6. Kapitel - Heiko Herrmann

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,, Ich werde mal die Tür öffnen", meine Mutter platziert noch die letzten Soßen-, gefolgt von einem in Scheiben geschnittenen Baguette auf dem Tablett, bevor sie zur Tür ins Vorzimmer eilt und ich von dort ihre fröhliche Stimme vernehmen kann.

,, Dann werde ich jetzt wohl hier weiter machen", ich hebe das Tablette an und mache Anstalten den angrenzenden Garten durch die Terrassentür zu betreten, bevor ich mich noch kurz zu Felix umdrehe:,, Du kannst dich gerne zu den Gästen gesellen und schon bei den Knabbereien zuschlagen, wenn du möchtest." Er hingegen nickt nur und folgt mir in den Garten hinaus, in den bereits meine Großeltern und weitere meiner engsten Verwandten - zumindest sehe ich sie als solche an - strömen.

,,Emilia", meine Großmutter kommt auf mich zu und umarmt mich herzlich:,, Herzliche Glückwünsche zu deinem Geburtstag."

,, Danke Oma", auch ich umarme sie und werfe meinem Großvater ein herzliches Lächeln zu:,, Ich bin froh, dass ihr kommen konntet."

,, Natürlich kommen wir zum achtzehnten Geburtstag unserer Enkelin", sie stupst mich lachend an, bevor sie in ihre Handtasche greift und ein in Geschenkpapier gehülltes Päckchen hervorholt:,, Das ist für dich."

,, Aber das wäre doch nicht nötig gewesen", ich falle ihr erneut um den Hals:,, Das ist nicht selbstverständlich, danke."

Meine Großmutter - mit Mädchennamen Julianka Marchetti - flüchtete in ihren jungen Jahren von Italien nach Australien. Sie wurde 1929 in einem malerischen kleinen Städtchen am Rande eines gigantischen Weinbergs geboren, welche ihre Familie bereits seit zahlreichen Generationen nach alter Tradition bewirtschaftet hatte. Ihr Haus stand auf eben diesem Weinberg, zu welchem jeden Morgen Scharen von Bediensteten und Arbeitern hinauf kamen, um ihnen bei der Ernte und anderen Dingen zu helfen. Gärtner, Ernter, Pflücker und jeder der Arbeiter zog morgens zu Beginn ihrer Schicht, bevor sie auch nur einen Finger rührten, den Hut vor ihrem Vater. Dieser pflegte stets auf der Veranda stehender Weise Zigarre zu rauchen. Er betonte immer besonders genießerisch den malerischen Sonnenaufgang über den Gebirgsgipfeln, welche das Dorf umgaben.

Jedoch ändern sich viele Dinge mit der Zeit und so kam es, dass ihre Familie eines Tages nicht mehr von so außerordentlichem Wohlstand gesegnet war und die Weinpreise sanken. Und ebenso wie die Banken, die keinerlei Investitionen mehr zu tätigen wagten, begannen auch die Menschen damit sich abzuwenden. Als ihr Vater eines bewölkten Tages dann an den finanziellen Abhang gelangte, kam es, dass er einen Großteil seiner engsten Mitarbeiter und Freunde hatte vor die Tür setzen müssen. Dies ging damit einher, dass in Zukunft vor Familie Marchetti beim sonntäglichen Spaziergang eher ausgespuckt wurde, als dass jemals jemand Anstalten machte den Hut auch nur zu richten.

Obwohl Julianka zu dieser Zeit gerade erst um die sechs Jahre alt gewesen sein musste, erinnerte sie sich noch an viele Details, welche sie mir einmal viele Jahre zuvor lang und breit erzählt hatte - ihre Erinnerungen sollten schließlich weiter getragen werden.

Aus dem Grund hatte ihre Familie letzten Endes ihren heiß geliebten Weinberg aufgeben müssen und war mit Julianka und ihren drei Geschwistern nach Australien emmigriert, wo sie bis zu dem Tod ihres Vaters verblieben waren. Seitdem hatte es die zwei Geschwister meiner Großmutter in viele verschiedene Ecken der Welt verschlagen - so war der ältere Bruder nach vielerlei Streitigkeiten mit Julianka und ihrer Schwester zurück nach Italien gezogen. Von ihm hatte man jedoch seit einigen Jahrzehnten nichts mehr vernommen, wohingegen die jüngere Schwester meiner Großmutter zwischenzeitlich in der Schweiz bei der einen oder anderen Behörde gearbeitet hatte. Julianka selbst hatte begonnen Bildungswesen zu studieren und war letztendlich Lehrerin an einer Grundschule in der Nähe geworden, an der sie auch ihren jetzigen Mann kennengelernt hatte, welchen sie zwei Jahre nach ihrem ersten Kennenlernen geheiratet hatte.

Blooming - Until you meet the oneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt