Kapitel 3 - 1. Halbzeit

6.4K 184 12
                                    

Drinnen kämpften wir uns den Weg ganz nach vorne ans Gitter der Südkurve. Da die Südkurve aus Stehplätzen bestand, hatte niemand einen festen Platz. Nach viel Rumgeschubse und Drängeln standen wir schließlich ganz vorne am Gitter und hatten freie Sicht auf das Spielfeld.

Wir waren spät dran, deswegen hatten die Spieler sich schon aufgewärmt und machten bereits das Gruppenbild (für gewöhnlich schaute ich ihnen beim Aufwärmen zu). Danach wurde durch Münzenwerfen entschieden, wer den Ball bekommt und wer auf welcher Seite in der ersten Halbzeit spielte und schon wurde das Spiel angepfiffen. Manuel Neuer, der übrigens auch einer meiner Lieblingsspieler war, spielte erst auf der anderen Seite, was heißt, dass der gegnerische Torwart fast direkt vor mir im Tor stand und ich meiner Mannschaft hautnah zuschauen konnte, wenn sie ein Tor schoss.

Nach ein paar Spielminuten hatte Kai den Ball und war im Alleingang auf dem Weg zum Tor. Er spielte den Ball geschickt an dem Torhüter vorbei und lief in Richtung uns, den Fans. Er ließ sich ordentlich feiern, wie es Fußballer nun mal taten. Bald war auch das restliche Team bei ihm und feierte mit ihm. Ich breitete mein Plakat aus, aber ich bezweifelte, dass er es gesehen hatte. Aber wenn ein Trikot verschenkt wurde, wurde es dies sowieso erst nach dem Spiel.

In der zweiten Halbzeit fielen noch zwei Tore für Bayern und Mainz ging ohne Tore heim. Die Mannschaft kam zu uns um nach dem Sieg zu feiern und sich feiern zu lassen. Meine Chance! Ich ging so nah es geht ans Gitter und steckte mein Plakat raus, vor meinen Körper.

Erst sah er gar nicht in meine Richtung, dann stupste in ein Teamkollege an und er sah in meine Richtung. Man merkte, dass er sich anstrengen musste, um trotz der Entfernung mein Plakat lesen konnte. Hab ich's zu klein geschrieben? Doch da setzte er sich in Bewegung. In meine Richtung! Lea schlug mich aufgeregt an den Oberarm, als sie es auch sah.

Als er vor mir stand, zog er sein Trikot aus, hatte aber, zu meinem Bedauern, ein Untertop an. Ich streckte meine Hand nach ihm aus, er lächelte mich an und drückte mir das Trikot in die Hand. 'Vielen Dank!!' rief ich. 'Wie heißt du?!' fragte er. 'Luna!' Er grinste und wandte sich mir ab. Ich rief ihm nochmal 'Danke!!' zu, aber das hatte er bestimmt nicht gehört, da ich von den Fans neben mir übertönt wurde.

Als er wieder seinen Kollegen angekommen war, gingen sie allesamt in die Kabine.

Lea und ich nahmen uns an den Händen und hüpften glücklich auf und ab. Fangirl-Alarm.

Wir schafften uns einen Weg aus dem Stadion zu meinem Auto, in dem wir beide einstiegen. Das Trikot hatte natürlich einen Ehrenplatz auf meiner Rückbank. 'Das darfst du aber nicht waschen!' kicherte Lea. Ich lachte. 'Hatte ich nicht vor.' meinte ich.

Nach einer Stunde standen wir vor ihrer Wohnung und ich lud sie dort nach einer Abschiedsumarmung aus.

Als ich meine Wohnung betrat schnappte ich mir erstmal Tesa und hängte das Plakat neben dem eben aufgehängtem Trikot auf. Ich glaube, heute war der beste Tag meines Lebens.

Nach einer langen, warmen Dusche zog ich meine Kuschelsocken und meinen kurzen Schlafanzug an. Ich schmiss mich aufs und surfte in den sozialen Netzwerken, wie ich es jeden Tag vorm Schlafengehen machte.

Da sah ich, dass Kai etwas auf Instagram gepostet hatte, wie jeder anderer Spieler nach einem Spiel. Auf dem Bild war er von hinten zu sehen, als er mir sein Trikot gab. Man sah mich zwar kaum, aber die Haare und die ausgestreckte Hand reichte mir, um zu erkennen, dass ich es war. Ich konnte mir einen kleinen Freudenschrei gerade so verkneife.

In der Beschreibung bedankte er sich für den Support heute. Ich likete das Bild und teilte es in meiner Story. Da erschien eine Nachricht auf meinem Handy. Sie war von meinem Bruder.

>>Hast du vielleicht Lust morgen mit Essen zu gehen?>> Oh nööö. Ich hatte gar keine Lust. Meistens saßen wir nur da, aßen was und führten nur Smalltalk, was ich hasste.

<<Ich weiß nicht...<<

>>Wir wären sogar nicht alleine ;)>> Bitte was?

<<Und was heißt das jetzt?<<

>>Einige Spieler kommen auch mit essen.>> Bevor ich etwas erwidern konnte antwortete er:

>>Ja, auch Kai.>> Ich wurde rot.

<<Mh<<

>>Gut, ich hole dich morgen um 19 Uhr ab.>>

Damit war das besiegelt. Ich würde morgen mit meinem Bruder, einen Teil des Bayernkaders und Kai Havertz essen gehen, als ob es nichts besonderes wäre. In mir drin wütete es und ich wäre am liebsten jauchzend durch meine Wohnung gehüpft, aber so viel Beherrschung hatte ich noch.

Beim Einschlafen betrachtete ich ich nachdenklich Kai's Trikot, was ich natürlich so aufgehängt hatte, dass ich es von meinem Bett aus sehen konnte, bis ich in einen sanften Schlaf fiel.

FußballliebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt