•▪■Kapitel 9■▪•

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Der starke Duft nach frisch gekochtem Essen und Kaffee erfüllte das Zimmer, als Leyria aufwachte.

"Auch endlich wach?", ertönte Sayanas Stimme mit einem deutlichen Grinsen darin hörbar, als ihr Magen knurrte.
"Nein, tief und fest am Schlafen.", scherzte Leyria, streichelte vorsichtig das Ei, bevor sie sich aufsetzte. "Du bist offensichtlich schon eine Weile wach."
"Natürlich. Habe geschlafen wie ein Siebenschläfer." Dennoch entfloh ihr ein Gähnen. "Und komisch geträumt."
"Nämlich?" Leyria rollte aus dem Bett und ging zu ihrem Gepäck, um ein königsblaues Gewand heraus- und anzuziehen.
"Du, ich, Vol'jin...Gonk, Pa'ku und Bwonsamdi..." Sayana schüttelte sachte den Kopf. "Es war, als würden wir wirklich alle beieinander stehen."
"Ich weiß." Sie wandte sich der Magierin zu. "Ich hatte denselben Traum."
"Sag bloß..."
"Wieder eine Vision, denke ich mal." Leyria gesellte sich zu Sayana und nahm danken eine Tasse Kaffee an.

"Bwonsamdi hat mir ganz schön Angst eingejagt.", gab sie leise zu.
"Mir auch." Sayana nickte und sah aus einem der Fenster heraus. "Aber wen würde ein riesiges, lachendes Trollskelett, das urplötzlich irgendwo auftaucht, nicht erschrecken?"
"Vol'jin?", grinste Leyria und Sayanas Wangen wurden rot. Die ehemalige Dragonerin verdrehte die Augen. "Warum reagiere ich eigentlich nicht so, wenn ich seinen Namen höre?"
"Nun..." Sayana nahm einen weiteren Schluck, ihre Wangen noch immer von einer rosigen Farbe. "Wie gesagt hast du offenbar kein Band zu ihm. Das sagt jedenfalls Bwonsamdi."
"Ich hoffe nur, wir sehen ihn nicht so schnell wieder."
Sayana nickte zustimmend und stellte ihre Tasse zur Seite, stattdessen legte sie Gonks Gleve auf ihren Schoß.

Die Waffe war sehr offensichtlich aus Gold geschaffen, doch Gold war ein weit zu weiches Metall, um zu Waffen geschmiedet zu werden.
Sayana studierte die Beschaffenheit genau.
Entweder hatte Gonk diese Gleve gesegnet - sie konnte seine Magie deutlich in der Waffe spüren - oder sie sah nur wie aus Gold geschmiedet aus.
Im besten Fall war es sogar beides...

"Was denkst du, wie lange dauert es, bis das Ei schlüpft?", riss Leyria sie wieder aus ihren Gedanken.
"Normalaweise nach 'n paar Woch'n. Bei Pa'kus Eian bin ich mir nich so sicha. Vielleicht nur 'n paar Tage, wenn 's warm gehalt'n wird."
"Khaja!" Sayana schien überrascht, als die Trollin aus den Schatten trat. "Wie lange bist du schon hier?"
"Mittanacht."
"So lange?"
"Warum?", warf Leyria leise ein. "Du hättest den Schlaf doch sicher gebrauchen können."
"Was denkste, warum Elf'n früh aufsteh'n?", fragte Khaja zurück und gesellte sich zu ihnen.
Leyria zuckte mit den Schultern. "Weil wir es militärisch antrainiert bekommen?"
"Falsch." Khaja grinste schelmisch. "Ich hab Elf'n oft beobachtet und schon Neugeborene benehm'n sich so. 'S liegt Troll'n inna Natur un' Elf'n hab'n 's von 'n Gen'n. Unsan Gen'n, wohlbemerkt."
"Aber Mitternacht ist doch trotz allem weit zu früh.", konterte Sayana.
Khaja rollte mit den Augen. "In eura Vision habt ihr laut geredet. Ich dacht, ich geh hin un' beobachte euch. So habt ihr 'n Beweis, wenn die Dunkelspeere euch als Ketza bezeichnet. Natürlich werd ich nich mitkomm'n, sonst steh ich als Verräterin da. Ich lass mich aber jede Woche von mein'm Freund bericht'n un' komm dann auch."
"Wir schulden dir dann wohl etwas, Khaja."
"Ich brauch nix." Khaja wandte sich wieder ab. "Noch nich. Bin dann beim Untaricht. Ich denk nich, dass du komm'n wirst?"
"Gut gedacht.", grinste Sayana und schnalzte mit der Zunge.
Khaja grinste und ging.

"Wofür das Schnalzen?", fragte Leyria verwirrt.
"Khaja ist ein Raptor, keine Trollin."
"Bitte was?"
"Ihre Besitzerin, Zalani, gilt zurzeit als vermisst, und Khaja sucht sie in humanoider Form."
"Dann ist sie doch eine Druidin?"
"Nein, ein Raptor. Ihr Loa hat ihr aber diese Form gegeben, als er ihre Verzweiflung gespürt hat." Sayana zuckte mit den Schultern, als sei das selbstverständlich.
"Wer ist ihr Loa denn?"
"Normalerweise würde ich auf Gonk tippen, aber da sie gestern ja meinte, dass sie nur von ihrem Loa erzählen könnte, ist es dann entweder Rezan oder Jani. Rezan ist allerdings der Loa der Könige und Königinnen, das heißt, es bleibt nur Jani übrig."
Leyria legte den Kopf schief.
"Jani ist der Loa der Diebe."
"Na, das klingt dann doch mehr, als wäre sie hier gewesen, um die Geschenke zu stehlen."
"Khaja ist nicht wie Jani. Jani ist nur ihr Loa, weil sie eine Tochter von ihm ist. Wenn sie wirklich so wäre, hätte sie genauso gut zulassen können, dass wir beweislos zu den Echo Inseln gehen, als Ketzer exekutiert werden und die Sachen dann an sich nehmen.", konterte Sayana und stand nun auch auf. "Bedenke, dass sie für ihre Besitzerin gegen ihre Natur geht. Man kann ihr also wirklich vertrauen."

Leyria nickte stumm und gesellte sich zu dem Ei am Feuer und streichelte es vorsichtig.

Es verging eine Weile des Schweigens.

"Wobei ist ihre Besitzerin denn verschwunden?"
"Einer Mission im Schlingdornental. Sie wurde zuletzt in Begleitung eines gestrandeten Zandalari und eines Draeneis gesehen. Es kann also sein, dass sie entweder in Zandalar oder Allianzterritorium ist."
"Oder im Reich der Loa?", spielte Leyria vorsichtig auf ihren Tod an.
"Ausgeschlossen." Sayana drehte sich um und beäugte sie mit todernstem Blick. "Khaja hat eine Seelenverbundenheit mit Zalani. Sie spürt, dass sie noch lebt. Stichwort 'noch'."
"Wer weiß denn alles, dass Khaja ein Raptor ist?"
"So ziemlich jeder. War die Bedingung für ihre Aufnahme." Sayana winkte eilig ab. "Aber genug davon! Wir müssen uns vorbereiten. Taschen packen und dir etwas besorgen, was du in Durotar tragen kannst, ohne in den Sand zu beißen."

Leyria lachte und überließ es Sayana, die Liste mit den nötigen Gegenständen vorzubereiten.
Dennoch wurde sie den Gedanken nicht los, Zalani irgendwo schon einmal gesehen zu haben.

Dear twin brother...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt