranosh'ar schon bald hinter ein paar Hügeln verschwinden ließen.

"Wohin reiten wir überhaupt?", wandte sich Leyria, verwundert über die Zielstrebigkeit der Herde, an Sayana.
"Ratchet.", grinste diese.

Dear twin brother...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt