Wer ist hier kindisch?

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Cole hob mich auf seine Arme und trug mich fort von dem See, in den ich gefallen war. Er lag ruhig und tief blau glitzernd in der untergehenden Sonne, so als hätte nie etwas seine Oberfläche berührt. Ich lehnte meinen Kopf gegen Cole's Arm. Mein Körper schmerzte vom Aufprall, doch ich wusste, meine Heilungskräfte hatten schon eingesetzt und es würde bald besser werden. Kurz schloss ich die Augen und sog Cole's vertrauten Geruch ein. Ich lies den Traum meines Bruders nachklingen. Er fehlte mir so sehr. Wieder dachte ich an seine Grübchen, die er immer versuchte zu Kaschieren, da sie seiner Meinung nach nicht Männlich waren. Ich dachte an seine hellbraunen Haare, die einen ähnlichen Ton wie meine aufwiesen und ständig in seine Augen hingen. 

"Wie ist das ganze passiert?" fragte Cole plötzlich in die Stille hinein. Erst jetzt erkannte ich seine Anspannung, seine Stimme war von Zorn erfüllt. Leicht wich ich zurück und sah in seine grünen Augen. Ich mochte es nicht, wenn er so war. Jedes mal bekam ich eine Gänsehaut. Es schien, als wäre er völlig ausgewechselt.

Sauer darüber, dass er mich aus meinen Gedanken gerissen hatte, starrte ich zurück. Er zog eine Augenbraue in die Höhe. "Warum siehst du mich so wütend an? Ich bin hier der, der sauer ist. Immerhin wirfst du dich, sobald ich nicht in der Nähe bin, von Klippen! Wieso?! Du hättest dich schwer verletzten, oder sogar sterben können! Ich hätte nicht gedacht, dass du so dumme Dinge tun könntest!" Schockiert darüber, dass er dachte ich wäre freiwillig gesprungen, und er mich dumm genannt hatte, starrte ich ihn weiter an. Ich versuchte ruhig zu bleiben, doch es brodelte immer mehr Wut in mir hoch, bis ich explodierte.

"Was denkst du dir, Cole?! Du nennst mich dumm?! Weist du was dumm ist? Einfach wie ein Kind ohne Erklärung abzuhauen! Ich habe mir Sorgen gemacht! Du bist wirklich undurchschaubar! Ich weis nie, was gerade in die vorgeht, ob du gut drauf bist, oder den Wald abfackeln willst! Mir reicht es!" Cole hatte Schwierigkeiten mich zu halten, so sehr strampelte und zappelte ich in seinen Armen. "Jetzt halte schon still!" rief Cole aufgebracht und schmiss mich kurzerhand einfach über seine Schulter. Wie ein Sack hing ich an seinem Rücken, während er meine Beine fest hielt. Das machte mich noch wütender! "So löst du also deine Probleme?! Du ignorierst sie einfach?! Weist du was, ich bin eine Erwachsene Frau und lasse mich von dir nicht wie ein Kind behandeln!" Cole bliebt stehen und sog scharf Luft durch seine zusammen gebissenen Zähne ein. Er rang mit seiner Wut. "Du bist also erwachsen? Schön, weist du was? Erwachsene können selbst laufen!" Damit zog er mich von seinem Rücken und setzte mich auf die Füße. Mich keines Blickes würdigend, ging er an mir vorbei. "Du bist vielleicht erwachsen, doch solche Actionen lassen darauf schließen, dass du die geistige Reife eines Kindes nicht überschritten hast."

Seine Worte verletzten mich so tief, dass sofort sämtliche Wut verrauchte. "Weist du was Cole? Denk doch von mir, was du willst. Aber eines kann ich dir versprechen. Meine Kindheit wurde mir geraubt, von einem sinnlosen Krieg! Meine Kindheit, ist mit meiner Familie in dieser schrecklichen Nacht gestorben! Also, wie kannst du mir nur solche Vorwürfe machen?!" Meine Wut war in tiefe Verzweiflung übergegangen. Heiße Tränen rannten mir über die Wange.

Plötzlich versteifte sich Cole bei meinen Worten. Mit dem Rücken stand er zu mir. Langsam drehte er sich um und sah in meine Augen. Auch bei ihm war sämtliche Wut verschwunden, in seinen Augen war nur Schmerz zu sehen. Schnellen Schrittes kam er auf mich zu und nahm mich in die Arme. Ich klammerte mich an ihn. "Es tut mir leid, meine Schöne. Ich glaube, wir verhalten uns beide wie Kinder." Durch meine Tränen musste ich lachen. "Du bist immer einmal mehr Kind als ich!" Lächelnd hob er mein Kinn an und wischte die Tränen von meiner Wange. Seine Lippen senkten sich auf meine. Sein Kuss war tief und voller Emotionen. Überrascht von so vielen Gefühlen, erwiderte ich seinen Kuss. Plötzlich spürte ich seine Hand in meinem Nacken, er zog mich noch enger an sich und lies den Kuss intensiver werden. Sowohl ich, als auch mein innerer Drache sprangen sofort darauf an. Wieder pulsierte mein Blut und lies mich nach mehr verlangen. Ich schlang die Arme um seinen Hals und presste mich an ihn. Erst jetzt wurde mir so richtig bewusst, dass er nichts an hatte. Doch das war ich ja langsam schon von ihm gewohnt...

Sein Kuss wurde plötzlich verzweifelter. Wie ein Ertrinkender klammerte er sich an mir fest. Seine Hände wurden forscher und strichen unter mein Kleid meine Hüfte hinauf. Würden sich seine Berührungen nicht so verzweifelt anfühlen, hätte ich es genießen können. Sanft drückte ich ihn etwas von mir weg. "Ist alles in Ordnung?" In seinen Augen stand noch immer Schmerz. Verkrampft lächelte er. "Nein." Voller Sorge strich ich durch seine nassen Haare. "Möchtest du darüber reden?" Cole schüttelte den Kopf. "Noch nicht. Ich kann nicht..." Aufmunternd lächelte ich ihn an und strich mit der Hand über die Sorgenfalten die sich auf seiner Stirn gebildet hatten. "Ist in Ordnung. Komm einfach zu mir, sobald du soweit bist." Sanft küsste ich ihn auf seine weichen Lippen. Er schloss kurz die Augen und entspannte sich etwas.

"Ich muss mich auch bei dir entschuldigen. Ich hätte nicht so ausrasten dürfen. Aber weist du, ich bin nicht freiwillig gesprungen. Ich habe jemanden Verfolgt. Ich konnte seine Aura deutlich spüren, sie war zutiefst verdorben. Dieser Eindringling hat mich in eine Falle gelockt. Plötzlich bin ich ausgerutscht und gefallen." Cole versteifte sich sofort und zog mich eng an sich. "Ich bringe dich jetzt nach hause, dann suche ich die Gegend ab! Konntest du ihn erkennen?" Bedauernd schüttelte ich den Kopf. "Leider nein. Ich sah nur einen Schatten." Mit harter Miene nickte er und hob mich wieder hoch, als würde ich nichts wiegen. Schnellen Schrittes ging Cole vorwärts, ich legte wieder meinen Kopf an seine Schulter. Mit ihm fühlte ich mich sicher. Und auch, wenn er etwas vor mir geheim hielt, vertraute ich ihm. Cole hatte Recht, unsere Drachen hatten sich schon längst füreinander entschieden. Und ich, so stellte ich jetzt fest, hatte es auch getan.

Lächelnd schloss ich die Augen und lauschte seinem Herzschlag. Plötzlich fühlte ich mich durch meine Erkenntnis viel leichter. Ich zweifelte nicht mehr. Ich vertraute ihm. Er hatte mich gerettet. Nicht nur jetzt, er hatte mich auch aus meiner Verzweiflung und meiner Einsamkeit gerettet. Er lies mich wieder nach vorne blicken. "Danke." flüsterte ich. Cole zog mich enger an sich. Durch das gleichmäßige Wippen seiner Schritte wurde ich langsam schläfrig.

Ich würde Cole nicht drängen, mir alle seine Geheimnisse offen zu legen. Ich musste darauf vertrauen, dass wir alles überstehen konnten. Natürlich war seine Vergangenheit nicht leicht gewesen, genau so wie meine. Ich wusste nicht viel über ihn, ich wollte ihn nicht drängen, doch einige Fragen mussten einfach gestellt werden.

"Cole? Hast du eigentlich ein Zuhause, oder ein Ort an den du wieder zurück kehren möchtest?" fragte ich schläfrig. Er lies sich ein paar Sekunden Zeit mit seiner Antwort. "Nein. Ich habe keine Angehörigen mehr und auch nicht viele Freunde. Wie du, war wohl auch ich auf der Suche nach einem Ort, an den ich gehöre. Und jetzt, habe ich ihn gefunden. Bei dir." Mein Lächeln vertiefte sich. Seine ehrlichen Worte wärmten mein Herz und ließen es vor Freude höher schlagen. 

Ich hob den Kopf und sah ihn in die Augen. "Das macht mich sehr glücklich. Du, machst mich sehr glücklich." Cole's Gesichtszüge wurden sanft und er strahlte. "Das hat noch nie jemand zu mir gesagt." Lächelnd zog ich sein Gesicht zu mir und küsste ihn glücklich. "Dann werde ich es dir ab heute jeden Tag sagen." Er lachte. "Klingt anstengend. Vor allem, da ich sehr anstrengend sein kann."  "Dito." kicherte ich. 

Plötzlich legte er mich ab. Ich fühlte meine weiche Matratze an meinem Rücken. Wir waren schon Zuhause? Cole zog mir die Schuhe aus und deckte mich fürsorglich zu. Genießerisch kuschelte ich mich ein, wieder fielen meine Augen zu. "Ich werde jetzt los ziehen. Ich sperre die Tür ab." Gerade als er sich abwenden wollte, hielt ich ihn an seiner Hand fest. "Bleib bitte hier. Wir können morgen gemeinsam suchen. Zusammen sind wir stärker." Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. "So? Haben wir bisher nicht eher gegeneinander gekämpft?" Ich kniff in seine Seite und zog ihn blitzschnell zu mir hinunter. An seinen Haaren zog ich ihn zu mir und küsste ihn noch mal intensiv. Sehnsüchtig erwiderte er meinen Kuss. Fordernd setzte ich meine Zunge mit ein. Mein Unterleib zog sich lustvoll zusammen, seine schwere Atmung erregte mich bis aufs unendliche.  

Bevor wir die Kontrolle verloren, löste ich mich wieder sanft von ihn. "Sei vorsichtig. Und beeil dich!" Cole legte seine Stirn an meine. "Ich werde nicht zulassen, dass hier jemand umher streift, der dir schaden will." 

Plötzlich löste er sich von mir und schritt zur Tür. Dort blieb er kurz stehen. "Schlaf etwas, meine schöne Ava. Ich bin bald zurück." So schloss er die Tür und verriegelte sie. Erledigt lies ich mich in mein Bett zurück fallen. Komischerweise machte ich mir über den Eindringling kaum Gedanken. Mein Kopf schwirrte nur um Cole. Ich wollte ihn Glücklich machen, er sollte jeden Tag lachen. Denn ich liebte sein lachen...

Friedlich schloss ich die Augen und döste langsam weg. Schon jetzt vermisste ich ihn. Wir waren wie zwei Magnete, die sich gefunden und nicht mehr los lassen konnten. Ich wollte ihn auch gar nicht los lassen. So glücklich wie schon lange nicht mehr, schlief ich schließlich ein.

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