•▪■Kapitel 7■▪•

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Nach einigen Stunden emsigen Palaverns stand Leyria wieder in Sturmwind, Sayana hatte versprochen, gegen Mitternacht auf dem Kathedralenplatz zu warten.

Schmunzelnd machte sie sich auf den Weg gen Altstadt, wo sich die SI:7-Unterkünfte befanden.
Sie wählte den direktesten Weg vom Magierviertel in diese Richtung und wunderte sich dabei, warum beim Sonnenbrunnen die Architekten nicht weit mehr Grün in der Stadt gelassen hatten.
Das Magierviertel war wunderschön - auch vom Park abgesehen das von Nachtelfen meistbesuchteste Viertel - während der Rest von Sturmwind anderen Kulturen eher die Haare zu Berge stehen ließ.

Wehmütig erinnerte Leyria sich an Silbermonds güldene Straßen, die rubinroten Dächer, den cremefarbenen Stein, den ewigen Frühling...
Sie vermisste ihre Heimat, ihre Familie, die sie verloren hatte.
Sayana ging es bestimmt auch so, aber sie schien sich besser fassen zu können.

Leyria seufzte und betrat mit zitternden Händen das Gebäude des SI:7 und klopfte sachte an die Tür von Matthias Shaws Zimmer.
Hier war sie nun.
Sie würde ihre Freundinnen zurücklassen...

Sie schluckte schwer, als sie nach dem strengen "Herein!" die Tür öffnete und hinter sich wieder schloss.
Sie setzte noch schnell eine entschlossene Miene auf und ging gedanklich die zusammengebastelte Begründung für ihren Abgang durch.

"Wie kann ich Euch helfen?", fragte Shaw, sie nachdenklich musternd.
"Verzeiht mir, dass es so plötzlich kommt, Sir." Leyria ging zwei Schritte weiter in den Raum. "Ich möchte das Militär verlassen."
Shaw zog eine Augenbraue hoch. "Ihr seid erst gestern zurückgekehrt. Ist etwas geschehen?"
"Indirekt, Sir. Es ist...Ich kann nicht zwei Kämpfe auf einmal bestreiten, Sir."
"Zwei Kämpfe?"
"Die Zeit als Kriegsgefangene der Horde hat mehr an meinem mentalen Kampf gerissen als selbst ich es hätte erwarten können." Leyria atmete einmal tief ein und aus. "Was ich sagen möchte, Sir, ist, dass ich mich mental nur schwer unter Kontrolle halten kann und mich deshalb als einfache Bürgerin diesem einen Kampf stellen möchte."
"Ihr scheint mir dennoch perfekt unter Kontrolle zu sein."
Leyria lächelte schwach und sie sah, dass daraufhin Erkenntnis durch Shaws Augen blitzte. "Jeder kann sich Masken aufsetzen, Sir."
"Ich verstehe." Shaw griff nach einer Feder, tauchte sie in königsblaue Tinte, notierte etwas in einem Aktenbuch und griff dann nach einem Pergament - ihrer Akte - und warf sie ins Feuer. "Ihr seid nun eine freie Bürgerin. Ihr dürft noch Eure Sachen packen und könnt dann gehen. Ich wünsche Euch viel Glück bei Eurem Kampf, Riverflow."
"Habt Dank." Leyria verbeugte sich und verließ dann den Raum, um schnellstmöglich ihre sieben Sachen zu packen.

•▪■▪•

Sayana wartete tatsächlich auf dem Kathedralenplatz.
Sie amüsierte ein paar Kinder des Waisenhauses mit magischen Spielchen und Eisskulpturen.
Als sie jedoch Leyria erblickte, scheuchte sie sie fort und kam ihr entgegen.

"Ich dachte, wir würden uns erst um Mitternacht hier treffen."
"Das dachte ich. Nun, dann kommen wir wohl um ein paar kalte Stunden herum." Sayana fuchtelte mit einer Hand durch die Luft und Leyria spürte starke arkane Energie, die an ihrem Körper vorbeizog.
"Was war das?"
"Ein Illusionsaufhebungszauber. Ich muss sicher gehen, dass man dir nicht misstraut hat und dich ersetzt, um etwas herauszufinden und eventuell durch falsche Deutungen eine Exekution heranzuholen." Die Magierin öffnete ein Portal nach Dalaran.

Sie befanden sich auf Krasus' Landeplatz und direkt vor Jaina Proudmoore.
Während Leyria mit einem kaum hörbaren "Verzeihung" zur Seite wich, starrte Sayana unverhohlen und mit vor der Brust verschränkten Armen zurück in die blau-grauen Augen der Kirin Tor.

"Es wundert mich, dass Ihr noch nicht grünäugig seid.", keifte Jaina und musterte Leyria. "Und in Begleitung einer Freundin, die es auch noch nicht ist. Sagt, ist es nicht schwer für Euch, Dalaran zu sehen?"
"Leider ja." Sayana packte Jaina grob am Kinn. "Aber nur weil eine Mörderin und Verräterin ihres eigenen Heimatlandes der Meinung war ihr geliebtes Monster nachzuahmen und meine sämtliche Familie umbringen musste.", zischte sie, Jaina mit einem unhöflichen Ruck freigebend.
Zorn funkelte in Jainas Augen und setzte zu einer Erwiderung an, doch Sayana schnitt ihr das Wort ab. "Ich bitte niemals um Verzeihung, wir müssen jetzt gehen."

Und schon waren sie um die nächste Ecke.

"Muss ich jetzt um mein Leben fürchten?" Leyria spitzte melancholisch die Lippen.
"Nein, keine Sorge. Jaina hält sich nur in Dalaran auf und sollte sie wieder anfangen, Leute zu töten, ist ihr Verbannung und vielleicht sogar Exekution sicher."
"Wie beruhigend."
"Ich danke für dein Vertrauen."
Leyria rollte mit den Augen. "Also, wann denkst du ist die Zeit reif, um zu gehen?"
"Wenn wir alles vorbereitet haben." Sayana führte sie ins Treppenhaus des Violetten Turms, welches sie zu ihrem Zimmer bringen würde. "Selbst wenn ich Illusionen über unsere Augen packe wird es hochriskant."
"Na ja, für die Loa ist es das wert, nicht wahr?" Leyria streichelte vorsichtig den Beutel mit dem Ei des Pterrordax. "Wenn wir ihnen das zeigen, werden sie uns sicher zuhören."
"Oder uns als Ketzer umbringen, weil sie denken werden, dass wir diese Dinge von den Loa gestohlen haben.", konterte die Frostmagierin monoton. "Trolle kann man diesbezüglich kaum vorausdeuten."

"Bezüglich was?", fragte eine raue Stimme neben ihnen plötzlich.
"Oh, anu'belore delah na, Khaja.", grüßte Sayana die hochgewachsene Trolldame, wohl ebenfalls Frostmagierin, die in der Tür ihres Zimmers stand und sie fragend ansah.
"Taz'dingo.", erwiderte sie leise. "Also, wie war das mit uns Troll'n?"
Leyria sah fragend zu Sayana.
Wenn sie die Chance hatten, sich jetzt auf die Echoinseln vorzubereiten, dann war es jetzt.
"Keine Sorge, Khaja kann man vertrauen." Sayana grinste. "Wenn du uns versprichst, uns nicht umzubringen, wenn wir dich einweihen, kannst du gern mit in mein Zimmer kommen und wir erklären dir das dann."
Khaja zuckte mit den Schultern. "Ich hoff' für euch, dass 's nix beleidigendes war."
"Nein, keine Sorge." Sayana öffnete die Tür direkt neben dem Zimmer der Trollmagierin und Khaja schloss sie hinter sich wieder.

Leyria legte vorsichtig den Beutel mit dem Ei auf dem verzerrten Sofa ab und dann ihr restliches Gepäck in einer Ecke des Raumes, sofern ein runder Raum Ecken besaß.
Khaja machte es sich auf der Fensterbank bequem und klopfte sich mit einer Faust gegen die Brust und hob sie dann neben ihren Kopf.
Von sehr wenigen Zusammentreffen mit Trollen wusste Leyria, dass dies ein Salut, eine respektvolle Begrüßung oder ein Versprechen bedeuten konnte.
Angesichts der Umstände versprach Khaja wohl gerade, sie nicht umzubringen.

Dear twin brother...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt