Papa Wochende

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Nico

Nicos Mutter strafte ihn mit wütenden Blicken während des Mittagessens. Nico ignorierte diese so gut er konnte. Nach dem Essen ließ er seinen Teller stehen und rannte auf sein Zimmer. Dort packte er seine Tasche. Plötzlich stand seine Mutter in der Tür:"Du, musst gar nicht weiter packen. Wir müssen uns erstmal unterhalten.", kündigte sie streng an. "Nein, wir müssen zu Papa. Der wartet.", entgegnete Nico und packte weiter seinen Rucksack für das Wochenende. "Ich werde dich nicht fahren, solange wir uns nicht unterhalten haben.", warnte sie.
"Na und?, dann laufe ich halt den Weg?", brüllte Nico. Er schnappte sich seinen Rucksack, griff vorsichtig den Lego-Todesstern und eilte aus dem Haus. Er wusste, dass er Stunden für den Weg brauchte, doch das war ihm um einiges lieber, als von seiner Mutter wegen der Schule bestraft zu werden. Nach etwa fünfzehn Minuten, parkte ein Auto kurz vor ihm. Es war das Auto seiner Mutter. Sie öffnete ihr Fenster und forderte ihn kühl auf sofort ins Auto zu steigen. Er setzte sich auf den Beifahrersitz. "Jetzt bekommst du Ärger von Mama", trällerte Tobias fröhlich. Obwohl er eigentlich gar keinen Streit mochte, manchmal weinte er sogar, wenn seine Mutter Nico anschrie, freute er sich wenn Nico Ärger bekam. "Über die Schule reden wir Sonntag Abend", erklärte sie "jetzt müssen wir erstmal darüber sprechen, dass du nicht einfach wegrennen kannst." "Kann ich doch!",unterbrach Nico seine Mutter  "du kannst mir nicht verbieten meinen Papa zu treffen. Ich habe da das Recht zu und ich werde es auch immer wieder machen."
"darüber sprechen wir noch, mein Freund", zischte seine Mutter streng. Auf der restlichen Fahrt plapperte Tobias heiter von der Schule.
In der Einfahrt wäre Nico beinahe aus dem noch fahrenden Auto gesprungen, seine Mutter stoppte das rollende Auto abrupt. Er eilte auf die Haustür zu und klingelte mehrfach.  Sein Vater machte sofort die Tür auf und nahm Nico in den Arm. "Hallo, mein Großer", begrüßte er seinen Sohn. Tobias und seine Mutter folgten ihm langsam. Nico war  schon lange seinem Zimmer verschwunden, als seine Mutter ihrem Ex-Mann die Medikamente und Nicos Kram gab, den hatte er im Auto vergessen. "Am Montag müssen wir dringend reden, kannst du dir da frei nehmen?", fragte sie bitter. "Passt dir 16 Uhr?".
Sie nickte. "Und denk dran, dass Nico seine Hausaufgaben macht.",erinnerte sie, bevor sie das Haus verließ.
Peter kam mit dem Todesstern in der Hand und dem Rucksack auf der Schulter in Nicos Zimmer.
"Klasse, du hast ihn fertig bekommen", lobte er ind deutete auf den Todesstern.
"Fahren wir dann in den Legostore, damit ich etwas neues aufsuchen kann?",drängelte Nico aufgeregt. "Heute nicht Großer,"sagte er. Er rief Tobias. Als er auch bei Nico im Zimmer stand, erklärte Peter:"Ich muss nochmal kurz ins Büro. Ich beeile mich. Tobi, du bleibst im Haus und Nico du hast noch Hausaufgaben auf, hat Mama gesagt." Nico rollte mit den Augen. Er suchte seine Hefte aus dem Rucksack und setzte sich unten an den Esstisch. Nach einer halben hatte er keine Lust mehr. Dabei waren bisher nur die Deutschaufgaben und die Hälfte der Matheaufgaben geschafft. Er rief Tobias und ging mit ihm in den riesigen Garten. Während Nico auf dem riesigen Trampolin sprang, spielte Tobias auf dem Klettergerüst. Nico probte einen vorwärts Salto. Plötzlich stand Tobias vor dem Trampolin und staunte. "Ich will auch!", sagte er und kletterte zu Nico. Einen Salto traute er seinem Bruder nicht zu. Vor allem keinen vorwärts Salto. Stattdessen zeigte er ihm, wie er sich auf den Hintern plumpsen ließ und ohne sich aufzustützen aufstand. Tobias lachte laut und ließ sich auch direkt fallen. Doch er kam nicht hoch. Da lachte er noch lauter. "Wie machst du das?",quikte er heiter.
"Ganz einfach", sagte Nico und machte es nochmal vor.
"Sag, wie man das macht!", verlangte Tobias quengelig. Nico erklärte es und die beiden hopsten lachend auf dem Trampolin herum. Irgendwann kam ihr Vater. "Jungs ab in die Dusche und dann bestellen wir Pizza!". Mit einem Satz war Tobias vom Trampolin verschwunden. "Dusche, erster!",sagte er und rannte zur Dusche. Peter schaute ihm nach:"komm du auch, ich  schaue, dass dein Bruder das Bad nicht unter Wasser setzt." Damit folgte er Tobias ins Badezimmer.
Nico sprang noch eine Weile, bevor er auch unter die Dusche huschte.
Gemeinsam spielten die drei Uno Junior und aßen Pizza. Irgendwann brachte Peter Tobias unter Protest ins Bett. Nico durfte noch wach bleiben und gemeinsam schauten sie einen Krimi. Nicos Mutter würde das niemals erlauben, obwohl es dafür gar keine Altersbegrenzung gab. Nach einer Folge, wurde er auch ins Bett geschickt.
Beim Frühstück am nächsten Morgen fragte Nico erneut nach dem Legostore. "Ihr könnt alleine fahren, ich muss nochmal ins Büro", schlug Peter vor. Dann gab er Nico eine Kreditkarte.
"Den Weg mit der U-Bahn kennst du noch?", vergewisserte er sich. Nico nickte. Er half seinemVater dabei den Tisch abzudecken. In der Küche flüsterte er:"Muss ich meine Tabletten nehmen?". Sein Vater schüttelte den Kopf. Nico merkte zwar, dass er mit den Tabletten nicht so hibbelig war und in der Schule besser zuhören konnte. Zudem brauchte er für die Aufgaben viel weniger Zeit. Doch die Tabletten sorgten auch dafür, dass er keinen Hunger hatte und dauerhaft einen trockenen Mund hatte, das nervte ihn. Sein Vater wusste das. Er erkannte auch, wie gut ihm die Tabletten halfen. Trotzdem war er nicht besonders begeistert davon seinem zwölf Jahre alten Sohn Psychopharmaka zu verabreichen. Der behandelnde Kinderpsychiater informierte sie darüber, dass gelegentliche Pausen, um zu prüfen, ob die Medikamente noch notwendig waren, durchgeführt werden sollten.
"Wir machen einen Auslasversuch", sagte Peter und zwinkerte.
Kurz danach ging er ins Büro. Er wünschte seinen Söhnen viel Spaß und sagte, dass er sich auf den Abend freute. Tobias kam kurz darauf mit einem kleinen Rucksack zu Nico ins Zimmer:"Ohh, du bist ja noch gar nicht angezogen.", stellte er dort enttäuscht fest. Er hatte recht. Nico war vollkommen verträumt und hatte vergessen sich fertig zu machen. Eine Stunde später liefen sie endlich zur Haltestelle. "Wir haben heute gar keine Zähne geputz", berichtete Tobias fröhlich. Nico schlug sich die Hand gegen die Stirn. "Oh Mist. Ich habe es vergessen. Hast du dran gedacht?", fragte er. Tobias lachte:"klar, aber du nicht."
"Verpetz es nur nicht",warnte Nico und kitzelte seinen kleinen Bruder. "Bloß nicht!", entgegnete er.
Nico kannte den Weg in die Stadt, trotzdem verpassten sie die Haltestelle, wo sie raus mussten. Er war so in seinen Gedanken versunken und bemerkte den Fehler erst zwei Stationen später. "Oh Mist!",fluchte er "Wir müssen aussteigen und ein Stück zurück fahren."
"Ohoh", entgegnete Tobias. Er sah aus, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen. "Du musst lernen dich zu konzentrieren", setzte er nach. Nico brach in schallerndes Gelächter aus. Tobias war ein weltklasse Schauspieler. Er klang genauso, wie ihre Mutter.
Bevor sie zum Legostore kamen, mussten sie an einem großen Spielwaren-Geschäft vorbei. Mit großen Augen blieb Tobias stehen:"Können wir da rein biiitte, Nico",bettelte er.
Nico, der es kaum noch erwarten konnte endlich zum Legostore zu gehen, schlug vor:"Nein, lass uns da beim Rückweg vorbei gehen. Sonst musst du dein Spielzeug die ganze Zeit schleppen."
"Nein, ich will da jetzt rein!", verlangte Tobias energisch. Er bekräftigte seine Meinung, indem er sich auf den Boden setzte und sich kein Stück mehr bewegte.
"Och nagut!", grummelte Nico. Mit einem Satz stand Tobias wieder auf seinen Füßen und grinste breit. In dem Laden fand er alles cool. Erst wollte er ein Skatebord haben, dann doch lieber eine Actionfigur. Nach fast zwei Stunden standen die Brüder mit drei blinkenden Flummis und einem Pfeil- und Bogen-Set an der Kasse. Fröhlich summte Tobias eine Melodie. Weitere anderthalb Stunden verbrachten sie im Legostore bis Nico  sich entschied ein Spaceshuttel mitzunehmen. Auf dem Weg zur Kasse fragte ein Mitarbeiter:"Meinst du nicht du bist ein bissen zu jung dafür?", er deutete auf die sechzehn, die die Altersempfehlung an gab, dann fragte er weiter:"und vor allem wie wollt ihr das bezahlen. Glaubst du du bekommst mit dem Mongo behinderten Rabatt?". Nico rastete aus. Er knallte die Verpackung auf den Boden und brüllte:"wir kaufen hier gar nichts mehr du Wixer. Es heißt übrigens nicht Mongo. Sondern Downsyndrom!". Er packte Tobias an der Hand und rannte aus dem Geschäft. Kurze Zeit später standen sie erneut an der Kasse des Spielwaren-Geschäfts. Diesmal mit einem Roller und einem Lego-Modell der Freiheitsstatue. Ein Spaceshuttel gab es nicht. Dafpe war die Freiheitsstatue viel günstiger. So kam Tobuas nich zu einem Roller. Draußen fragte Tobias nach einem Eis. Nico erklärte ihm,dass das mit Papas Karte nicht ging. Als Tobias schmollte, suchte er in seinem Portemonnaie Geld für zwei Kugeln Eis zusammen. Es war der letzte Teil seines Taschengeldes und es war noch Anfang des Monats. Das störte ihn nicht,  solange sein Bruder glücklich war, ging es ihm gut. Auf dem Weg zur U-Bahn, fiel Tobias sein Eis runter. Er hatte noch gar nicht angefangen zu jammern, da gab Nico ihm seins.  Er wusste ganz genau, wie traurig Tobias war, wenn ihm ein Missgeschick passierte. Er fühlte sich dann 'sehr behindert'. Das ertrug Nico nicht. Er liebte seinen Bruder so, wie er war und fand ihn perfekt. Außerdem freute er sich jedes mal, wenn er lachte. Damit das Eis nicht erneut fiel, hing er sich auch den zusammengeklapten Roller und das Pflei- und Bogen-Set über die Schulter.
Peter ließ sich stolz die Einkäufe seiner Söhne zeigen. Dann  lud er sie ein ins Kino zu fahren. Tobias kriegte sich vor Freude kaum noch ein. Er lachte und jubbelte die ganze Fahrt über, was es für ein toller Tag war. Nachdem Kino gingen sie noch griechisch Essen.
Zuhause schickte Peter Tobias zeitnah ins Bett.
"Papa, ich muss dir da was erzählen", berichtete Nico, als Tobias schlief. Es brannte ihm schon die ganze Zeit auf der Zunge. Er berichtete von den Mitarbeiter aus dem Legostore. Er bat seinen Vater darum eine Beschwerde zu verfassen. Am besten auf dem Papier seiner Kanzlei. Er arbeitete als Anwalt für Familienrecht und hatte Papier mit einem Briefkopf der Kanzlei. Nico gab ihm den Namen von dem Mitarbeiter. Erstaunt sah Peter ihn an:"Nico, ich weiß gar nicht was ich zuerst sagen soll. Ich bin jedenfalls mega stolz wegen deiner Courage. Toll, dass du dort nichts mehr gekauft hast und deinen Bruder beschützt hast und Hut ab, dass du in der Situation noch so geistesgegenwärtig reagiert hast und den Namen behalten hast. Ich bin echt mega stolz auf dich." Er drückte ihn und küsste ihn auf den Kopf. Für Nico war sein Verhalten selbstverständlich, so drängelte er:"kümmerst du dich,um die Beschwerde?"
"Auf jeden Fall, ich setze mich da gleich morgen früh dran. Montag drucke ich es dann in der Kanzlei aus."
Er hielt sein Wort. Sonntag nach dem Frühstück schickte er die Jungs hoch. Sie sollten sich fertig machen. Anschließend jagte er sie in den Garten. In der Zeit schrieb er die Beschwerde. Nach einer Stunde saßen alle drei wieder im Auto. "Wo fahren wir hin?", wollte Tobias wissen.
"Das habe ich vergessen.", antwortete Peter scherzhaft.
"Ohoh und jetzt?", fragte Tobias sorgenvoll. Peter erklärte, dass sie irgendwo hinfahren würde, wo das Auto sie hinbrachte. Nico verkniff sich ein Lachen, war aber auch neugierig, wo es hinging. Nach zwanzig Minuten erkannten beide den Parkplatz vom Spaßbad. Als Peter Tobias Schwimmflügel ummachen wollte, fängt er an zu schimpfen:"Ich will die nicht haben! Nico hat auch keine!" Peter erklärte, dass Nico auch ein super Schwimmer war. "Ich brauche die nur, weil ich behindert bin. Jeder kann mit neun schwimmen, nur ich nicht." Während Peter versuchte ihn zu besänftigen:"Quatsch es gibt ganz viele Kinder, die mit neun Jahren noch nicht schwimmen, können. Das ist gar nicht schlimm, Tobi", warf Nico sich sein Tshirt über. Er griff nach der Geldbörse von Peter und fragte, ob er sich die kurz ausleihen durfte. Ohne auf eine Antwort zu warten, eilte er aus der Kabine. Nach fünf Minuten kam er zurück. Er hatte am Eingang zwei Hüftgurte mit Schaumstoff und ein Schwimmbrett gekauft. Den einen Gurt legte er sich um, dann sagte er zu Tobias:"der andere ist für dich. Wir üben jetzt Schwimmen."
Tobias strahlte wieder und folgte seinen Bruder an das flache Ende des Schwimmerbeckens. Voller Freude machte er die Übungen nach, die Nico ihm zeigte. Nach kurzer Zeit hatte er das Interesse verloren:"Ich kann jetzt genug schwimmen, lass uns rutschen." Sie tobten einige Stunden durch das Schwimmbecken. Jede Rutsche wurde wenigstens einmal ausprobiert. Die besonders guten musste auch Peter mitrutschen. Sie spielten Fangen und Ball im Nicht-Schwimmerbecken und Nico und Peter machten ein Wetttschwimmen. Tobias war der Schiedsrichter und erklärte beide zu Gewinnern. Die Jungs fanden kaum ein Ende, so dass Peter spontan entschied mit den Jungs ins Fastfoodrestaurant zu gehen, als sie das Schwimmbad zwei Stunden als ursprünglich geplant verließen.
"Das nächste mal kochen wir aber auch wieder zusammen, Papa!",forderte Nico.
Sein Vater versprach:" auf jeden Fall, dann gibt es auch nicht zwei Tage Dauerbespaßung. Dann bleiben wir mal Daheim oder gehen zum Spielplatz."
Nico wollte gar nicht zurück zu seiner Mutter. Er trödelte, als er seine Sachen packte. Auf der halben Strecke bemerkte er:"Oh Mist, Papa ich habe mein Arbeitsheft für Deutsch vergessen. Das brauche ich auf jeden Fall."
"Ich habe dich doch extra gefragt, ob du alles hast.", erwiderte sein Vater. dabei war er aber nicht tadelnd . Er drehte um und holte schnell das Heft. "Dein Mathebuch hast du auch vergessen, du Experte", sagte er, als er wieder eingestiegen war. Er haute Nico sanft das Buch auf den Kopf.
Sie kamen spät zurück. Peter behielt für sich, dass Nico so viel Zeit brauchte und die Schulsachen nicht mitgenommen hatte. Als Peter weg war, motzte seine Mutter. Tobias war ziemlich müde und Nico viel zu überdreht. Das Gespräch über die Schule fand nicht mehr an diesem Abend statt. Anstelle dessen diskutierte Nico mit seiner Mutter, ob er noch eine Runde um den Block joggen durfte oder wenigstens noch in den Garten auf das Trampolin dürfte. Er durfte nicht. Seiner Mutter war es zu spät und er sollte bald ins Bett gehen. Nico ging auf sein Zimmer und turnte an seinem Hochbett. Als seine Mutter nach ihm sah, schimpfte sie laut:"Nico, das ist ein Bett und kein Klettergerüst oder Turngerät! Wann lernst du das endlich. Ich glaube wir müssen das wirklich langsam abbauen!" Nico, der schnell von dem Bett gesprungen war, schrie ihr entgegen:"Nein, wir müssen das nicht abbauen. Ich brauche das Bett doch." Voller Kraft trat er gegen eine Kiste in seinem Regal. Er dachte in dem Moment nicht daran, dass sie nur aus Pappe bestand. Eigentlich dachte er in dem Moment gar nicht. Er hatte das Gefühl, dass sein Gehirn erst wieder ansprang, als die Kiste kaputt war. "Nico, das geht gar nicht. Reiß dich mal zusammen!",schimpfte seine Mutter. Mit der kaputten Kiste unter dem Arm ging sie. Nico blieb verzweifelt zurück. Er fragte sich, was manchmal mit ihm los war.

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