Cut

90 4 1
                                    

Ich zucke zusammen und ziehe die Luft zischend durch meiner aufeinander gepressten Zähne. Ich lasse dass Messer, welches ich eben noch in meiner Hand hielt, fallen und blicke nun auf meinen Daumen. Ich sehe den feinen Schnitt, die leicht zu erkennende Spur, die sich im nächsten Moment mit tiefrotem Blut füllt und sich dieses am Rand zu einem kleinen Tropfen summiert. Der Schnitt brennt, als würde die scharfe Schneide des Schälmessers noch immer darin stecken. Das Blut wird nun nicht mehr im Tropfen gehalten, sondern bildet einen feinen Strom meinen Finger hinab. Es vermischt sich wirbelnd mit dem Wasser, welches genährt von der Stärke der Kartoffeln ist die ich eben noch schälte. Der Strom meinen Blutes droht stärker zu werden, doch im nächsten Moment nehme ich es mit meiner Zunge auf und stecke mir den Daumen in meinem Mund, um wie ein Kleinkind daran zu saugen. Sofort breitet sich der metallische Geschmack meines Blutes im Mund aus und lässt mich erschaudern. Mein Speichel brennt für einen kurzen Moment ätzend in dem kleinen Schnitt, doch kurz darauf verschwindet dieser feine Schmerz und ich spüre, wie sich das Blut aus meinem Daumen weiter warm und widerlich schmeckend seinen Weg bahnt.

Es ist meine eigene Schuld gewesen. Ich war abwesend. Zu sehr fürchte ich mich vor dem Gespräch, welches Erwin mit mir sucht. Ich habe die Befürchtung, dass es um Reiner geht. Ich habe Angst mich vor Erwin lächerlich zu machen. Schmatzend ziehe ich den Finger zwischen meinen Lippen hervor und blicke erneut auf den Schnitt, dessen Rändern durch meinen Speichel ein wenig aufgeweicht sind. Ich hoffe ich habe die Blutung gestoppt, doch werde kurz darauf vom Gegenteil überzeugt. Erneut tritt reichlich Blut aus meinem Finger. Das Messer ist scharf. Der Schnitt ist tief und sauber.

„Mist!", fluche ich laut, als ich ein paar Tropfen meines Lebenssafts nicht weglecken kann und sie auf mein grünes Oberteil fallen, um dort hässliche Flecken zu hinterlassen. Reiner, der mir in diesem Moment am nächsten steht bemerkt dies und kommt sofort zu mir. Er zieht ein kleines Tuch aus seiner Hosentasche und wickelt es mir um meinen verletzen Finger. Er ergreift meine andere Hand und platziert sie um meinem Finger um mir zu deuten, dass ich leichten Gegendruck erzeugen soll.

„ Du brauchst einen Verband!", stellt er trocken fest und zieht mich, ohne auf eine Antwort meinerseits zu warten, aus der Küche in einen kleinen Nebenraum mit einem Tisch und sechs Stühlen. Mit sanfter Gewalt drückt er mich auf einen der Stühle und verschwindet kurz darauf wieder. Nach einigen Augenblicken kommt er mit ein paar Tüchern, einer kleinen braunen Flasche, die vermutlich mit Alkohol gefüllt ist und einem schneeweißen Verband zurück. Abwartend blicke ich zu dem großen Mann mit dem blonden Haar, dem ich in der vorangegangenen Nacht so nahe war und stelle fest, dass ich ihn überhaupt nicht kenne. Reiner zieht sich einen zweiten Stuhl heran und nimmt mit dem Gesicht zu mir gedreht platz. Unsere Knie berühren sich leicht. Vorsichtig nimmt er meine Hand in seine und zieht mir vorsichtig das weiße Tuch vom Finger, welches nun kleine rote Flecken aufweist. Es tritt nur noch wenig Blut aus der Wunde. Die Blutung ist kontrolliert.

„Wurdest du gesehen?", frage ich ihn, nachdem ich ihn einen scheinbar unendlich wirkenden Moment nur ins Gesicht gestarrt habe. Meine Stimme zittert bei diesen Worten leicht. Ich fürchte die Antwort. Ich fürchte, dass sich das kommende Gespräch mit Erwin genau um diese Sache drehen wird. Reiner blickt verwirrt auf und sieht mir fest in die Augen. Er weiß genau auf was ich hinaus will.

„Nein!", gibt er kehlig lachend als Antwort und tränkt eines der kleinen Tücher in etwas Alkohol. Leichter Zorn steigt in mir auf. Wie kann er diese Situation noch lustig finden?

„Wieso fragst du?", hakt er interessiert nach und ich beiße die Zähne zusammen, als das Tuch mit der scharfen Flüssigkeit mit dem Schnitt in Berührung kommt.

„Der Kommandant sucht das Gespräch mit mir!", gestehe ich ihm und in Reiners Blick spiegelt sich plötzlich ein Hauch von Sorge.

„ Reiner! Wurdest du gesehen?", frage ich erneut nach und erhebe mich wütend von meinem Platz. Wenn er mich in diesem Moment anlügt, dann muss ich es wissen.

„Jane, beruhige dich! Ich wurde nicht gesehen!", redet er mir sanft ein und legt seine Hände auf meine Schultern, doch ich schüttle sie ab.

„Persönliche Verhältnisse unter Rekruten, Kadetten und Soldaten sind keineswegs verboten!", sagt er zu mir und bringt mich nun doch dazu wieder platz zu nehmen. Ein schiefes Grinsen liegt auf seinen Lippen, als er die Wunde erneut mit Alkohol reinigt und mir dann den Verband anlegt.

„Erwünscht ist es trotzdem nicht!", flüsterte ich leise und beobachte ihn, wie er mir sanft das Ende des Verbandes um das Handgelenk wickelt und eine kleine Schleife bindet. Vorsichtig nimmt er meine Hand in seine deutlich Größeren und schließt sie darin ein. Ich sehe auf und blicke ihm in die golden schimmernden Augen.

„Keine Sorge!", flüstert er und führt meine Hand zu seinem Gesicht. Liebevoll drückt er mir einen Kuss auf die Fingerknöchel. Ich schließe die Augen und genieße kurz diese kleine Berührung seiner Lippen. Tatsächlich nimmt er mir damit etwas Anspannung. Kurz darauf gehen wir zurück zu den Anderen. Ich hoffe ich kann ihm vertrauen.

Als das Frühstück an alle Mitglieder des Aufklärungstrupps verteilt ist und alle Vorbereitungen für das Mittagessen getroffen sind, atme ich erleichtert durch. Ich habe mich den ganzen Tag im Inneren der Küche aufgehalten um Erwin nicht schon vor unserem Gespräch zu begegnen. In seinen intensiven blauen Augen hätte ich sonst wahrscheinlich lesen können, ob es sich um gute oder schlechte Nachrichten handelt, oder ob er jetzt bereits schon von mir enttäuscht wurde. Seufzend hänge ich meine beschmutzte Schürze zurück an den Haken und begebe mich schnellstmöglich zum Büro des Kommandanten. Abwesend laufe ich durch die Gänge und streiche nervös über meinen faltigen Rock. Das mein Oberteil mit Blut befleckt wurde habe ich ganz vergessen. Ich bin in dem Gang angekommen, in dem Erwins Büro liegt. Durch die großen Fenster fällt von draußen sattes Sonnenlicht herein und man kann den herumwirbelnden Staub bei seinem Tanz beobachten.

Zurückhaltend klopfte ich an der großen Tür. 

Wallflower (Attack on Titan Levi x OC FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt