Cole:
Ich hielt sie im Arm, während sie ihren Tränen freien Lauf lies. Ihr Körper zitterte unbändig, ich strich ihr beruhigend über das goldene Haar. Jene Verzweiflung und Schuld, die ich tief in mir vergraben hatte, kam plötzlich wieder hoch. Die Erinnerungen dieser furchtbaren Zeit fraßen sich durch meine Seele. Wehmütig betrachtete ich die schönen Bäume. Der Wind spielte mit ihren Blättern und sie strahlten Frieden aus.
Ava war mir von Anfang an bekannt vorgekommen, doch ich hatte nicht darüber nach gedacht. Oder es verdrängt. Doch jetzt, als sie von ihrer Familie und dem Dorf sprach, kam es wie ein Blitz zurück. Und dieser, grub sich mitten in mein Herz...
Es war Nacht, doch das Feuer der Drachen erhellte den Himmel fast Taghell. Ich überflog das große Dorf, mein scharfer Blick konnte jedes Detail aufnehmen. So sah ich all das Grauen und die Verzweiflung, doch nahm sie nicht wahr. Ich tat Dinge, die ich nicht wollte, doch ich dachte nicht mehr darüber nach. Zu lange schon wurde ich gequält und gefoltert, tat ich nicht das, was von mir verlangt wurde. Wie eine Maschine führte ich Befehle aus. Wenn meine Seele noch vorhanden war, dann nur noch unendlich abgestumpft. In ihr war es finster und hohl.
Doch dann, plötzlich war da ein Licht. Ein Mädchen mit langen, goldenen Haaren. Ich spürte ihre Unschuld und Reinheit. Wie ein Magnet wurde ich von ihr angezogen. Sie lag auf dem Rücken im nassen Gras. Der ganze Körper war mit Blut bedeckt und ihre Glieder streckten sich unnatürlich vom Körper ab. Das Leben begann aus ihren Augen zu verschwinden, sie wollte aufgeben. Dennoch spürte ich ihre unglaubliche Stärke und den Willen, zu leben. Ihre tief blauen Augen sahen direkt in meine, alleine ihr Blick zog mich zurück an die Oberfläche. Meine Seele begann wieder zu pulsieren und aufzutauen. Plötzlich konnte ich wieder atmen! Nun erkannte ich das Grauen was sich hier abspielte und was ich unverzeihliches getan hatte!
Doch der Blick des Mädchens war nicht verachtend, oder gar wütend. Sie war friedlich und ihre Augen zeigten mir Vergebung, ehe sie zu vielen und ihr Herzschlag sich verlangsamte.
Ich hatte so vieles falsch gemacht, doch jetzt, jetzt werde ich zum Ersten mal seit langen, wieder das Richtige tun! Als Mensch landete ich neben ihr. Der Krach der Schlacht wurde allmählich leiser. Das Dorf war groß, doch es hatte dennoch keine Chance gehabt. Ich musste mich beeilen!
Behutsam nahm ich das blutige Mädchen in die Arme und trug sie davon. Schneller! Ihr Herzschlag verlangsamte sich zunehmend. Ich nahm sie fester in die Arme und flüsterte ihr unaufhörlich Dinge ins Ohr, für die es sich zu leben lohnte und dass sie nicht aufgeben durfte! Ich erzählte ihr von wunderschönen Sonnenaufgängen, von majestätischen Tieren und endlosen grünen Weiten. Ihre Hand drückte meine so zart, wie der Flügelschlag eines Kolibris. Sie hörte mich! Ich würde sie retten, und wenn es das letzte war, was ich tat!
Ich presste die Augen aufeinander, um meiner Verzweiflung zu verbergen. Sie hatte mich nur mit ihrem Blick gerettet. Ohne sie, währe ich wohl schon lange tot. Ich hatte ihr schon damals meine Seele geschenkt. Deswegen hatte ich so lange durch gehalten. Der Gedanke, dass meine Seele bei ihr in Sicherheit war, hatte mich alle Strapazen überstehen lassen. Doch wenn sie erfuhr, wer ich wirklich war und was ich getan hatte, würde sie mich hassen...
Ava:
Cole war seltsam verschlossen, während wir zurück zu unserem Zuhause liefen. Er schien sehr in Gedanken versunken zu sein, seine Lippen waren zu einem dünne Strich gepresst. War es ein Fehler gewesen, ihn von meiner Familie zu erzählen? Besorgt griff ich nach seiner Hand, die er wie in Trance ergriff. Gerade als ich ihn fragen wollte, was denn los sei, knackte plötzlich ein Ast unnatürlich.
Cole versteifte sich sofort und stieß ein beängstigendes Knurren in die Richtung aus, aus der das Geräusch gekommen war. Für einen kurzen Moment, machte mir sein Gesichtsausdruck Angst. Er war ungezügelt und unglaublich wild.
Ein blonder Haarschopf kam hinter einem Baum zum Vorschein. Ich kannte sie. Einen Moment brauchte ich dennoch, um mich an ihren Namen zu erinnern. "Liv?" Ängstlich kam ihre ganze Gestalt zum Vorschein. "Entschuldigt, ich wollte nicht stören. Ich ... Ich habe nur ... ich wollte nur ... etwas spazieren gehen?" Nervös kaute sie auf ihrer Lippe herum.
Besänftigend legte ich meine Hand auf Cole's Schulter. "Du kennst sie?" fragte er und entspannte sich etwas. "Flüchtig." antwortete ich ihm. "Suchst du etwas bestimmtes?" wandte ich mich nun wieder an Liv. Sie tänzelte nervös herum. "Also, um ehrlich zu sein, als ich dich gestern im Laden gesehen habe, war ich einfach so unglaublich neugierig! Ich habe noch nie einen Drachen gesehen! Bitte verzeiht mein Eindringen!" Sie hielt sich die gefalteten Hände über den Kopf und ich musste kichern. "Wie hast du uns gefunden?" fragte ich sie interessiert. Liv wurde leicht rot. "Ich habe ein Reh gefragt."
Elfen hatten ein ganz besonderes, tiefes Verhältnis zur Natur, dass sie mit Tieren sprachen war nichts ungewöhnliches. Die stärksten von ihnen, konnten sogar das Wetter beeinflussen. Aus diesem Grund, da ich wusste sie würde keiner Fliege etwas zu leide tun, war ich auch nicht wütend über ihr Eindringen.
"Jetzt hast du uns ja gesehen." knurrte Cole. Beunruhigt sah ich ihn an. So kannte ich ihn bisher noch gar nicht. "Ist schon in Ordnung, Cole. Sie ist keine Bedrohung." Plötzlich zog er mich fest in seine Arme. "Jeder kann zur Bedrohung werden." Hart presste er seine sonst weichen Lippen auf meine. Nun machte er mir wirklich Sorgen. "Bitte verzeih, meine Schöne. Ich brauche etwas Zeit für mich. Aber ich bin nicht weit weg." Da lies er mich los und verwandelte sich in seinen Drachen. Entgeistert betrachtete ich die zerrissene Jogginghose. Nächstes mal kann er sich seine Kleidung selbst kaufen...
Die Sonne brach sich an seinen matten Schuppen. Seine Erscheinung flößte mir größten Respekt ein. Mit einem kräftigen Satz stieß er sich vom Boden ab und erhob sich mit einem warnenden Blick an Liv, in die Luft. Seine riesigen Schwingen trugen ihn immer weiter weg, bis ich ihn nicht mehr ausmachen konnte.
Verdattert blieb ich zurück. Was hatte ich nur angestellt? Ich hätte ihn nicht so früh von meiner verkorksten Vergangenheit erzählen sollen. Mit schwerem Herzen sah ich an den Punkt, an dem ich ihn zuletzt ausgemacht hatte. Sollte ich ihm hinterher? Lieber nicht. Cole sah so angespannt aus, ich sollte ihn seine Zeit lassen.
"Krass!" Liv holte mich aus meiner Erstarrung zurück. Mit offenen Mund hatte sie Cole hinterher gesehen. Ihre Erscheinung heiterte mich etwas auf. Als hätte sie gerade das Christkind gesehen.
"Dir fallen gleich die Augen aus dem Kopf." zog ich sie auf. Sie betrachtete mich mit tiefer Faszination. "Das war unglaublich!" Sie rannte auf mich zu und umrundete mich von allen Seiten, als ob sie befürchtete mir könnte gleich ein Schwanz wachsen. "Was könnt ihr noch alles? Ich habe gehört ihr spuckt Feuer?! Wie fühlt sich das an?" Kurz dachte ich darüber nach. "Wie Sodbrennen." Schockiert blieb sie vor mir stehen. "Wirklich?" Angewidert verzog sie ihr Gesicht. "Nein." Kurz sahen wir uns an, dann brachen wir beide in schallendes Gelächter aus.
Liv war mir äußerst sympathisch. Sie hackte sich bei mir ein und gemeinsam spazierten wir durch den Wald. Ihre Fröhlichkeit hohlte mich etwas aus meinem Trübsal zurück, doch meine Gedanken waren nur bei Cole. Was hatte ich falsch gemacht? Kommt er wieder zurück? Und vor allem, wann? Trotz Liv's Heiterkeit verspürte ich einen Stich in meinem Herzen. Mein Drache und ich sehnten uns nach ihm.
"Wirklich schön hast du es hier! Und sieh dir nur all diese Blumen an! Und die vielen Vögel! Das Reh hat übrigens eine hohe Meinung von dir!" Ich lächelte in mich hinein. Liv war ein seltenes Exemplar. Man erkannte ihre Ehrlichkeit schon von weiten. Wenn sie es wollte, würden wir gute Freundinnen werden. Das konnte ich spüren.
Wehmütig sah ich noch mal in den Himmel. Bitte verlasse mich nicht Cole...
Hallo ihr Lieben!
Ich bin super begeistert, dass ihr es bis zu meinem 10. Kapitel geschafft habt!
Wie gefällt euch die Geschichte bisher? Ich freue mich immer über Rückmeldung :)
Liebe Grüse und weiterhin viel Spaß mit Ava und Cole!🐲🦌
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Forever
FantasyDer Krieg ist lange vorbei, doch noch immer lebt die schöne Drachenwandlerin Ava zurückgezogen in ihrem Wald. Zu tief sitzt der Schmerz und der Verlust, der jener Krieg bei ihr hinterließ. Sie liebt die Natur und die Ruhe, weis jedoch nicht, wie ei...