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Liebes Tagebuch,

Verzeih mir, falls ich manchmal zu schlampig oder hektisch schreibe. Ich bin nicht allein;-)

Er stand einfach vor meiner Tür. Vor ungefähr zwanzig Minuten. Mit Blumen!!

Es ist kein Valentinstag oder sonst irgendetwas. Es ist unser Einmonatiges! Kaum zu glauben, wie schnell die Zeit vergeht.

Er hat mich mitten während meines heutigen Tagebucheintrags erwischt -habe ich aber nach langem Überlegen wieder entfernt-. Was sollte ich machen? Wenn ich etwas anfange, beende ich es auch.

Ansonsten muss ich dir leider miteilen, dass letztens die Beerdigung meines Großvaters stattfand. Ich wollte schon vor ein paar Wochen darüber schreiben, aber auf einmal fiel ich in ein riesiges Tief, wenn ich an die schönen Zeiten mit ihm dachte und nahm mir dann vor, die später mehr zu erzählen.

Vielleicht widme ich ihm auch den ganzen heutigen Tagebucheintrag. Ich meine, dass Carlos mit mitgebrachten Blumen bei mir ist, verrät über diesen Part hoffentlich genug.

Wie auch immer. Mein Großvater hat es verdient, dass ich ihm hiermit meine letzte Ehre erweise.

Es klingt traurig. Ich dachte, ich könnte einfach nur keine Gefühle zeigen. Dann überkam es mich und auf einmal erinnerten mich alle Spielplätze im Umkreis von fünf Kilometern an den wunderbaren Mann, der mich mit einem halben Meter auf die Rutsche hob und seinen Rücken als Raumschiff zum Mars umfunktionierte. Das Lachen kleiner Kinder erinnert mich daran, wie viel ich in seiner Gegenwart gelacht habe.

Meine Großmutter starb früh und auf einmal war mein Großvater neben seinem Job als freundlicher Rentner, vereinsamter Witwer und liebender Großvater. Er nahm mich auf, wenn ich zu ihm kam und er fuhr stundenlang aus seinem Urlaub zu mir, wenn es mir schlecht ging.

Er war wie mein bester Freund.

Tag und Nacht konnte ich nicht schlafen. Carlos fragte mich, was sei. Dennoch schwieg ich. Seit er es aber weiß, ist er für mich noch mehr da als zuvor. Wenn ich ihm sage, dass es mir nicht gut geht, steht er nur kurze Zeit später mit Süßem vor meiner Tür und nimmt mich in den Arm. Wofür habe ich ihn verdient?

Schon wieder Carlos...

Naja mein Vater war Seemann. Nicht, weil er Schiffe oder Fische liebte. Jedes mal, wenn ich ihn fragte, meinte er nur, ihn fasziniere das Meer. Der endlos wirkende Ozean, der niemals zu enden scheint. Er erzählte mir von den Tagen, die er stundenlang mit seinem Boot auf dem Meer verbrachte und den Fischen beim schwimmen und den Wellen bei ihrem typischen Weg zum Ufer zusah. Mein Großvater war -wie wahrscheinlich zu vermuten- kein sehr guter Fischer. Er war am Ende sogar so schlecht, dass er nicht einen Fisch am Tag verkaufte, weil sie ihm zu sehr leidtaten. Nur leider war das für ihn der einzig mögliche Job auf dem Meer.

Um aus seinen Geldproblemen zu kommen, entschloss er sich nach einigen Jahren aber dann doch, vom Meer wegzuziehen und wie von selbst kreuzte sich sein Weg mit dem meiner Großmutter.

Opa erzählte oft, dass er das Meer bei ihr nicht mehr vermisste. Er meinte, sie habe ihn so fasziniert, wie das Meer es zuvor tat.

Und das waren dann die Stellen in seinen Erzählungen, an denen Mom und der Rest meiner Familie mit Tränen in den Augen im Zimmer standen und einfach nur zuhörten. Das waren damals meine Familienabende.

Jeder liebte seine Geschichten und niemand blieb vorm Weinen verschont.

So wie ich jetzt. es bricht mir das Herz, dass ich nie wieder seine Geschichten hören kann. Und es bricht mir das herz, dass ich ihn vier Monate vor seinem Tod zuletzt gesehen habe. Mein Opa war alt und brauchte mich. Das wusste ich schon immer. Jetzt ist er weg und mit ihm die Familienabende, die Überraschungsbesuche der Verwandtschaft, wenn jeder außer uns weiß, dass er kommt und mein aller bester Freund.

Das wars für heute. Mehr kann ich nicht mehr schreiben.

Liebes Tagebuch

Dear First LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt