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Wie in Trance bekomme ich mit, wie man mich mit vereinten Kräften auf einen Sessel trägt. Meine Beine sind zu Wackelpudding geworden. Der Rest meines Körpers ist taub.

"Seit wann...?" Frage ich zittrig und sehe in die verweinten Augen der Mutter, ehe sie erst realisiert, was ich von ihr wissen will.

"Seit wir nach Spanien gezogen sind. Er hat sich geweigert, wollte auf einmal nach Huelva... Seitdem bekommen wir nur noch Postkarten von ihm. Die letzte ist einen Monat her."

"Er lebt?" Frage ich verwirrt, während sein Bruder ein leichtes Lachen unterdrückt.  Sein Bruder war sein bester Freund und irgendwann auch meiner. Er wusste mehr über uns beide als irgendjemand anderes auf dieser Welt.

"Du liebst ihn noch?" Es ist schön, wieder etwas auf Deutsch zu hören. In dem gleichen heißen Akzent wie sein Bruder vor einem Jahrzehnt.

"Mehr als ich geglaubt habe. Marco ich flehe dich an... Was weißt du?" Wie von selbst fließen neue Tränen aus meinen Augen. Ich fühle mich auf einmal nicht mehr so mutig wie vor wenigen Wochen. Ich fühle mich wie ein emotionales Bündel von einem Wasserfall.

"Er lebt in Huelva, fünf Stunden mit dem Truck von hier. Wir haben seit zehn Jahren kaum Kontakt noch." Ich sehe ihm an, wie verzweifelt er ist und wie gerne er mir weiterhelfen würde. Und wäre ich nicht Fleur, hätte meine Reise auch hier geendet. In Consuegra, dem Ort aus Carlos Träumen.

Doch ich will diesen Ort nicht als letzte Erinnerung an Carlos im Kopf haben. Ich will mich in vierzig Jahren nicht fragen müssen, wieso ich nicht in Spanien wohne, wieso meine Kinder nicht Latinos sind und wie es meiner großen Liebe momentan so geht, während Chris neben mir im Schaukelstuhl sitzt und unsere drei deutschen Kinder bewundert.

Mein Leben hätte mir Carlos nie geschenkt und es hätte mich schon gar nicht mit so starken Gefühlen für ihn gesegnet, wenn es nicht einen Grund dafür gehabt hätte.

Dieses verdammte Tagebuch zeigt mir mit jedem weiteren Eintrag, dass Chris ein riesiger Fehler sein muss. Dass mein momentanes Leben ein Fehler ist.

"Fahr Leyla und mich dahin!" Sage ich bestimmt und überrasche ihn damit mehr als gewollt.

"Fleur... das kannst du nicht erwarten."

"Sag mir hier und jetzt, dass Carlos und ich nicht füreinander geschaffen sind, dass ich nicht das Beste war, was ihm passiert ist und dass es ein riesiger Fehler war, nach Spanien zu fliegen, während mein Verlobter in Frankreich bei meiner Mutter auf mich wartet?" Oh Gott... und wie das verrückt klingt. Wenn ich mich selbst so reden höre, will ich mich fast selbst zurück nach Frankreich bringen. Doch mein Herz hat anderes mit mir vor. Und wenn ich die Wahl zwischen Herz und Kopf habe, dann heißt meine Wahl immer Herz.

"Wenn ich Carlos nicht in diesen wenigen Jahren so verdammt glücklich gesehen hätte, dann würde ich dir gerne all deine Aufzählungen bestätigen. Dumm nur, dass ich nun erwachsen bin und nüchtern nur weiß, dass du jetzt deinen verdammten Arsch bewegen sollst, damit wir noch heute Nacht in Huelva ankommen. Hopp.... hopp!"

Das lasse ich mir natürlich nicht zweimal sagen. Und so ziehe ich schon wieder nach einer Stunde auf mit einem mulmigen Gefühl und der Hoffnung auf ein verdammtes Wunder...

Dear First LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt