[Anthony] Jenseits des Diesseits

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Schönen Abend, meine Lieben,
zu aller erst, möchte ich euch ein großes Dankeschön für all die tollen Rückmeldungen zum letzten Kapitel aussprechen. 100 Reviews bei 100 Votes und 600 Views, sind schon eine sehr ordentliches Verhältnis. Für gewöhnlich hat man mehr Votes als Kommentare. Ihr habt mir gezeigt, dass es auch anders sein kann und darüber habe ich mich wahnsinnig gefreut. Wie ihr sehen könnt, hat's auch an Motivation nicht gehapert und das Kapitel ist zwar etwas kürzer ausgefallen, als ein paar Vorherige, kam dafür aber auch sehr viel schneller. Ich würde mich freuen, wenn ihr auch dieses Mal so fleißig kommentiert. Und jetzt: viel Spaß beim lesen und Taschentuch ahoi! :)


In dem Augenblick, in dem meine Tochter mich ansah, ehe sie aus dem Raum stürmte, spürte ich förmlich, wie etwas tief in mir zerbrach. Es war dieser Moment und die Angst, die ich verspürt hatte, als Billy wenig später vor mir stand, um mir zu sagen, dass Luna verschwunden war, die mir eines klar machte: die Prägung hatte keine Auswirkungen auf die Liebe, die ich für mein Kind spürte. Und für diese Erkenntnis war ich dankbar. Gleichzeitig verteufelte ich sie jedoch auch, denn nun war meine Tochter fort und ich wusste nicht, was als nächstes passieren würde.
Alles, was ich als Anhaltspunkt hatte, war Billys Bauchgefühl – und mein eigenes. Und das war gar nicht gut.
Schon als Bella auf meine Frage nach dem Geruch des Jungen zögerte, wusste ich es. Es gab für mich gar keinen Zweifel mehr. Und ich zweifelte auch zu keiner Sekunde an seinen Absichten. Er hatte bereits mehrere Vampire zu einem Haufen Asche zerbröselt, ehe er nach Forks gekommen war. Warum sollte er Luna verschonen wollen? Aus Liebe?
Nein, ich musste mein Kind finden, bevor der Tod es finden konnte. Und niemand, nicht Edward, nicht mein Vater und erst recht kein Glasfenster, würde mich davon abhalten können. Und so stieß ich sie alle von mir und ignorierte die blutigen Streifen, die die Scherben mir in die Haut schnitten. Sie waren ohnehin so schnell fort, wie sie gekommen waren. Meine Schuhe hatten eben erst das Gras vor unserem Anwesen berührt, da waren sie bereits verheilt.

Ich hatte keine Zeit gehabt, meine Nichte nach einem Anhaltspunkt zu fragen. Ich wusste im Grunde gar nicht, wo ich suchen sollte, also ging ich zum letzten Ort, an dem ich die beiden miteinander gesehen hatte: die Forks Middle School.
Keine fünf Minuten später, war ich schon fündig geworden. Lunas und Billys Gerüche, noch ganz frisch. Einige Meter waren ihre Wege identisch, dann gingen sie in verschiedene Richtungen.
Ich folgte dem süßlichen Geruch meiner Tochter bis zum alten Industriegebiet der Stadt. Fabrik an Fabrik reihte sich hier aneinander, alle längst verlassen und verstaubt. Der perfekte Ort für einen Mord. Mir rann ein kalter Schauer über den Rücken.

Plötzlich hörte ich ein Geräusch. Ich machte mich unsichtbar und eilte in die Richtung, aus der es gekommen war. Ich sah gerade noch wie der Kerl, den ich mit meiner Tochter hatte knutschen sehen, eines der baufälligen Gebäude verließ. Noch bevor die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, huschte ich hindurch. Erst als ich in der alten Schuhfabrik stand, ging sie hinter mir zu.
Nun da ich ihr so nah war, brauchte ich meine Nase gar nicht mehr. Instinktiv lief ich weiter – und als meine Augen sie erblickten, fühlte es sich an, als vergaß mein Herz einen Moment zu schlagen. Sie lag unter einem Tisch, reglos und ohne Bewusstsein. Ich machte mich wieder sichtbar und kniete mich neben sie. Vorsichtig, ganz vorsichtig, streichelte ich über ihre Wange und beugte mich über sie.
„Luna?“, flüsterte ich, doch sie reagierte nicht auf mich. „Luna! Luna! Luna!“, versuchte ich es noch einmal lauter. Wieder nichts. „Luna! Bitte, wach auf. Bitte!“ Ich legte meine Hände an ihr Gesicht und drehte ihren Kopf in meine Richtung.

Das leise, schmerzerfüllte Stöhnen, das sie dann von sich gab, warf mich direkt vierzehn Jahre in meinen Erinnerungen zurück. Damals hatte ich sie auch im Arm gehalten. Sie war eben erst geboren worden und doch war das Band, das dieses kleine Mädchen, dieses Baby, mit mir verband unfassbar fest gewesen. Ich hatte in ihre Augen gesehen und gewusst, dass sie das Wertvollste war, was ich jemals besitzen würde. Wertvoller noch, als mein eigenes Leben. „Hey, mein kleiner Mond“, hatte ich ihr zugeflüstert und sie hatte ihre kleinen Augen auf mich gerichtet und leise Geräusche von sich gegeben. „Ich werde immer für dich da sein. Immer. Du wirst niemals allein sein, oder Angst haben müssen, oder traurig sein. Solange ich lebe, werde ich dich beschützen.“ Und dieses Versprechen war ich gewillt zu halten.
„Daddy...“, hatte ich sie plötzlich sagen hören.
Erst jetzt realisierte ich, dass sie ihre Hand gehoben und sie an meine Wange gelegt hatte. Ich nahm sie in meine Hand und sprach leise zu ihr. „Ich bin hier.“ Sie hustete und ich war nicht sicher, ob sie mich verstanden hatte, also wiederholte ich es. „Ich bin hier.“ Dann küsste ich ihre Stirn, woraufhin sie ihre Augen ein wenig öffnete.
„W-wo bin ich?“, fragte sie und wollte aufstehen, war jedoch zu schwach, so dass ich ihren Hinterkopf stützte, um sie vorm Fallen zu bewahren.
„Ich weiß es nicht, aber das spielt keine Rolle, weil wir diesen Ort gleich verlassen werden“, sagte ich.

Die Twilight Saga: Equinox (Fanfiction // #Wattys2015)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt