Der ÖPNV

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"Information zu RE... Nach Köln. Abfahrt: 17: 14 Uhr, heute circa 30 Minuten später, Auf Gleis 1"

Uns Allen sind solche Durchsagen bekannt. Sie verbreiten unter den Fahrgästen regelmäßig Unmut. Dass die Öffentlichen in Deutschland seit mehreren Jahren mit einem schlechten Ruf zu kämpfen haben, ist allgemein bekannt. Auch ich, als zukünftiger Azubi oder FSJler, bin auf das Zusammenspiel von Bus und Bahn angewiesen. Hierbei freut es mich dass ich nicht der Einzige bin. Man müsste meinen, dass ein Land welches kurz vor dem Beginn der 2000 20er Jahre steht, über ein ausgeklügeltes System für die Beförderung seiner Bürger verfügt. Leider handelt es sich bei dieser Annahme um einen Wunschtraum. Wir alle kennen die Realität und selbst die Angestellten der DB kennen und hassen sie. 

Der alltägliche Wahnsinn beginnt bereits in den frühen Morgenstunden. All die armen Seelen die sich in die Frühschicht aufmachen, treten jeden Morgen eine überaus spektakuläre Reise an. Eine erfolgreiche Busfahrt vor 8 Uhr, setzt sich aus mehreren Faktoren zusammen. Zunächst einmal bettet der Fahrgast zu den Göttern, sie mögen dafür sorgen dass der Bus auch pünktlich kommt. Hält der Bus dann an der Haltestelle, macht er den Fahrgast bereits von Außen auf einen der zwei möglichen Zustände aufmerksam: Überfüllt, oder verlassen. Je nach Tageszeit sieht man sich entweder mit einem verlassenen oder überfüllten Bus gegenüber.  Im letzteren Fall wird der Fahrgast vor das nächste Problem gestellt: Finde ich noch einen Sitzplatz? Die Höflichkeit sorgt zwar dafür dass man auf seine älteren Mitmenschen Rücksicht nimmt. Nur wenn selbst diese sich während der Fahrt mit aller Kraft an der Haltestange festhalten, läuft irgendetwas schief. Neben dem Dauerproblem Namens Platzwahl, stoße ich persönlich recht oft mit den Busfahrern zusammen. An dieser Stelle muss ich den Menschen die sich für diesen Beruf entschieden haben meinen tiefst empfundenen Respekt aussprechen. Man mag sich die Arbeitsbedingungen gar nicht vorstellen. 8 bis 10 Stunden täglich sitzen, sich ankeifen lassen, gegen den Verkehr ankämpfen und selbst bei Müdigkeit alles geben... So etwas schafft nicht jeder. Bei solch einem Arbeitsalltag fällt es schwer den Fahrgast mit einem Lächeln zu begrüßen. Wenn dann auch noch Extrawünsche geäußert werden, mutiert selbst die größte Frohnatur zum schlechtgelaunten, humanoiden Fahrroboter. Durch meine schlechte Angewohnheit meine Fahrkarte immer erst im letzten Moment hervorzuholen, werde ich regelmäßig wie ein Schaf auf meinen Platz gescheucht, was uns zu meiner Beobachtung bringt.  

Egal ob Bus oder Bahn, die Menschen neigen in größeren Gruppen dazu ihre Bewegungsfreiheit aufzugeben, um dafür mit dem Strom mitziehen zu können. Ich  bemerke dieses Phänomen täglich. Wie ein Haufen Labor Mäuse, huschen wir von einer Station zur nächsten, machen ab und zu Rast und flitzen dann weiter. Ältere, oder körperlich benachteiligte Menschen werden hierbei routiniert ignoriert. Nicht selten kommt es bei meiner Buslinie vor, dass eine ältere Dame ihre Haltestelle verpasst, nur weil sie sich in den Augen des Busfahrers nicht schnell genug bewegt hat. Ein weiteres Beispiel bezieht sich auf eine Mutter und ihr Kind. Auf meinem Weg in die Stadt, saß ein kleines Mädchen zusammen mit seiner Mutter auf einem Fensterplatz. Als der Bus hielt und die Mutter sich erhob und ausstieg, ging sie davon aus ihre Tochter würde ihr folgen, dem war aber nicht so.  Erst im letzten Moment reagierte einer der Fahrgäste und brachte den Fahrer dazu anzuhalten. Das Kind stieg aus und die Katastrophe war abgewendet worden. Hätte diese Situation anders ausgehen können? Ja. Wäre der Busfahrer weitergefahren wenn ihn niemand auf das verlorene Mädchen aufmerksam gemacht hätte? Ja. Ich mache dem Busfahrer an dieser Stelle keinerlei Vorwürfe. Wer tagtäglich die eigene Gesundheit zum Wohle der Mobilität anderer zurückstellt, büßt irgendwann seine Urteilskraft ein. Das System des ÖPNV zwingt nicht nur die Fahrgäste dazu täglich auf alles gefasst zu sein, es erlöst auch diejenigen von ihren Leiden, die mit dem Leben abgeschlossen haben. Jedes Jahr werfen sich mehrere Menschen vor Züge. Die daraus entstehenden Probleme sind auf eine höchst verstörende Art und Weise miteinander verknüpft. Die Angehörigen des Toten verabschieden sich nicht von einem Leichnam, sondern von dessen spärlichen Überresten. Die Zugführer sind nach solch einem Ereignis traumatisiert und häufig nicht mehr dazu in der Lage ihren Beruf auszuüben. Die perfide Krönung des Ganzen bilden die unpersönlichen, kaltherzigen Durchsagen. Ändert sich nach so etwas das Verhalten der Fahrgäste? Nein, tut es nicht. Die Routine wird wieder aufgenommen. Das System entfernt den Störfaktor und nimmt seinen Betrieb wieder auf.

Natürlich bringen die Öffentlichen nicht nur Probleme mit sich. So lerne ich fasst jeden Tag jemanden an der Bushaltestelle kennen. Es lässt sich auch nicht jeder Busfahrer von seinem Beruf runterziehen. So erinnere ich mich bis heute an den letzten Schultag im Jahr 2017, als der zuständige Busfahrer über die Lautsprecherdurchsage fragte: "Hey Leute, heute ist der letzte Schultag. Freut ihr euch schon auf die Zeugnisse?" Selbstverständlich bekam er daraufhin sofort eine Antwort, auch wenn diese nicht wirklich motiviert klang. An einem anderen Tag quälte sich der gleiche Busfahrer mit einer defekten Durchsage rum. Jedes Mal wenn sich die elektronische Stimme12 Mal hintereinander wiederholte, lockerte er die Situation mit einem lässigen Spruch auf. Abschließend lässt sich sagen dass der ÖPNV und die Deutschen eine Art Hassliebe zu einander empfinden. Die Fahrgäste beschweren sich über die maroden Zustände der Züge und Busse und die Bahnmitarbeiter über die schlechten Arbeitsbedingungen. Es muss noch eine Menge passieren bis beide Seiten zufrieden sind. Doch dafür müsste zunächst einmal das System überholt werden, auf dass wir auch zukünftig keine Bus und Bahnfahrt scheuen müssen.


Deutschland im Jahr 2019- Ein EinblickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt