Chapter seven - old stories

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Songs for this chapter:
Karma - AJR
Tongue tied - Grouplove
Moving along - 5 seconds of summer
blank space - Taylor swift
Masterpiece - OMI, Felix Jaen

Playlist auf spotify: https://open.spotify.com/playlist/4IFOoXY97PQxWUarRIAXuS

Immer noch nach Luft ringend holte ich mein Handy aus der Tasche und tippte mit fahrigen Fingern ‚Henry Blane' in die Suchleiste ein. Zweimal musste ich von vorne beginnen, weil ich zu sehr zitterte und mich vertippte. Endlich hatte ich den Namen richtig eingegeben. Die Bilder, die vor meinen Augen auftauchten, sorgten dafür, dass mir schon wieder beinahe schwarz vor Augen wurde. Mit klopfendem Herzen öffnete ich die erste Seite, die mir angezeigt wurde. Sie führte auf eine Website, auf der ein Artikel veröffentlicht war. Langsam las ich ihn durch. „Kanadischer Newcomer und Teenie-Star Henry Blane das erste Mal für zwei Grammys nominiert." lautete die Überschrift.

„Zwei Jahre ist es nun her, seit der mittlerweile 18 jährige Kanadier Henry Blane von dem Talentescout Christian Wales entdeckt wurde. Seitdem steht er bei Wales Records unter Vertrag und hat uns schon mit so einigen Hits überrascht, unter anderem auch mit seinem neusten Hit „always or never", der in den kanadischen Charts aktuell  unter den top five steht. Genau dafür wurde Blane nun auch nominiert. Die Grammys, welche in zwei Monaten..."
ich übersprang den Rest.

Fassungslos starrte ich auf mein Handy. Der Typ, in dessen Zimmer ich gestern einfach so reinspaziert war und dessen Gitarren ich ausprobiert hatte, mein Nachbar, in den ich erstmal hineingerannt war um ihn daraufhin mit meiner Liebe zu Harry Potter zugeschwallt hatte, sollte ein international bekannter Sänger sein? Noch dazu war ich gestern nicht sonderlich freundlich gewesen...okay eigentlich überhaupt nicht...

„Lilac? Ist alles okay?" Melodys stimme hallte durch die Mädchentoilette und am liebsten hätte ich mich selbst dafür geohrfeigt so überreagiert zu haben. Aber seit der Geschichte von letztem Jahr konnte ich einfach nicht mehr mit Geheimnissen umgehen und bekam immer gleich eine Panikattacke. Leise räusperte ich mich und antwortete dann. „Ja, ich komme gleich." Meine Stimme klang lange nicht so fest wie sonst, aber immerhin lag kein weinerlicher Ton darin und ich beruhigte mich langsam wieder.

Ich trat aus der Kabine heraus und betrachtete mein Spiegelbild. An die braunen Haare hatte ich mich längst gewöhnt, aber trotzdem sah heute irgendwas anders aus als sonst. Ich hielt die Hände unter den Wasserstrahl des Wasserhahns, obwohl ich ja nicht wirklich Hände waschen musste. Argwöhnisch betrachtete Melody mich von der Seite, immer noch schweigend. Ich wusste, dass sie ahnte, dass irgendwas nicht stimmte, doch ich beschloss, ihr vorerst nichts zu erzählen.

Stattdessen griff ich nach den Papiertüchern und begann mir die Hände abzutrocknen. „Sorry, dass ich so weggestürmt bin. Mir ist nur was wichtiges eingefallen." Fragend zog Melody die Augenbraue hoch, sagte aber nichts dazu, wofür ich ihr sehr dankbar war.
Meine Ausreden waren auch schonmal besser gewesen.

Wir kehrten zurück in die Cafeteria, wo die anderen immer noch am Tisch saßen und angeregt diskutierten. Als sie mich bemerkten, verstummten sie kurz. „Hast du dich mittlerweile für ein Wahlfach entschieden?" fragte Alessia schließlich in die Stille hinein, um das Schweigen zu brechen.
Dankbar für die Ablenkung ließ ich mich neben ihr nieder und schüttelte den Kopf. Erstaunt sah Flora auf. „Was? Aber musst du dich nicht bis heute mittag entscheiden?" Knapp nickte ich nur. Ich wollte wirklich keine Diskussion entfachen und ich hatte keine Ahnung wie ich Trevor beibringen sollte, dass ich in den Glee Club gehen würde.

Also erfand ich wieder irgendeine Geschichte. „Ja, ich weiß absolut nicht wofür ich mich entscheiden soll."
Es tat weh, immer wieder lügen zu müssen, aber ich wusste mir nicht anders zu helfen.

Vorsichtig schaute ich zum Ende des Tisches. Ich hatte mich bisher nicht getraut, Hailey anzuschauen, aber als ich nun in ihre Richtung blickte, war sie immer noch in ihr Handy vertieft und schenkte mir keine große Beachtung. Zumindest würde ich mir hier keine argwöhnischen Fragen anhören müssen, worauf ich keine Antwort hatte. Oder zumindest keine, die ich mit ihnen teilen wollte.

Zwei Stunden später stand ich vor dem Zimmer von Mrs Jacobs, den Wahlzettel in meiner rechten Hand. In der linken hielt ich mein Handy. Plötzlich überkam mich eine Welle von Unsicherheit. Was, wenn ich total falsch lag und hinter dem Ganzen gar nicht mehr steckte, als ich vermutete. Dann aber löschte ich diese Gedanken aus meinem Kopf. Selbst wenn, zu einem großen Teil machte ich das hier ja auch, weil ich das singen und tanzen liebte. Wahrscheinlich wäre ich so oder so in den Glee Club gegangen. Zumindest redete ich mir das immer wieder ein.

Die Tür öffnete sich und Mrs. Jacobs erschien. Nachdem sie mich hereingebeten hatte, nahm ich ihr gegenüber Platz. „Und?" abwartend schaute sie mich an. Schweigend schob ich ihr den Zettel hin. Erst schaute sie etwas verwirrt, doch kurz darauf hellte sich ihr Gesichtsausdruck auf und sie strahlte mich an.

„Du hast es dir also doch nochmal überlegt!"
Zögerlich nickte ich. „Wirklich, da wird sich Violett aber freuen!" Als sie meinen verwirrten Gesichtsausdruck bemerkte, lachte sie. „Violett ist die Vorsitzende und ist für alles organisatorische zuständig. Der Glee Club hatte schon so lange keine neuen Mitglieder mehr, bestimmt hat sie also genug Zeit für dich und kann dir alles zeigen." Verunsichert blickte ich auf meinen Wahlzettel.

Sie musste meinen Blick bemerkt haben, denn schnell fügte sie hinzu: „Es gibt nunmal nicht sonderlich viele Schüler, die in ihrer Freizeit gerne singen und tanzen." Dabei war ich gar nicht deswegen verunsichert...vielmehr wollte ich eigentlich mehr über den Club und ihre Mitglieder wissen, doch ich wusste nicht, ob Mrs. Jacobs dafür die richtige Ansprechpartnerin war.

Also bedankte ich mich bloß. „Dein erstes Training wird morgen ab halb zwei im Chorraum beginnen und geht genau zwei Stunden. Ansonsten trifft sich der Club immer..." sie schlug ihre Unterlagen auf und suchte nach den Terminen. „Ach ja, hier ist es ja. Der Glee Club trifft sich immer Dienstags und Donnerstags von halb zwei bis halb 4. Falls du noch irgendwelche Fragen haben solltest, kannst du dich gerne an mich wenden, ansonsten ist Violett für alles zuständig. Ich hoffe natürlich dir wird es dort gefallen."
Abermals bedankte ich mich und stand dann auf.

Auf halbem Weg zur Tür drehte ich mich jedoch um. „Gibt es hier irgendwo in der Nähe eine Schulbibliothek? Oder wo kann ich mich denn mehr über die Schule und ihre Geschichte informieren?" Irritiert blickte sie auf. „Ähm...wenn du mehr über die Schule erfahren willst würde ich dir empfehlen, einfach ein paar alte Jahrbücher anzuschauen. Ich bin sicher, in unserer Bibliothek gibt es auch ein Archiv mit allen Büchern von den letzten zwanzig Jahren."

Gerade, als ich mich bedanken wollte, begann mein Handy zu vibrieren. So schnell wie möglich schickte ich den Anruf zur Voicemail und schaltete das Handy dann auf Flugmodus. Eilig steckte ich es in meine Hosentasche. Ich hasste es, wenn mein Handy vor Lehrern klingelte. Hier schien es nicht wirklich jemanden zu kümmern, wenn Schüler im Unterricht ihre Smartphones benutzten, aber ich kam mir trotzdem jedes Mal ertappt vor, wenn ein Lehrer in meine Richtung schaute. „Danke" antwortete ich knapp, lächelte und schlüpfte dann durch die Tür nach draußen.

Seufzend lehnte ich mich an die Wand neben dem Büro und holte mein Handy wieder hervor. Ich konnte bloß hoffen, dass es kein wichtiger Anruf war. Als ich auf das Display schaute erstarrte ich.
Ein Anruf in Abwesenheit: Tessa Martini
Eine Welle von Übelkeit überkam mich.
Mit fahrigen Fingern öffnete ich die Voicemail.

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