7. Kapitel - Die Küche Teil 1

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Von meinem eigenen Körper - gespickt mit allen vorstellbaren Emotionen - überfordert, gehe ich auf wackeligen Beinen, unter den Augen aller verwirrter Menschen, durch den Garten in die Küche, um noch Chips und Brezel nachzufüllen. Jedenfalls ist dies der offenbar beste Vorwand gewesen, um von dort zu flüchten.

Allerdings kann ich mir auch jetzt die Fragen, die augenblicklich in meinem Kopf herumschwirren, nicht beantworten.

Warum rast mein Herz geradezu als wolle es jeden Moment meine Brust verlassen?

Warum ziehen sich immer wieder Schauer durch meinen Körper, als wäre mir unfassbar kalt?

Warum schwitzen zeitgleich meine Hände als wäre ich in einer Sauna?

Entgegen meiner Hoffnungen, löst sich meine allgemeine Panik erst, als ich mich endlich in der Küche auf die kühle Theke stützen- und durchatmen kann. Als wäre ich gerade auf der Ovalbahn gesprintet, konzentriere ich mich auf meine rasselnde Atmung und halte meine Handgelenke unter kaltes Wasser, was - laut meiner Hauswirtschaftslehrerin - dabei helfen soll den Kreislauf wieder zu stabilisieren. Auch die Möglichkeit, dass ich Fieber haben könnte, schießt durch meinen Hinterkopf, jedoch ignoriere ich sie gekonnt. Bei Panikattacken sind Krankheitssymptome durchaus üblich.
Die plötzliche Präsenz dieser Symptome verwirrt mich jedoch jedes Mal zusehends.

Nach einigen Minuten der konzentrierten Stille, lasse ich vom Wasserhahn ab und greife mir eine der Chipstüten und zahlreiche Schüsseln aus dem Schrank, die ich später auf den Tischen zu verteilen vorhabe - diese Kleinstarbeit wird mir helfen mich zu beruhigen.

Doch plötzlich - in meine Tätigkeit vertieft - höre ich Schritte auf dem Flur und fahre ruckartig herum. Nur um zu sehen wer soeben in die Küche schleicht wie eine Katze. Heiko.

Augenblicklich fühle ich mich wieder wie ein Kleinkind. Mein Puls schießt in die Höhe, meine Hände beginnen erneut zu schwitzen und ich kann bereits hören wie das Blut aus meinem Gesicht weicht und dieses kreidebleich zurücklässt.

,, Alles in Ordnung bei dir?", er wirft mir einen fragenden Blick zu:,, Du siehst sehr blass aus."

,, Jaja, das geht schon", ich winke ab und wechsle schnell das Thema. Hoffentlich geht er wieder und lässt mich endlich in meinem innerlichen Chaos allein:,, Danke für die Frage. Kann ich sonst noch etwas für dich tun?"

,, Doch nicht dafür", er lässt einige suchende Blicke durch den Raum wandern:,, Susanne sprach von einer weiteren Weinflasche."

,, Ja, natürlich", ich deute auf die mit Rotwein gefüllte Flasche am anderen Ende der Kücheninsel:,, Dort."

,, Danke", ich höre wie er sich auf einen der Barhocker niederlässt, die köstlich duftende Flüssigkeit einschenkt und einen Schluck aus seinem Glas nimmt:,, Was machst du?"

,, Ich musste mal weg von all dem Trubel", von seinem Anblick - und seinen Blicken besonders - aus der Bahn geworfen drehe ich mich wieder zu meiner Tätigkeit um:,, Es sind eben doch sehr viele Menschen da."

,, Also bist du eher kein 'Partygirl'?", betont er kichernd, bevor ich antworte:,, Du ja offenbar auch nicht."

,, Ich kann mit großen Menschenmassen und Smalltalk nicht so viel anfangen wie ich es gerne hätte", Gleichgültigkeit macht sich in seiner Stimme breit:,, Außerdem kann ich wohl froh sein, dass ich kein 'Partygirl' bin."

,, Das stimmt allerdings", lache ich und bemerke erst in diesem Augenblick, dass sich der rasselnde Atem, die verschwitzten Hände und die lästigen Schauer gänzlich verzogen haben. Stattdessen breitet sich in diesen Sekunden eine unbeschreibliche Ruhe in mir aus, die mich jede einzelne Faser der Unsicherheit vergessen lässt. Stattdessen stürmen augenblicklich unzählige Fragen meinen Kopf, die ich Heiko nur allzu gern stellen würde - meine normale Denkweise scheint zurückgekehrt zu sein, was augenscheinlich auch für mein Selbstbewusstsein zu gelten scheint.

Ohne also lange zu überlegen, ob ich tatsächlich einige meiner Fragen stellen sollte, drehe ich mich um und zwinge mich so mit dem ersten mutigen Schritt dazu tatsächlich ein Gespräch mit diesem Fremden zu beginnen.

,, Darf ich dich etwas fragen?", ich drehe mich zu ihm um, stütze mich an der Theke hinter mir ab und lege schließlich fragend den Kopf schief.

,, Natürlich", charmant lächelt er zu mir hoch, wie er den Kopf in seine Handflächen gestützt an der Küchentheke sitzt. Im Gesamtblick wirkt sein in die Hände gestütztes, lächelndes Gesicht eher wie das eines grinsenden Pandas. Die Wangen sind durch den Druck der Hände leicht aufwärts verschoben, sodass sie tatsächlich wie Pausbäckchenen wirken, während die dezenten Augenringe das Bild bloß noch unterstreichen. Bei diesem Gedanken muss ich lächeln und versinke wohl etwas zu lange in meinen Gedanken an die Ähnlichkeit Heikos mit einem Panda. Denn als ich wieder in die Realität aufwache, neigt Heiko seinen Kopf fragend zur Seite und zieht die Augenbrauen hoch:,, Warum lächelst du?"

Vollkommen peinlich berührt erröte ich und antworte mit einem überrumpelt heraus gepressten:,, I-ich weiß es n-icht." Im selben Moment könnte ich mich schon wieder dafür ohrfeigen soetwas geantwortet zu haben. Ich weiß es nicht? Das klingt ja als würde ich meine eigenen Gedankengänge nicht nachvollziehen - wie ein Dreijähriger. Aber irgendwie kann ich ja auch nicht nachvollziehen was da aktuell in meinen Hirnwindungen passiert.

,, Aber ich denke ich kenne die Antwort", mit langsamen Bewegungen kommt er auf mich zu. Den Blick starr auf mich gerichtet - jedoch keineswegs bedrohlich. Es hat mehr etwas lüsternes als etwas angriffslustiges-, mit lautlosen Schritten, als liefe er auf Seidenpfoten, schreitet er auf mich zu. Normalerweise würde ich nun ängstlich zurückweichen, aber zumal hinter mir die Theke ist kann- und will ich nicht zurückweichen. Ich will vor diesem Mann nicht fliehen. Vielmehr würde ich eher dazu neigen auf ihn zu zutreten. Als würde er mich - wie ein Magnet - magisch anziehen.

Immer näher kommt mir sein eleganter groß gewachsener Körper, bis er schließlich ganz vor mir steht. Erst jetzt steigt mir sein einnebelnder Geruch nach teurem Parfum in die Nase und lässt mich wieder dieses mir unbekannte Gefühl verspüren. Zudem fällt mir erst jetzt die tatsächliche Muskulösität und die Breite seines Oberkörpers auf - das selbe gilt für seine durch den Anzug stark wirkenden Oberarme. Seine edlen Gesichtszüge mit den markanten Wangenknochen. Seine dunklen Augen, welche hungrig auf mich herab funkeln, fangen ebenso meinen Blick ein. Erst jetzt fällt mir ihr leicht grüner Schimmer auf, den seine eigentlich braunen Augen in sich tragen. Wunderschön glitzern diese Augen nun auf mich herab.

Kalt spüre ich seinen Atem auf meiner Haut. Seine rechte Hand legt sich behutsam an meine Wange und streicht vorsichtig in Richtung meines Mundes. Sein Daumen fährt über meine Lippen, als seien sie so unfassbar kostbar wie pures Gold, und lässt winzige Blitze durch mich hindurch schießen. Mein ganzer Körper kribbelt.

Es ist klar was er möchte. Heiko - so wenig ich ihn auch bis hierher kenne - ist bestimmt nicht der Mensch, der sich nicht holt, was er will. Genauso ist der keiner von Jenen, die von mir ablassen würden ohne bekommen zu haben, wonach es ihnen gelüstet.

Blooming - Until you meet the oneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt