Prolog

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Ava:

Ein ohrenbetäubender Krach lies mich hoch fahren. Der kalte Schweiß brach mir aus. Vor meinem Zimmerfenster schrien die Leute durcheinander. Der Schock kroch wie eine Schlange meinen Rücken hinab. Wieder ertönte ein so ohrenbetäubender Krach, dass endlich Leben in mich kam. So schnell wie nie zuvor sprang ich auf und rannte ins Nebenzimmer. "Mutter?! Vater?!" Aus voller Kehle schrie ich mit meiner kratzigen Stimme, um den Krach und die Schreie draußen zu übertönen. Plötzlich erbebte das ganze Haus, eisern hielt ich mich am Treppengelände fest. "Ava! Hier her!" Erleichtert rannte ich nach unten zu meiner Mutter. Ihre Augen musterten mich voller Angst. "Schnell, geh da runter, zu Viola und deinem Bruder!" Sie bugsierte mich unter den großen Esstisch aus Holz. Mein älterer Bruder zog mich schützend auf seinen Schoss.

"Was ist hier los?!" schrie ich.
Just in diesem Moment platze mein Vater zur Haustür herein. Grelles, blaues Licht blendete mich von draußen, ehe Vater die Tür schloss. "Es sind Moldovan's Truppen! Sie haben uns eingekesselt!" Plötzlich explodierte direkt neben unserem Haus etwas so stark, das der Boden wieder erzitterte. Meine Freundin Viola schrie angstvoll und hielt sich die Ohren zu. Adrenalien floss wie heiße Lava durch meinen Körper und ließ mich alles noch intensiver wahr nehmen.

Ich war wie betäubt und sah meine Eltern an. "Wir müssen das Dorf verteidigen!" schrie mein Vater über den Lärm hinweg und sah uns an. Sein Blick war unglaublich hart und trotzdem, sah er uns voll Trauer an. Mutter weinte lautlos. Die Tränen kullerten über ihr Wange. "Mutter? Bitte geh nicht weg." bat ich mit tränenerstickter Stimme. Ich verstand das ganze nicht. Was zum Teufel geschah hier gerade?

Sie beugte sich zu uns unter den Tisch und zog jeden in eine kurze Umarmung. "Ich liebe euch!" Ihre Stimme brach und ein Schluchzer entkam ihrer Kehle. "Nein! Mutter, Vater, bleibt hier!" schrie ich ihnen entgegen. Voll Panik klammerte ich mich an ihr fest. Sie küsste mir kurz auf die Stirn. "Ava, denk immer daran, wie sehr wir euch lieben. Sei stark. Pass auf die Mädchen auf Jonas!" rief sie zu meinem Bruder.

Dann krabbelte sie unter dem Tisch hervor und lief zu Vater. Sie sahen sich tief in die Augen und küssten sich innig. Ein kurzer Blick zu uns zurück, dann rissen sie die Tür auf und stürmten hinaus. Just in diesem Moment verwandelten sich beide noch während sie liefen, in riesige bunte Drachen und stiegen dem Himmel empor. "Nein!" schrie ich aus voller Kehle. Jonas hielt mich fest. "Nun halte schon still! Wir müssen ihnen vertrauen!"

Plötzlich verstummten wir alle drei. Meine Eltern hatten die Tür offen gelassen. Es war mitten in der Nacht, der sonst dunkle Himmel wurde jetzt hell erleuchtet. Überall bekämpften sich Drachen, spien ihr Feuer aufeinander. Kampfgeschrei erfüllte die Luft. Hier und da fielen tote oder bewusstlose Drachen zu Boden. Alles Freunde, Nachbarn und Bekannte. Sie alle ließen ihr Leben, doch wofür? Jonas zog mich enger an sich. "Sieh nicht hin." Doch ich konnte nicht anders. Gelähmt sah ich der Szene entgegen.
So viel Tod. So viel Leid.

In all dem Tumult konnte ich endlich meine Eltern ausfindig machen. Sie hatten sich einer Gruppe aus dem Dorf angeschlossen und flogen eine kleinere Gruppe des Feindes an. Sie krachten ineinander und bekämpften sich mit Klauen, Krallen und Zähne bis aufs äußerste. Gerade schien es, als hätten sie die Oberhand, da näherte sich von hinten eine feindliche Truppe. "Oh Gott, das ist ein Hinterhalt!" schrie Jonas und stürmte aus unseren Versteck. Gerade so hielt ich ihn am Hemd fest. "Nein, bleib hier! Mutter hat es dir befohlen! Sie hat dir befohlen, bei uns zu bleiben!" Leicht schüttelte er meine Hand ab und drängte mich zurück unter den Tisch. "Ich werde nicht untätig hier sitzen bleiben! Ich liebe dich Schwesterchen! Bringt euch in Sicherheit, das Dorf ist verlohren!" Er rannte hinaus und verwandelte sich in einen grün schillernden Drache. Ehe ich mich versah, war er in der Luft und flog dem sicheren Tod entgegen. Jonas war ein begnadeter Kämpfer, doch es waren einfach zu viele.

Ich rannte hinter ihm her vor das Haus, Viola folgte mir. "Wir müssen hier weg!" schrie sie mich an, doch ich konnte nur verfolgen, was dort am Himmel geschah. Es war zu spät. Die Drachen meines Dorfes, einschließlich meine und Violas Eltern wurden einfach überrollt. Durch das Gewitter an Feuer um sie herum, konnte ich nicht alles erkennen, doch ich fühlte, dass ich meine Familie verloren hatte. Ohne etwas tun zu können, sah ich zu, wie die leblosen Körper meiner Familie dem Boden entgegen rasten. Mutter, der Drache mit dem schönen weißen Schuppenkleid, fiel als erste. Von dem Weiß war nicht mehr viel auszumachen, ein dunkles Rot bedeckte sie.
Und Vater, den ich immer für unbezwingbar gehalten hatte, verlor sein Leben an jenem Angreifer, der Mutter getötet hatte. Mit einem lauten Brüllen der Verzweiflung, zog er den Mörder mit sich in den Tod.
Zuletzt sah ich Jonas, der mit einem übermächtigem Gegner rang. Dieser nahm seinen Hals einfach zwischen die Zähne und und biss so kräftig zu, bis er brach. Betäubt sah ich zu, wie auch mein Bruder zu Boden viel. Seine Augen verdrehten sich, bis das Leben aus ihnen wich.

Wir hatten verloren. Ich hatte alles verloren. "Nein." Flüsterte ich fast tonlos und sah hilflos meinen Bruder an, bis sein Körper weit weg hinter einer Klippe verschwand. "Ich liebe euch auch." Wisperte ich.

Viola riss an meinem Arm, um mich weg zu ziehen, doch ich konnte mich nicht rühren. Fast konnte ich hören, wie mein Herz brach. Ein Teil von mir war eben mit meiner Familie gestorben.

Das Letzte woran ich mich erinnerte, war eine Feuersalve, die direkt vor mir in den Boden schlug.

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