Bäume fegten an mir vorbei, Farne und Sträucher streiften mein rostrotes Fell, an manchen blieb sogar ein Fellbüschel hängen.
Die weiße Wölfin rannte vor mir. Normalerweise war ich auf meinen vier Pfoten sogar etwas schneller als sie, doch nun, da sie so aufgewühlt war, hatte ich alle Mühe, ihr durch die Wälder von Forks zu folgen. Die Bilder, die dabei durch ihren – und damit auch meinen – Kopf fegten, waren verzerrt und wechselten ständig. Mal sah ich ihre Mutter weinen, dann sah ich wieder ihren Vater mit Madeleines Freundin.
Natürlich hatte ich noch versucht, sie zu besänftigen. Ich hatte ihr gut zugeredet, schließlich konnte sie nicht zu hundert Prozent sicher sein, dass das, was sie zu sehen geglaubt hatte, auch wirklich so passiert war. Aber sie ließ sich nicht umstimmen und zugegebenermaßen war die Beweislast erdrückend. Wir sahen sie beide praktisch jeden Tag. Sie bei unseren Großeltern und Onkel Seth, ich bei meiner Mutter.
Kurz vor dem Anwesen verwandelten wir uns zurück und schnappten uns ein paar Kleider, die wir vorsorglich unter einem großen Stein in einer Plastiktüte platziert hatten. Wieder war sie schneller als ich. Ich humpelte ihr noch mit einem lose neben mir baumelnden Ärmel und ohne Schuhe nach, da war sie bereits fertig angezogen.
„Hey!“, rief ich, um sie zum Stehenbleiben zu bewegen, doch sie ignorierte mich und lief stattdessen stur weiter Richtung Haus. Eilig zog ich meinen Pullover fertig an, dann legte ich an Tempo zu und packte sie am Arm. „Stopp, stopp, stopp!“
Eine Mischung aus Wut und Trauer spiegelte sich in ihrem ansonsten nach wie vor überirdisch hübschen Gesicht wider, als sie sich umdrehte.
„Was hast du denn jetzt vor?“, wollte ich wissen.
„Da rein gehen und es meiner Mutter sagen!“, schrie sie fast. Tränen begannen ihr Gesicht herunterzulaufen, eine nach der anderen.
„Was?! Warum das denn? Willst du, dass sich deine Eltern noch schneller trennen?!“
„Natürlich nicht!“, erwiderte sie. „Aber sie hat ein Recht es zu wissen!“
„Dann lass es ihn ihr doch sagen“, schlug ich vor.
Sie schüttelte ungläubig den Kopf. „Was, wenn er es ihr nicht sagt?“
„Aber das ist doch eine Sache zwischen deinem Vater und deiner Mutter.“
„Ja, das war es. Aber jetzt wo ich dieses Wissen habe, kann ich es nicht einfach für mich behalten. Das wäre meiner Mum gegenüber nicht fair. Sie hat ein Recht darauf, es zu erfahren!“
Das waren ihre letzten Worte, ehe sie sich umdrehte und ins Haus ging.
Ich überlegte kurz, ihr unmittelbar zu folgen, vielleicht um doch noch irgendetwas zu retten, entschied mich aber dann dagegen und ging erstmal zurück, um mir ein Paar Schuhe anzuziehen. Es war schließlich, wie ich gesagt hatte, eine Sache zwischen ihren Eltern und nun möglicherweise auch ihre Sache, aber ganz bestimmt nicht meine. Auch wenn ich nicht wirklich von mir sagen konnte, dass ich nicht darin involviert war, schließlich bekam ich alles seit Wochen mit...Angefangen hatte es schon einen Tag, nachdem Anthony nach seinem Geständnis davongeflogen war. Ich hatte eigentlich angenommen, Luna würde sich in ihrem Zimmer verkriechen, doch sie war bereits am folgenden Tag wieder in der Schule – allerdings nicht des Lernstoffes wegen. Ihr Interesse galt ganz klar Chris. Und während Adrian mir gegenüber ziemlich verhalten war, seit ich ihn hatte sitzen lassen, kamen sich Chris und Luna zunehmend näher. Anthony war keine Woche fort, da waren sie in der Schule bereits als Paar bekannt.
„Wann willst du ihn denn deinen Eltern vorstellen?“, hatte ich sie in einer ruhigen Minute gefragt. Wir hatten gerade Mittagspause und saßen auf einer Bank auf dem Schulgelände.
Sie hatte mit den Achseln gezuckt. „Keine Ahnung. Meine Mum hat gerade andere Sorgen.“
- „Aber deine Eltern würden ihn bestimmt gerne kennenlernen.“
„Meine Eltern?!“, sie betonte das Wort und sah dabei etwas angewidert aus. „Mein Vater hat sich seit fast einer Woche nicht blicken lassen.“
Ich antwortete nichts darauf. Ich hatte nie einen Vater in meinem Leben gehabt und konnte daher nur vage erahnen, wie sie sich gerade fühlen musste, nun da ihrer plötzlich aus ihrem verschwunden war. Sie hatten eine derart enge Bindung gehabt, dass ich keinerlei Zweifel daran hatte, dass die gleichgültige Art, die sie seiner Abwesenheit gegenüber zeigte, nur eine Fassade und Chris nichts weiter als ein Versuch, sich abzulenken waren.
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Die Twilight Saga: Equinox (Fanfiction // #Wattys2015)
FanfictionEquinox (zu deutsch Tagundnachtgleiche) ist meine dritte Fangeschichte nach Rising Sun und Blood Moon und knüpft etwa 14 Jahre nach Blood Moon an: Ungewillt, ihre eigene Mutter als Lehrerin zu akzeptieren, besucht die junge Billy-Sue die Schule in F...