Betrayal

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Minuten, die mir wie eine Ewigkeit erscheinen, vergehen in denen keiner von uns Beiden auch nur ein Wort über seine Lippen kommen lässt. Traurig. Das Vertraute, Unbeschwerte, was einst unser Zusammensein umgab scheint gestorben zu sein. Erwin. Mein Kommandant, er wirkt so niedergeschlagen. Vor einigen Jahren hätte ich ihn, in einer solchen Situation, in den Arm genommen, ihm mein Ohr geliehen. Ich hätte ihm einfach zugehört. Ich wäre für ihn die Freundin gewesen, die ich damals war. Doch diese Zeiten gehören offensichtlich der Vergangenheit an.

Meine Körperhaltung ist angespannt. In mir breitet sich Unbehagen aus. Mein Geist versucht mir den Rat zu geben, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden. Denn ich spüre, dass nichts Positives auf mich wartet. Doch es ist nicht die Angst vor drohenden Konsequenzen. Es ist die Angst, dass meine Gedanken der Wahrheit entsprechen könnten. Dass etwas zwischen Uns steht, von dem keiner es wagen würde, es auszusprechen. Ich befürchte nicht nur, dass wir uns auseinander gelebt haben, sondern dass mein Verschwinden Erwin zutiefst gekränkt haben könnte und ich unsere Freundschaft für immer zerstört habe.

"Erwin?", richte ich mich zögerlich an ihn, denn immernoch hüllt sich der blonde Mann vor mir in Schweigen und vermeidet es mich anzusehen. Doch wenn wir nicht miteinander sprechen, wo soll das Ganze dann noch hinführen?

Ich reibe meine Hände, auf denen sich inzwischen Angstschweiß gebildet hat, nervös aneinander. Ich lehne mich weit nach vorn, um einen Blick in seine, mir so vertrauten, Augen erhaschen zu können und weiche unweigerlich zurück als er seinen Blick auf mich richtet. Seine blauen Augen treffen kalt und starr auf Meine, seine markanten Augenbrauen sind zusammengezogen, eine tiefe Falte bildet sich auf seiner Stirn.

Dieser Gesichtsausdruck, dieser Blick, er ist mir wohl bekannt.Zuletzt bekam ich diesen Blick, als ich schwer verletzt mit anderen Soldaten des Aufklärungstrupps auf einer der vielen Holzkarren zurück hinter die sicheren Mauern gebracht wurde. Wie ich da lag, mit anderen Krüppeln und Kameraden, die mer tot als lebendig waren. In diesem Moment wusste ich, dass mir ein wertloses Leben bevorstand, dass ich meiner Bestimmung nicht mehr folgen kann, dass ich Erwin nicht mehr folgen kann. Ich weiß es noch, wie er auf mich hinabschaute, wie er meinen zerfetzten Arm, der nur notdürftig versorgt wurde, betrachtete und sich genau dieser Blick, den er mir gerade schenkt, auf seinen Zügen widerspiegelte. Der Blick sagte mir, dass Erwin nicht mehr weiter wusste und dass es ihn selbst innerlich zerriss nichts unternehmen zu können. Damals drehte ich mich einfach nur weg und schloss die Augen, doch das ist heute nicht möglich. Heute muss ich mich dem Ganzen stellen.

"Kommandant, ich bitte Sie! Sprechen Sie mit mir!", sage ich und habe meine Stimme unbeabsichtigt erhoben. Ich wollte nicht so unbeherrscht sein. Doch dass er mich, wie damals, einfach nur anschaut und schweigt macht mich wütend.

Leider ist auch Erwins  Gesichtsausdruck der Wut gewichen und schnell hat sich der Mann, in seiner vollen Größe, vor mir aufgebaut und funkelt wütend auf mich hinab.

"Lass diese Formalitäten! Du hälst nichts davon, interessierst dich nicht für die Rangordnung und hast dich in einigen Situationen schon von einer unmöglichen Seite gezeigt!", rügt er mich mit dröhnender Stimme.

"Kadett Bloomberg!", fügt er harsch an um mir meine Position zu verdeutlichen.

Ich rutsche in meiner Haltung immer weiter zusammen. Erwin hat Recht! Natürlich hat er das! Strafe muss sein, doch angenehm ist sie nie.

"Ich erwarte von dir ein angemessenes Verhalten gegenüber deiner Vorgesetzten! Wenn du es mir entgen bringst, dann auch allen Anderen! ", sagt er nun deutlich ruhiger. Seine Wut scheint verraucht zu sein. Mit langen Schritten begibt er sich zu seinem Schreibtisch und setzt sich auf seinen großen Stuhl. Mein Blick folgt ihm aufmerksam. Als er mich ansieht stehe ich auf und salutiere.

" Jawohl!", sage ich laut und mit fester Stimme. Erwin sieht mich emotionslos an.

"Trete näher Kadett!", gibt er mir den Befehl. Mit wild schlagendem Herzen begebe ich mich zu seinem Schreibtisch. Erwins Autorität erfüllt plötzlich den gesamten Raum und zieht mich wieder magisch in seinen Bann. Ich bleibe kurz vor dem Tisch aus massivem Holz stehen und sehe den Kommandanten abwartend an. Dieser schiebt mir schweigsam ein Dokument zu. Ich beginne zu lesen.

*

Dem Antrag, eingereicht durch: Kommandant/männlich, Name:Erwin Smith,

den Kadett/weiblich, Name: Jane Marina Bloomberg

von ihren Pflichten, für den unten aufgeführten Zeitraum, zu entbinden wurde stattgegeben.

Angegebene Gründe wurden durch Einsicht der Berichte und Befragung leitendener Personen überprüft und  bestätigt....

*

Weiter lese ich nicht. Geschockt sehe ich auf die Zeilen vor mir. Ich begreife sie und würde am liebsten hysterisch darüber lachen. Ich fühle mich hintergangen und zwar von dem Menschen, dem ich einst am meisten vertraute. Erwin selbst war der Antragsteller, er war auch derjenige, der ihn bewilligte. Was genau will er mir damit sagen?

Ich ergreife schweigend den Stift, den er mir dazulegte, setze auf die markierte Stelle fein leserlich meine geschwungene Unterschrift und knalle den Stift mit aller Kraft auf den Tisch. Mit zusammengepressten Lippen und Tränen in den Augen sehe ich zu Erwin, der meinen Blick nicht lange standhalten kann.

"Keine Einwände?", fragt er mich matt.

" Nein, Sir.", antworte ich knurrend und beginne mit den Zähnen zu knirschen. Ich salutiere ein letztes mal, wissend, dass ich ihn die nächsten Wochen meiden werde. Schwungvoll drehe ich mich um. Elligen Schrittes will ich sein Büro verlassen, doch er hält mich auf.

"Jane, warte! ", bittet er mich.

Ich setzte einen neutralen Blick auf, versuche die Tränen zu unterdrücken und drehe mich zu ihm herum.

" Ja, Sir?", antworte ich deutlich.

"Warum hast du mir nichts davon erzählt? Warum hast du mir nicht gesagt, welche Probleme dir die Titanen bereiten?", fragt er besorgt.

Ich beginne zu lachen. Eine bittere Träne findet nun doch ihren Weg. Schnell wische ich sie weg.

"Warum habt ihr mir nicht gesagt, welche Pläne ihr mit mir habt? Warum habt ihr mir nicht gesagt, dass meine Person dem Aufklärungstrupp Schwierigkeiten bereitet? Ihr hättet das Gespräch mit mir suchen können, bevor ihr mich beurlaubt!", umgehe ich seine Fragen.

"Jane, sei nicht albern! Du hättest  genauso gut zu mir kommen und mit mir darüber sprechen können! So, wie früher!", sagt er.

Erwin reibt sich mit der Hand über das markante Gesicht er erhebt sich von seinem Platz. Er kommt auf mich zu. Er will meine Hand ergreifen, doch ich schlage sie weg.

"Mach die Augen auf, Erwin. Gerade jetzt müsste selbst DIR aufgefallen sein dass zwischen Uns nichts mehr wie früher ist! ", flüsterte ich und wende mich ab. Ich öffne die große Tür, verschwinde aus seinem Räumlichkeiten und lasse sie hinter mir ins Schloss fallen.

Unsere Freundschaft gehört nun der Vergangenheit an.

Wallflower (Attack on Titan Levi x OC FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt