Hallo meine Lieben,
nach dem das örtliche Unwetter die Veröffentlichung ein klein wenig verzögert hat, hab ich für euch nun 21 A4-Seiten neuen Lesestoff. Wie beim letzten Kapitel spreche ich auch hier eine Taschentuchwarnung aus. ;)
Der Großteil des Kapitels stellt eine Rückblende aus "Blood Moon" dar. Es gibt aber auch ein paar Szenen, die damals nicht genauer beschrieben wurden, nun aber Platz gefunden haben.
Wie immer freue ich mich am Ende des Kapitels über Kommentare und Votes und jetzt: viel Spaß beim lesen.Verwundert über das, was er da eben von sich gegeben hatte, sah ich ihm in die Augen. Als wäre es ihr Stichwort gewesen, verließ Luna ihren Platz hinter mir und stellte sich neben ihren Vater. Obwohl sie mich eigentlich zuvor umzingelt hatten, fühlte ich mich erst jetzt, da sie nebeneinander standen, in der Unterzahl. Als wäre es unmöglich, gegen dieses Vater-Tochter-Gespann anzukommen.
Und... ich fühlte mich allein. Unwillkürlich huschten meine Augen für den Bruchteil von Sekunden hinüber zu Daddys Grab, dann versuchte ich wieder, mit möglichst hartem Blick, Anthony und Luna zu fixieren.
„Wie?“, fragte ich kurz und bündig.
„Ich kann die Erinnerungen einer Person visualisieren, so dass eine andere Person sie sehen kann. Ich dringe dabei tief in das Gedächtnis ein. Es ist also nicht möglich die Visualisierung zu manipulieren.“
Das also war Lunas bis dato geheime Gabe. Bis vor kurzem hatte ich noch unbedingt wissen wollen, was es war, jetzt war mir diese Information ziemlich egal geworden. Viel mehr interessierte es mich nun, was mit Dad passiert war. Anthony hatte Recht, ich konnte nicht mit dem Bruchstück der Geschichte leben, dass Luna mir praktisch in ihrer Wut entgegen schrie. Ich wollte alles. Jedes Detail.
„In Ordnung“, gab ich schließlich meine Zustimmung.
„Danke, Billy“, sagte Anthony daraufhin.Eigentlich hatte ich gedacht, wir würden das einfach auf dem Friedhof machen, stattdessen lief ich wenig später mit Luna und Anthony bis tief in den Wald hinein. Als kaum noch etwas vom restlichen Tageslicht durch die Baumwipfel schien, begann ich Fragen zu stellen.
„Warum die Geheimniskrämerei?“
„Weil es zu viel Aufsehen erregen würde“, erklärte Luna.
„Warum? Sehen die anderen Leute das etwa auch?“
Luna schüttelte den Kopf und sah traurig zu Boden. „Nein, aber in dem Moment, in dem ich auf die Erinnerungen zugreife, durchlebt die Person, der sie gehören, all das erneut mit derselben Intensität wie zu der Zeit, als sie diese Erfahrungen gemacht hat. Dieselbe Freude, dasselbe Glücksgefühl oder derselbe Schmerz und dieselbe Trauer, je nachdem welcher Art die Erinnerung ist.“
So ganz wusste ich nicht, was mich da erwarten würde, aber irgendwie wurde mir bei ihren Worten noch mulmiger als mir ohnehin schon war. Wäre Anthony so kalt und berechnend, wie das Bild, dass ich mir von ihm durch Lunas Worte gemacht hatte, würde er sicherlich keine Reaktionen zeigen, wenn er alles nochmal durchmachen würde, oder nicht? Wir standen jedoch gerade mitten im Nirgendwo. Nicht einmal Vögel hörte ich, so einsam war es hier. Ich merkte, wie bereits jetzt etwas in mir zu bröckeln begann, dennoch konnte ich nicht auf diese Erinnerung verzichten.
„Okay“, sagte Anthony. „Hier ist es gut.“
Ja, mitten im Nirgendwo traf es gut.
Luna und ihr Vater setzten sich ins Laub. Ich tat es ihnen gleich.
Als sie ihre Hand ausstreckte, um sie an seine Wange zu legen, nahm er diese plötzlich in seine Hände und sah sie eindringlich an. „Luna, ich möchte dass du immer weiter machst, egal was passiert. Von meinem dreißigsten Geburtstag bis zu der Zerschlagung der Volturi.“
„Aber Dad-“, wollte sie erwidern, wurde jedoch von ihm unterbrochen.
„Egal. Was. Passiert.“
Lunas Augen füllten sich mit Tränen.
„Okay?“, fragte Anthony sanft.
Luna schürzte die Lippen, während zwei Tränen ihre blasse Haut hinunter liefen. „Okay.“
Ich sah kurz weg. Das war wirklich harter Tobak. Und das alles taten sie meinetwegen...
Luna hob die Hand und bat so stumm um die Erlaubnis, ihre andere Hand an meine Wange legen zu dürfen.
„Tut es weh?“, stellte ich eine letzte Frage.
Luna schüttelte traurig den Kopf. „Uns beiden nicht.“
Ich rückte zur Antwort einfach näher, dann schloss sie die Augen. Ich sah eben noch hinüber zu meinem Onkel, der nun ebenfalls die Augen geschlossen hatte, da spürte ich einen seltsamen Sog – und stand im nächsten Moment in einem Flur.
Es war ein seltsames Gefühl, ich sah die Sonne von draußen hereinscheinen, ich sah meine Füße auf dem Boden stehen, doch ich spürte weder die Wärme der Sonne, noch den Boden. Ich konnte nicht sagen, ob er hart oder weich war. Und es schienen, zu meiner Verwunderung, tatsächlich meine Füße zu sein, nicht Anthonys, so als stünde ich einfach so in seinen Erinnerungen herum. Der Äußere Rand meines Blickfeldes war verschwommen, als sähe ich ihn durch Milchglas. Das Zentrum war mehr oder weniger klar.
Als ich dann eine Art Kinderkichern hörte, stellte ich fest, dass auch Geräusche etwas dumpf klangen, jedoch gleichzeitig ein wenig widerhallten. Die Urheber des Kicherns, zwei kleine Kinder, stürmten im nächsten Moment an mir vorbei und rannten ins nächste Zimmer. Ich konnte sie kaum richtig sehen, da waren sie schon wieder weg. Erst als ich sie im Nebenzimmer stehen sah, erkannte ich, dass es sich um meine Geschwister handeln musste. Ich hatte Bilder aus ihrer Kindheit gesehen, doch der eindeutigste Beweis dafür, waren die Personen neben ihnen: mein Vater, lebendig und warm lächelnd, und meine Mutter, mit einem ebenso zarten Lächeln auf den Lippen. Ihre Hand hatte sie schützend auf ihren runden Bauch gelegt. Ich war hier gewesen, in diesem Raum, zusammen mit meinem Vater! Es fühlte sich an, als würde ich mich daran erinnern, dass es so gewesen war, obwohl ich keine Erinnerung an diese Zeit hatte.
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Die Twilight Saga: Equinox (Fanfiction // #Wattys2015)
FanficEquinox (zu deutsch Tagundnachtgleiche) ist meine dritte Fangeschichte nach Rising Sun und Blood Moon und knüpft etwa 14 Jahre nach Blood Moon an: Ungewillt, ihre eigene Mutter als Lehrerin zu akzeptieren, besucht die junge Billy-Sue die Schule in F...